
Rotes Licht dringt aus den Fenstern des Eltmanner Rathauses, rot leuchtet das Zeiler Pendant oder die Haßfurter Ritterkapelle. Aus dunklem Nachthimmel tritt vor allem die in rotes Licht getauchte Königsberger Burg hervor, schon von Sylbach aus ist sie bestens zu erkennen. Was manche Besucher romantisch oder "einfach nur schön" fanden, hat einen todernsten Hintergrund: Die Firmen im Haßbergkreis, die in der Veranstaltungsbranche tätig sind, stehen vor dem Abgrund. Weil es wegen der Corona-Pandemie seit Monaten so gut wie keine Veranstaltungen gibt und noch immer keine Hoffnung auf grundlegende Veränderung besteht.

Innerhalb 24 Stunden auf Null gesetzt
Darauf sollte das Rotlicht aufmerksam machen, mit dem die Unternehmen in der Nacht von Montag auf Dienstag an verschiedenen Orten im Haßbergkreis bekannte und beliebte Gebäude anstrahlten. Das zieht vor allem Hobby- und Profifotografen an, die die einmaligen Lichteffekte einfangen wollen. Aber auch Bürger, die neugierig auf die Aktion dahinter sind und ihre Solidarität mit den arg gebeutelten Technikfirmen, Bühnen- und Messebauer, Caterern, Ausstattern und Logistikern oder Künstlern bekunden wollen.
"98 Prozent aller Firmen sind im Frühjahr innerhalb von 24 Stunden auf Null gesetzt worden - und jetzt haben wir immer noch keine Perspektive, wie es weiter geht", beschrieb kurz vor Mitternacht an der Königsberger Burg Norbert Stark, Chef von Strong P.A. in Königsberg, die Lage seiner Branche. Und was soll die "Night of Light" bringen? Aufmerksamkeit seitens der großen Politik - "und, um es auf den Punkt zu bringen: Unterstützung finanzieller Art."

In Haßfurt illuminierte die Soundhouse Veranstaltungstechnik GmbH das alte Rathaus, die Ritterkapelle und das eigene Firmengebäude in der Industriestraße. "Als Mahnmal für die gesamte Branche", wie Mitarbeiter Jürgen Erhard erklärte. Die eine oder andere kleine Feuershow vor dem über 500 Jahre alten Rathausgebäude sollte zudem untermalen, "dass es bei uns wirklich brennt", ergänzte Projektleiter Philipp Stapf. "Die Auftragslage ist Null - und das wird sich bis Ende Oktober nicht ändern."

In Zeil saßen bis weit nach Mitternacht noch Kinobesitzer Bruno Schneyer, der Einmann-Veranstaltungsunternehmer Mario Pfaff (Oberaurach) und sein freier Mitarbeiter Philipp Niedermeyer aus Schweinfurt am Marktplatz beieinander und freuten sich, dass sich doch einige Nachtschwärmer zu ihnen verirrt hatten. Gut 30 Neugierige seien es gewesen, die sie wegen der Illumination des Zeiler Rathauses angesprochen hätten. "Die Not bei uns ist groß", erklärte Pfaff. "Unsere Branche wird stiefmütterlich behandelt", ergänzte Niedermeyer.

Beide hoffen auf Unterstützung des Staates. Schließlich werde die Autoindustrie doch auch gepampert, obwohl sie ja noch Fahrzeuge verkaufen dürfe, während "bei uns die Umsätze ohne unser Verschulden komplett weggefallen sind."Pfaff wird zusammen mit Kinobetreiber Schneyer an den Wochenenden, an denen ohne "Corona" das Zeiler und das Sander Weinfest stattgefunden hätte, Open-Air-Kino mit Rahmenprogramm anbieten. "Damit verdienen wir aber kein Geld, es ist, weil wir einfach etwas tun müssen, um nicht verrückt zu werden", verriet Schneyer, der schon jetzt um Verständnis für etwas erhöhte Ticketpreise bat: "Damit wollen wir die Musiker, Kabarettisten und sonstigen Künstler unterstützen."
Moralischer Beistand des Bürgermeisters
Zeils Bürgermeister Thomas Stadelmann stand der Veranstaltungsbranche mit seinem Besuch am nächtlichen Rathaus moralisch bei. Das Stadtoberhaupt sah jedoch zwei Seiten der Medaille: "Ich habe volles Verständnis für alle Veranstalter und alle Firmen, deren Einnahmequelle Events sind", sagte Stadelmann. Gleichzeitig mahnte er, einen zweiten Lockdown unbedingt zu verhindern: "Ich hoffe, dass die Menschen vernünftig bleiben und sich an die Hygienevorschriften halten". Trotzdem rief der Kommunalpolitiker dazu auf, die jetzt stattfindenden kleinen Veranstaltungen zu besuchen, um Solidarität zu zeigen.

In Sand war der Altmain-Festplatz in Rot getaucht. Zusammen mit Laserstrahlen zauberten Sebastian Vollert und sein Team der VSL Eventtechnik eine feuerrote Kulisse. "Ab dem nächsten Fasching wird es kritisch", beschrieb der Jungunternehmer seine Situation. Noch könne er sich mit seinen zwei Festangestellten und 14 Minijobbern über Wasser halten, auch wenn er seit März erst eine einzige Veranstaltung technisch betreuen durfte. Als Hilferuf an die Politik versteht Vollert die Aktion "Night of Light": "Wir brauchen dringend einen Fahrplan, wie es weitergehen soll." Die VSL Eventtechnik hat normalerweise jährlich 380 Veranstaltungen in ihrem Terminkalender. Auch 2020 war schon komplett ausgebucht. Seit März unterstützt Vollert mit Equipment und Arbeitskräften zum Auf- und Abbau die Corona-Teststrecke in Haßfurt - wofür er keinen Cent verlangt.

Punkt 1 Uhr am Dienstagmorgen packten Julian Krapp und seine Mitstreiter von HKG Eventservice (Eltmann) die "Außentechnik", mit der sie das Umfeld des Eltmanner Marktplatzes rot bestrahlt hatten, in einen Transporter. Die feuerrote Innenbeleuchtung von Rathaus und Ritz-Informationszentrum durfte die Nacht über weiter brennen. Krapp sprach von einer guten Aktion, bei der sie vielen Interessierten die Nöte der Branche hätten schildern können. "Dabei sind wir selber gar nicht so betroffen", verriet der Geschäftsführer. Er und seine Kompagnons machen die Veranstaltungstechnik "nur" im Nebenjob. "Aber wir wollten Solidarität zeigen", sagte Krapp, der wie viele Kollegen nicht an eine rasche Besserung glauben will.

Da ist nicht nur die immer konkreter werdende Sorge vor der zweiten Corona-Welle, sondern auch die generelle Einschätzung, dass es mit größeren Veranstaltungen so oder so nichts mehr wird, solange kein Impfstoff für die breite Bevölkerung zur Verfügung steht. Und selbst wenn diese Schreckensszenarien nicht eintreffen, brauche die Branche noch Monate, bis alles wieder laufe wie zuvor. Schon allein für den Ticketverkauf, mit dem ja alles beginne, müssen man zwei oder drei Monate veranschlagen, erklärte Norbert Stark im Rot-Dunkel der Königsberger Burg.
Von der Normalität, die für viele Bürger mittlerweile wieder eingekehrt zu sein scheint, ist die Veranstaltungsbranche in jedem Falle noch Lichtjahre weit entfernt. "Ein Großteil der Menschen lebt inzwischen schon fast wieder wie vorher und vergisst dabei, dass wir noch immer mit nichts dastehen", hoffte ein Mitarbeiter von Soundhouse in Haßfurt in der "Night of Light" nicht nur auf die große Politik, sondern auch auf mehr Verständnis in der Bevölkerung. Bei den Mitarbeitern der Stadthalle Haßfurt hatte er das Verständnis allemal. Keine Veranstaltung mehr bedeutet nämlich auch für sie: Kurzarbeit.