zurück
KREIS HASSBERGE/BAMBERG
Verräterische Farbcodes auf dem Handy des Dealers
Martin Schweiger
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:00 Uhr

Weil seine Handynummer in einem sogenannten „Micky-Mouse-Handy“ eines verurteilten Großdealers gespeichert war, ist ein 25-jähriger Auszubildender aus dem Landkreis ins Visier der Kriminalpolizei geraten – und nun vor Gericht gelandet.

Im August 2015 war der Großdealer verhaftet worden. In seiner Wohnung in Haßfurt wurden fünf Kilogramm Haschisch gefunden. Er wurde zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Auf seinem Geschäfts-Handy (im Polizeijargon „Micky-Mouse-Handy“, weil der Besitzer nicht ermittelbar ist) fanden die Ermittler neun Telefonnummern von Abnehmern, mit denen der Verurteilte größere Rauschgiftgeschäfte gemacht hatte, unter ihnen auch der 25-Jährige aus dem Maintal.

Am 23. Februar 2016 durchsuchten Polizeibeamte im Zuge einer Razzia gleichzeitig alle Adressen der neun mutmaßlichen Rauschgiftabnehmer. Bei dem 25-Jährigen fanden die Ermittler neben 108 Gramm Marihuana und elf Gramm Haschisch ein Damaszener-Messer, einen geladenen PTB-Revolver, eine Armbrust und ein geladenes Luftgewehr. Außerdem leistete der 25-Jährige nach Angabe der Beamten bei der Festnahme Widerstand und verletzte und beleidigte dabei die Polizisten.

Nicht vorbestraft

Daher musste sich der 25-Jährige, der noch nicht vorbestraft ist, am Mittwoch erstmals vor dem Schöffengericht am Bamberger Landgericht verantworten. Die Anklage lautete auf bewaffneten Drogenhandel in nicht geringer Menge, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung und Beleidigung, strafbar mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren.

Als vier Beamte am Tag der Razzia gegen 9.30 Uhr vormittags an der Haustür des Angeklagten klingelten, waren nur dessen Eltern zuhause. Die Mutter schickte ihrem Sohn eine SMS mit den Worten: „Polizei daheim“. Der 25-Jährige fuhr sofort mit seinem Auto heim und betrat das Haus: mit einer Axt in der Hand, die er nach eigener Aussage mit der Hand an der Klinge hielt.

Drei Beamte fühlten sich beim Anblick der Axt bedroht und zogen ihre Waffen, worauf der 25-Jährige die Axt wegwarf. Anschließend brachten die Beamten den Angeklagten zu Boden und fesselten ihn. Nach Angaben des Angeklagten vor Gericht prügelten die Beamten dabei auf ihn ein und verletzten ihn, sodass er zwei Wochen lang krankgeschrieben war.

Dass er sich gegen die drei Beamten wehrte und sie beleidigte, gab er zu. Den Vorwurf, er würde mit Rauschgift Handel treiben, wies er von sich. Dagegen spricht jedoch, dass die Beamten bei ihm eine Feinwaage fanden, die im Drogenmilieu üblicherweise dazu verwendet wird, Hasch oder Marihuana portionsgerecht für den Weiterverkauf aufzuteilen.

Die Erklärung des Angeklagten, er würde die Feinwaage für den Eigenkonsum brauchen, bezeichnete der ermittelnde Beamte im Zeugenstand als „wenig intelligent“. Außerdem habe die Auswertung des „Micky-Mouse-Handys“ eine „szenetypische Kommunikation“ ans Licht gebracht, wie: „Hab momentan nur grün (für Marihuana). Nächste Woche wieder braun (für Haschisch).“

Heftige Kritik an der Vorgehensweise der Beamten äußerte die Mutter des Angeklagten: Als sie den Ermittlern die Haustür geöffnet hatte, dachte sie, sie werde überfallen, sagte sie im Zeugenstand. Denn die Beamten seien in Zivil aufgetreten.

Die Beamtin, die geklingelt hatte, habe „wie eine Osteuropäerin“ ausgesehen und sofort ihren Fuß in die Tür gestellt. Anschließend seien drei Männer in ihr Haus gestürmt. Das ganze sei zutiefst beängstigend gewesen.

Der Drogenspürhund habe Antiquitäten verkratzt. Auch die Polizeibeamten hätten Eigentum beschädigt und auf ihren Sohn eingeschlagen. Sie habe sich vor ihn gestellt, um ihn zu schützen. Als „Dank“ habe sie einen Strafbefehl über 1500 Euro wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung erhalten.

Razzia mit Folgen

Seit der Razzia sei sie psychisch labil und befinde sich in einer Therapie. Auch der 64-jährige Vater des Angeklagten erhielt einen Strafbefehl wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (1000 Euro).

Im Zeugenstand sagte er aus, seine Frau habe „Herbert, Überfall“ gerufen. In dem Moment sei bereits ein Beamter an ihm vorbeigestürmt, der in die einzelnen Zimmer schaute und anschließend „frei“ rief, um zu bekunden, dass keine Gefahr drohe.

Da der „Kasernenton“ der Beamten bei ihm nicht gut ankomme, habe er die „Herrschaften“ gebeten das Haus zu verlassen, zumal er seit langem das Vertrauen in Polizei und Justiz verloren habe. Doch anstatt zu gehen, hätten ihn die Beamten gefesselt. Dabei hätten sie seinen kaputten linken Arm nach hinten gedreht. Seitdem habe er einen gebrochenen Wirbel und befinde sich noch immer in ärztlicher Behandlung.

Da die beteiligten Polizisten „Adhäsionsanträge“ (Schadensersatzansprüche im Strafprozess) stellten, in denen sie Schmerzensgeld fordern, werde er auch 100 000 Euro Schadensersatz fordern, kündigte er an.

Gleichzeitig gab er zu, dass er im eigenen Garten zwei Hanfpflanzen angebaut habe, die in einem der drei sichergestellten Gläser aufbewahrt wurden. Er rauche Cannabis, da er seit 25 Jahren Schmerzpatient sei und das Kraut ihm helfe.

Für den Prozess sind drei Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil wird am 4. Oktober erwartet.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Bamberg
Haßfurt
Martin Schweiger
Drogenhandel
Marihuana
Mobilfunknummern
Razzien
Vorstrafen
Äxte
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top