
Schüsse hallen durch das beschauliche Oerlenbach (Lkr. Bad Kissingen). Getroffen wird niemand. Mit dem Einsatz der Schreckschusswaffe sollen unliebsame Besucher vertrieben werden. Nur dass es sich dabei nicht um lästige Tauben handelt, sondern um einige in der Nähe feiernde Jugendliche. Die Teenager sind, ohne es zu ahnen, einem Drogendepot zu nahe gekommen.
In dem Gebäude befinden sich kiloweise Drogen, die aus Bad Orb in Hessen geholt wurden. Die Päckchen mit Marihuana, Haschisch und Kokain sind auf dem Dachboden verräumt. In einem Spind, in dem auch ein Butterfly-Messer mit zehn Zentimeter langer Klinge bereitliegt. Nur zur Sicherheit. Von den Schüssen aufgeschreckte Anwohner rufen die Polizei. Die Streifenbeamten kommen, nehmen eine Anzeige auf und die Waffe mit. Das Lager indes bleibt unangetastet.
Florierender Drogenhandel in den Haßbergen
Dass die beiden Cousins, die sich derzeit wegen Drogenhandels vor dem Landgericht Bamberg verantworten mussten, besonders vorsichtig gewesen wären, kann man in der Rückschau also kaum behaupten. Die Angeklagten sollen im vergangenen Jahr einen florierenden Drogenhandel in und um Schweinfurt, sowie in den Haßbergen aufgebaut haben.
Am Telefon plaudern sie ungeniert über Grammzahlen und Preise. Dann heißt es zwar "Paket", jeder weiß aber, dass damit ein Kilogramm gemeint ist. Was die Dealer nicht wissen: sie werden gerade abgehört. Denn seitdem einer der Hauptkunden der Cousins in Ebelsbach aufgeflogen ist, hat die Kriminalpolizei Schweinfurt das Duo aus den Haßbergen im Blick.
Spuren auf dem Bankkonto
So können insgesamt 13 Beschaffungsfahrten nach Bad Orb belegt werden. Das Bargeld aus ihren illegalen Geschäften teilen sie brüderlich untereinander auf. Einen Teil zahlen sie aufs Bankkonto ein und hinterlassen so Spuren, die die Ermittler gar nicht verfehlen konnten.
Den Rest bewahren sie in einer Geldkassette auf. Das Geld von dort verwenden sie, um sich all die Extras zu gönnen, die sie sich trotz gutbezahlter Jobs nicht leisten können: hochwertige Computer, Spielekonsolen und Smartphones, sowie einen Wagen für 45.000 Euro. Sie brauchen die Einnahmen aber auch für Rauschgift.
Cousins haben ein Suchtproblem
Beide Cousins haben ein massives Suchtproblem. Das geht so weit, dass einer von ihnen eines Tages die Menge falsch einschätzt und bewusstlos liegenbleibt. Nur weil seine Mutter zufällig vorbeischaut, überlebt er die Überdosis. Der andere nimmt schwerste Schmerzmittel. Wenn eine Substanz nicht mehr durchschlägt, weil der Körper sich daran gewöhnt hat, wechselt er zur nächsten. Den Nachschub erhalten sie mit der Post: Das beweist ein von Zollfahndern in einem Logistikzentrum in Heidenheim an der Brenz abgefangenes Paket mit 1.500 Tabletten.
Nicht ganz ins Bild passt die dritte Angeklagte. Die junge Frau war die Lebensgefährtin von einem der Cousins und hat selbst keine Probleme mit Betäubungsmitteln. Sie versuchte sogar noch, ihren Freund von den gefährlichen Substanzen abzubringen – erlebte als Folge davon aber körperliche Gewalt.
Ex-Freundin transportiert die Ware
Sie fügt sich in ihr Schicksal und hilft den Cousins. Sie leiht ihnen ihr Auto, mietet für sie das Anwesen in Oerlenbach, verpackt die Ware und transportiert die Drogen. Ihr bitteres Fazit: "Hätte ich doch früher Nein sagen gekonnt." Sie ist als einzige derzeit nicht in Untersuchungshaft und darf als Gehilfin mit einer Bewährungsstrafe rechnen.
Die drei Angeklagten räumten die vorgeworfenen Taten ein, schwiegen jedoch, was die Namen ihres Lieferanten in Hessen und ihre Kundschaft in Schweinfurt und den Haßbergen anging. Zumindest, wenn es sich um bislang unbekannte Abnehmer handelte. Nur die Frau half den Behörden beim Aufspüren eines Kunden aus Münnerstadt, der unter einer falschen Adresse lebte.
Urteil wird am 20. Juli erwartet
Das wertete ihr Rechtsanwalt Werner Weber aus Gochsheim als Aufklärungshilfe im Sinne des Betäubungsmittel-Gesetzes. Das kann einen erheblichen Strafrabatt zur Folge haben. Einer der Cousins ließ über seinen Verteidiger Hubertus Krause aus Schweinfurt verlauten, er sei erleichtert, dass die Sache aufgeflogen sei.
Das gebe ihm die Möglichkeit, einen Schlussstrich unter das bisherige, von Rauschmitteln geprägte Leben zu ziehen. "Ich suche einen Weg aus der Sucht." Er könnte ihn mit der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt finden. Der Prozess hat sich durch die Geständnisse verkürzt. Ein Urteil der Jugendkammer wird am 20. Juli erwartet.