Am 10. März gab es den ersten Fall einer Corona-Infektion im Landkreis Haßberge. Da es sich bei den ersten Betroffenen um schulpflichtige Jugendliche handelte, wurden erst Schulklassen heimgeschickt, dann in einzelnen Kommunen die Schulen geschlossen. Noch war aber die Rede von einer kurzfristigen Aktion für ein oder zwei Tage. Mittlerweile ist alles anders. Die Schulen sind dicht, mindestens bis zum 19. April gelten auf staatliche Anordnung in ganz Bayern Ausgangsbeschränkungen und die Corona-Fallzahlen steigen täglich weiter in die Höhe.
Bereits seit Beginn der Corona-Krise tagt im Landratsamt Haßberge täglich ein Koordinierungsstab. Seit 16. März, dem Tag an dem Ministerpräsident Markus Söder den Katastrophenfall ausgerufen hat, hat auch die Führungsgruppe Katastrophenschutz (FüGK) im Landratsamt ihre Arbeit offiziell aufgenommen. "Damit hat der Landkreis als zuständige Katastrophenschutzbehörde die Gesamt-Einsatzleitung übernommen", heißt es in einer Pressemitteilung der Behörde. Die Aufgabe besteht vor allem darin, die Aktionen verschiedener Stellen abzustimmen.
Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen
Die FüGK kommt täglich in kleiner und regelmäßig in großer Runde zusammen. Sie setzt sich zusammen aus Landrat Wilhelm Schneider, Mitarbeitern im Landratsamt, dem Kreisbrandrat, dem BRK, der Polizei, dem THW, der Bundeswehr, den Versorgungsärzten sowie Vertretern der Haßberg-Kliniken. Das Team sei gut eingespielt, heißt es aus dem Landratsamt, denn auch außerhalb von Krisenzeiten gibt es immer wieder Schulungen und Übungen.
Der Stab wird im Bedarfsfall jeweils erweitert. „Die Lage ist extrem dynamisch, das heißt sie muss laufend beobachtet und aufs Neue bewertet werden“, sagt Kristina Kramer. Normalerweise leitet sie am Landratsamt die Abteilung für Kommunal- und Ordnungsrecht und Verbraucherschutz, nun leitet sie die Führungsgruppe, die rund um die Uhr in verschiedenen Schichten im Einsatz ist.
Die Vorlaufzeit sinnvoll genutzt
Eine Herausforderung ist die Situation auch für Krankenhäuser. "Anders als die Italiener hatten wir eine Vorlaufzeit", sagt Stephan Kolck, der bis Ende März Vorstandsvorsitzender der Haßberg-Kliniken war. So konnten sich Krankenhäuser in Deutschland unter anderem dadurch vorbereiten, dass sie Mitarbeitern anderer Bereiche die Abläufe auf einer Intensivstation beibrachten. Auch den Einkauf hat die Klinik mit Mitarbeitern aus anderen Abteilungen aufgestockt. Denn das Krankenhaus braucht ausreichend Schutzkleidung, und die ist momentan schwer zu bekommen.
Am 1. April hat Dr. Vera Antonia Büchner von Kolck die Klinikleitung übernommen. Doch da die Amtsübergabe ausgerechnet in die Zeit einer schweren Gesundheitskrise fällt, bleibt Kolck vorerst Sonderbeauftragter für den Katastrophenfall.
Derzeit kommen alle Corona-Patienten und Verdachtsfälle aus dem Landkreis, die ärztliche Behandlung brauchen, ins Haus Haßfurt der Haßberg-Kliniken. Im zweiten Obergeschoss behandeln Ärzte und Pfleger die Betroffenen, die übrigen Stationen sollen von Corona freigehalten werden, so dass beispielsweise die Geburtenstation und die Geriatrie normal weiterarbeiten können. Andere, vor allem internistische Patienten, wurden von Haßfurt nach Ebern verlegt.
Geburt in Zeiten von Corona
Sollte die Zahl an Corona-Behandlungen weiter steigen, könnte noch ein weiteres Stockwerk des Haßfurter Krankenhauses dafür genutzt werden. Erst dann würde auch Ebern anfangen, Patienten aufzunehmen, die an dem neuen Virus erkrankt sind. "Im Moment haben wir in Ebern noch nicht die Infrastruktur dafür", sagt Kolck. Die ließe sich aber einrichten, wenn es nötig wird.
Auch Absprachen mit den Schweinfurter Kliniken sind derzeit wichtig. Im dortigen Leopoldina-Krankenhaus gibt es nun einen eigenen Kreißsaal für schwangere Corona-Patientinnen. Betroffene aus dem Kreis Haßberge müssten ebenfalls dorthin ausweichen.
Wann ist eine Behandlung aufschiebbar?
Schon bevor es staatlich angeordnet wurde, haben die Haßberg-Kliniken angefangen, Behandlungen, die aus medizinischer Sicht nicht sofort durchgeführt werden müssen, zu verschieben, um Platz für Corona-Patienten zu schaffen. Doch wann ist eine Behandlung aufschiebbar?
Stephan Kolck nennt als Beispiel endoprothetische Operationen, also den Einsatz künstlicher Gelenke. "Wenn eine Hüfte wegen Abnutzung operiert werden soll, ist das etwas, das man schieben kann", sagt er. "Aber wenn jemand gestürzt ist oder einen Unfall hatte, ist das ein Notfall. Der wird operiert." Ein "heikler Fall" sei es dagegen, wenn ein Patient Schmerzen hat. Dann sei es zwar aufschiebbar, "aber nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag", meint Kolck. In diesen Fällen liegt die Entscheidung im Ermessen der Ärzte.
Auch Besuch dürfen Patienten im Krankenhaus derzeit nicht empfangen - mit wenigen Ausnahmen. Die engsten Angehörigen dürfen eine Mutter auf der Geburtenstation besuchen, Eltern dürfen zu ihrem kranken Kind und auch ein sterbender Patient darf Besuch von seiner Familie erhalten. Sonstige Besuche sind jedoch Tabu. Am 12. März hatten sich die Haßbergkliniken selbst zu diesem Schritt verpflichtet, mittlerweile gibt es auch eine staatlich Anordnung dazu. Um die Patienten nicht vereinsamen zu lassen, stellt die Klinik jedem von ihnen ein kostenfreies Telefon ans Krankenbett.
Bürger zeigen Verständnis für die Maßnahmen
Und wie reagieren Patienten und Angehörige darauf, dass sie sich nicht mehr sehen dürfen? An den ersten beiden Tagen habe es noch negative Reaktionen gegeben, berichtet Kolck. "Seit Samstag, dem 14. März, und damit nach der Ansprache der Bundeskanzlerin, fanden unsere Maßnahme durchweg Verständnis. Das ist bis heute so geblieben", sagt er.
Insgesamt scheinen die Schutzmaßnahmen, von den Ausgangsbeschränkungen bis zu den Abstandsregeln, Wirkung zu zeigen. Einen exponentiellen Anstieg an Erkrankungen gibt es im Kreis Haßberge bisher nicht. Was es allerdings laut einer Aussage des Gesundheitsamtes auch nicht gibt, das sind auf den Landkreis bezogene Schätzungen und Hochrechnungen von offiziellen Stellen, wie sich die Fallzahlen weiter entwickeln könnten.
Maßnahmen müssen verhältnismäßig sein
Und die Zahl der positiv getesteten Personen steigt täglich weiter. Am 10. März bestätigte Landrat Wilhelm Schneider in einer Pressekonferenz den ersten Fall im Landkreis, am 19. März erreichten die Fallzahlen den zweistelligen Bereich, am 23. März lag die Zahl schon bei 20 Betroffenen, mittlerweile sind es 80 (Stand: 3. April, 14 Uhr). Die Zahlen steigen also nicht nur, der Anstieg geht auch immer schneller, was jedoch auch damit zu tun haben kann, dass mittlerweile viel mehr Menschen getestet werden als noch am Anfang. Im Landkreis gibt es mittlerweile mehrere Teststellen.
Mittlerweile konnten zehn Betroffene wieder als gesund aus der Quarantäne entlassen werden, darunter auch die 16-Jährige, die am 10. März als erste Landkreisbewohnerin positiv getestet worden war. Infiziert hatte sich die Schülerin im Skiurlaub in Südtirol. Sie hat die Erkrankung ohne Symptome überstanden und ist vor allem froh, dass sie das Virus wohl nicht weitergegeben hat: All ihre Kontaktpersonen wurden negativ getestet.
Dennoch stellt sich die Frage, ob sich die hohe Zahl an Infektionen, die es mittlerweile gibt, hätte verhindern lassen, wenn schon früher viel schärfere Maßnahmen in Kraft getreten wären. "Wir sind nicht der Meinung, dass wir zu spät reagiert haben", heißt es dazu aus dem Landratsamt. "Insgesamt muss man abwägen zwischen einem funktionierenden, normal laufenden Gesellschaftsleben und dem Infektionsschutz." Eine solche Entscheidung müsse verhältnismäßig sein. "Schließungen für den ganzen Landkreis, von uns angeordnet und nicht von der Staatsregierung, wären zum Auftreten der ersten Fälle unbegründet und unverhältnismäßig gewesen."
Allerdings verweist die Behörde auch darauf, "dass man mit einem solchen Pandemiegeschehen in diesem Ausmaß keine Erfahrung hat", weshalb es schwierig sei, "einzuschätzen, welche Maßnahme richtig und zeitgerecht ist".