Eine Drogenrazzia im Anwesen eines mutmaßlichen Drogenbesitzers im Maintal am 23. Februar vergangenen Jahres ist völlig aus dem Ruder gelaufen (wir berichteten vom Prozess in Bamberg). Die Ermittler fanden bei dem 25-jährigen Auszubildenden, neben 108 Gramm Marihuana und elf Gramm Haschisch ein Damaszener-Messer, einen geladenen PTB-Revolver, eine Armbrust und ein geladenes Luftgewehr.
Außerdem leistete der 25-Jährige nach Angabe der Beamten bei der Festnahme Widerstand und verletzte und beleidigte dabei die Polizisten. Daher muss sich der 25-Jährige, der noch nicht vorbestraft ist, derzeit vor dem Schöffengericht am Landgericht Bamberg verantworten.
Am Mittwoch, dem dritten Verhandlungstag, belastete einer der beteiligten Polizeibeamten vom Unterstützungskommando (USK) Würzburg den Angeklagten schwer. Der 25-Jährige sei äußerst aggressiv gewesen und habe den Beamten Schimpfwörter an den Kopf geworfen. In einer Hand habe er ein Beil gehalten, das er am Stiel und nicht – wie zuvor vom Angeklagten angegeben – an der Klinge umfasste.
Der Angeklagte habe das Beil in der Hand hin und her geschwungen und sei auf die Beamten zugelaufen.
Da man ein Beil auch werfen könne, habe er in diesem Moment Todesangst gehabt, gab der Beamte zu Protokoll. Er habe seine Dienstwaffe auf den Oberkörper des Angreifers gerichtet. Erst auf Zureden der Mutter habe der Angeklagte das Beil fallen lassen und sei zwei Schritte zurückgegangen. „Es kam mir vor wie Stunden“, schilderte der junge Polizist die Situation.
Als die Beamten dem Angeklagten Handschellen anlegen wollten, habe dieser um sich geschlagen und mehrfach gegen das Schienbein des Beamten getreten. Es gingen Vasen zu Bruch. Durch die Scherben wurden die Beamten durch Schnittwunden zusätzlich verletzt.
Die USK-Beamten erhielten Unterstützung von Streifen der Polizeistation in Haßfurt, der Kripo Schweinfurt und Würzburg. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, meinte der Beamte, der außer den kleinen Schnittwunden blaue Flecken davontrug und wie seine Kollegen erstmals in seiner Laufbahn einen „Adhäsionsantrag“ stellte, in dem er Schmerzensgeldansprüche geltend macht.
Ein weiterer Beamter hatte am zweiten Verhandlungstag angegeben, dass der Angeklagte keinesfalls sofort das Beil fallen ließ und mit erhobenen Händen auf die Beamten zugekommen sei, wie es der Angeklagte und dessen Mutter vor Gericht behauptet hatten.
Auch am dritten Verhandlungstag blieb der Angeklagte bei seiner Einlassung, dass er nie Handel getrieben habe. Und dies, obwohl der in seinem Handy gespeicherte Chat-Verlauf dies nahelegt. So schrieb der 25-Jährige einem mutmaßlichen Abnehmer: „Noch gibt's was.“ Die Frage „green oder shit“ (Marihuana oder Haschisch) beantwortete er mit „beides“. Später erhielt der Angeklagte die Anfrage, was er „für einen Hunni auschecken“ könne. Er antwortete: „geht schon was. Bring mal 80 mit“.
Der Angeklagte meinte vor Gericht, er könne sich nicht mehr erinnern. Das erboste den Vorsitzenden Richter: „Sie können hier nicht jeden Käs erzählen und rumeiern. Wir haben versucht, ihnen eine goldene Brücke zu bauen. Nun werden wir neue Zeugen laden“, kündigte er an.
Der psychiatrische Gutachter sah bei dem Angeklagten keine Drogenabhängigkeit. Matern konterte die „missionarische“ Anpreisung von Cannabis durch den Angeklagten und dessen Vater, der das Kraut gegen seine Schmerzen raucht.
750 wissenschaftliche Arbeiten hätten ergeben, dass eine Zulassung von Cannabinoiden nicht sinnvoll sei. Auch eine Anwendung von Cannabis gegen Depression – wie beim Angeklagten der Fall – sei aus wissenschaftlicher Sicht nicht sinnvoll.
Der Angeklagte hatte kurz vor Betreten des Hauses nach eigener Angabe einen zirka 0,5 Gramm schweren Haschischbrocken geschluckt. Dies sei jedoch keine Erklärung für das Ausflippen, sagte der Gutachter.
Vielmehr attestierte er dem Angeklagten eine tief greifende Bewusstseinsstörung, ausgelöst durch die in der Familie seit Jahren verwurzelte Abneigung gegen Polizei und Justiz.
Die „Opferhaltung“ des Vaters habe den Sohn über Jahre geprägt. Normalerweise sei der Angeklagte ein friedlicher Mensch. Durch die Anwesenheit der Polizeibeamten sei er in einen „Affektrausch“ gekommen und nicht mehr erreichbar gewesen. Seine Steuerungsfähigkeit sei daher am Tattag eingeschränkt gewesen, sagte der Psychiater.
Der Prozess wird mit weiteren Zeugenvernehmungen am 24. Oktober um 9 Uhr fortgesetzt.