
Auf den ersten Blick passen diese beiden Nachrichten nicht so richtig zusammen: Einerseits spricht sich – auch aufgrund von Medienberichten – herum, dass die Firma Kesstech aus Obertheres einen Insolvenzantrag gestellt hat. In der Region wird der Motorrad-Zulieferer nun oft in einem Atemzug mit der Bäckerei Schlereth genannt, die kürzlich ebenfalls Insolvenz angemeldet hatte. Der Tenor: Der Wirtschaft im Landkreis Haßberge geht es schlecht, schon wieder geht ein Unternehmen pleite.
Andererseits sucht Kesstech derzeit neue Arbeitskräfte, die das aktuell knapp 50-köpfige Team verstärken sollen. Das ist unter anderem auf der Website des Unternehmens zu lesen. Auch im Gespräch mit der Redaktion zeigen sich Geschäftsführer Patric Schneider und sein Vater Rüdiger durchaus gut gelaunt – ganz anders, als man es von den Chefs einer Firma erwarten würde, die kurz vor dem Aus steht.
Neue Gesellschafter haben das Geschäft erst 2024 übernommen
Denn hier handelt es sich nicht um ein Unternehmen, das abgewickelt wird. Vielmehr hat das Amtsgericht Bamberg der Insolvenz in Eigenverwaltung stattgegeben. Das bedeutet: Die Geschäfte laufen wie bisher weiter unter der Führung der Schneiders, zusammen mit Titus Schäffer als drittem Gesellschafter. "Das ist für uns eine Neuaufstellung und ein Neustart – mit klarem Blick nach vorne", sagt Rüdiger Schneider.
Erst Mitte 2024 hatten die Schneiders und Schäffer die MEC GmbH komplett übernommen. MEC, so heißt die Firma seit 2020 offiziell, auch wenn die Produkte weiterhin unter dem bekannten Namen Kesstech verkauft werden. Zuvor waren die heutigen Firmenchefs bereits beratend für das Unternehmen tätig, bevor sie Stück für Stück mit einstiegen.
Fehlentwicklungen in der Vergangenheit: Junge Kundschaft zu lange vernachlässigt?
Jetzt gehe es darum, Altlasten loszuwerden. "Es sind Sachen aus der Vergangenheit aufgeschlagen, die wir nicht zu tragen bereit waren", berichtet Rüdiger Schneider. "Wenn das Verfahren abgeschlossen ist, haben wir eine solide Basis für nachhaltiges Wachstum." Denn, so erklärte er in der vergangenen Woche bei einem Besuch im Motorrad-Podcast von "Harleysite": Die neuen Gesellschafter hätten vieles nicht gewusst, was zuvor bei Kesstech gelaufen war.
Was genau die Fehlentwicklungen seien sollen, lässt er sowohl im Podcast als auch im Gespräch mit der Redaktion weitgehend offen. Lediglich eines lässt er durchblicken: Junge Motorrad-Fans haben oft andere Wünsche und Vorlieben als ältere und die Firma habe die Wünsche der jüngeren Kundschaft lange vernachlässigt.

"Bei einer regulären Insolvenz steht oft die Abwicklung des Unternehmens im Raum", sagt sein Sohn Patric Schneider. "Bei einer Eigenverwaltung geht es darum, das Unternehmen zukunftssicher zu machen – mit einer klaren Fortführungsstrategie." Ohne eine positive Prognose für die Zukunft werde ein solches Verfahren gar nicht genehmigt. "Das bedeutet, dass bereits vor der Zulassung ein tragfähiges Konzept vorliegen muss, das eine erfolgreiche Fortführung des Unternehmens sicherstellt."
Die Firma vermeidet das Wort "Insolvenz"
Sowohl im Gespräch als auch in den Ausführungen auf der Unternehmens-Website fällt auf: Obwohl das Verfahren "Insolvenz in Eigenverwaltung" heißt, vermeidet man das Wort "Insolvenz" weitgehend und spricht lieber vom "Verfahren der Eigenverwaltung". Die Botschaft ist klar: Die Gesellschafter zeigen sich überzeugt, dass sie die Firma wieder auf Erfolgskurs bringen können.
So stelle sich nicht die Frage, ob es das Unternehmen schaffen könne, sondern nur, wie lange es dauern werde, bis MEC wieder den größten Marktanteil in der Branche übernimmt. "Wir haben ein starkes Produkt, das weltweit bekannt ist. Das gibt uns eine hervorragende Basis für die Zukunft."
Bei diesem Produkt handelt es sich um elektronisch gesteuerte Auspuffklappen, die die Geräuschentwicklung steuern. Denn: Einerseits geht es Motorradfahrerinnen und -fahrern üblicherweise weniger darum, von A nach B zu kommen, und vielmehr um den Fahrspaß, zu dem auch die typischen Geräusche der Maschine gehören. Andererseits sind gerade diese Geräusche oft ein Problem – Stichwort: Lärmbelästigung.
Begeisterung für das eigene Produkt: Ein Biker an der Firmenspitze
Eben hier sollen die Kesstech-Auspuffklappen eine Lösung bieten. Denn die kann die Fahrerin oder der Fahrer per Knopfdruck öffnen oder schließen und so die Lautstärke des Auspuffs regulieren. Dabei würden alle gesetzlichen Vorgaben zum Lärmschutz eingehalten, man sei mit einem so ausgestatteten Fahrzeug immer legal unterwegs, betont die Firma. Eingebaut werden diese Auspuffanlagen vor allem in Maschinen der Marken Harley-Davidson, BMW und Indian.

Rüdiger Schneider ist die Begeisterung für das eigene Produkt deutlich anzumerken. "Ich lebe das Motorradfahren seit 40 Jahren – und genau diese Leidenschaft treibt uns an", sagt der passionierte Motorradfahrer, der betont, hier gehe es um ein Lebensgefühl, zu dem der Sound der Maschine dazugehöre.
Erster Kontakt durch den Kauf einer Harley
Eben diese eigene Begeisterung war es auch, die die Schneiders auf die Firma Kesstech aufmerksam werden ließ. Bis vor fünf Jahren hatten sie noch eine Firma als qualitätstechnischer Dienstleister, die sie wegen gesundheitlicher Probleme von Rüdiger Schneider aufgeben mussten, der danach beratend in der Industrie tätig war.
"Mein erster Kontakt mit Kesstech kam über den Kauf einer Harley zustande – so haben sich die Gespräche entwickelt", berichtet er. Die führten dann dazu, dass er, sein Sohn Patric und Geschäftspartner Titus Schäffer zunächst beratend für Kesstech tätig wurden und die Firma dann Stück für Stück übernahmen.
"Made in Germany": Deutsche Ingenieurskunst als Statement
Jetzt sollen neue Produkte auf den Markt kommen, die die Firma wieder auf Erfolgskurs bringen, berichten die Schneiders, halten sich aber noch bedeckt, worum es sich dabei handeln soll. Nur so viel: Der Firma sei es wichtig, so weit wie möglich mit deutschen Ausgangsprodukten zu arbeiten. "Unsere Qualität 'Made in Germany' bleibt ein entscheidender Faktor – besonders für Märkte wie die USA, Japan, Asien und die Emirate, wo deutsche Ingenieurskunst ein echtes Statement ist", sagt Patric Schneider.
Zudem hat MEC kürzlich die Firma V-Team übernommen, die zuvor zu ihren Lieferanten gehört hat. Diese stellt Abgaskrümmer sowie Lenker für Motorräder her. Den Krümmer, also die Vorrichtung, die die Abgase in den Auspuff leitet, hatte der Auspuff-Hersteller Kesstech bisher von V-Team bezogen. Jetzt stellt die Firma diese Bauteile im eigenen Werk in Obertheres selbst her. Auch die Produktion der Lenker hat Kesstech nach Theres geholt.
Das schreibe ich als seit über 50 Jahren begeisterter Motorradfahrer.