Landrat Wilhelm Schneider ist der Vater der Kombilösung. Wobei "Kombi" durchaus auch als Synonym für "Kompromiss" gesehen werden könnte. Der Kreistag Haßberge entschied sich in namentlicher Abstimmung am Montag mit 32 zu 22 Stimmen für diesen Kompromiss, also dafür, ab 1. Januar 2020 die sogenannte "Gelbe Tonne", ein Holsystem für Leichtverpackungen, einzuführen und dennoch nicht auf die existierenden Wertstoffhöfe in allen Gemeinden des Landkreises "für alle Abfälle, die nicht Leichtverpackungen sind", so Neubauer, zu verzichten.
Gebührenerhöhung von 6,50 Euro pro Grundstück und Jahr
Möglich werden soll dieser Spagat durch eine Reduzierung der Wochenöffnungszeiten in den Wertstoffhöfen von derzeit insgesamt kreisweit 159 auf 121 Stunden. Und es wird in Gemeinden bis 5000 Einwohner auf eine sogenannte Alleinarbeit, also nur eine Arbeitskraft im Wertstoffhof umgestellt. Die Einführung der Gelben Tonne darf für den Bürger zu keiner Gebührenerhöhung führen, so Werkleiter Wilfried Neubauer. Denn der Verbraucher habe ja beim Kauf der Ware bereits für die Entsorgung der Umverpackung durch das Duale System bezahlt. Allerdings sei es nicht möglich, alle Wertstoffhöfe aufgrund der dann fehlenden Mittel aus dem Dualen System mit den bisherigen Gebühren weiter zu betreiben. Deshalb werde eine Gebührenerhöhung von 6,50 Euro pro Grundstück und Jahr notwendig.
Außerdem wird in den Wertstoffhöfen auch weiterhin ein eigener "Gelber Container" vorgehalten für Bürger, die keine "Gelbe Tonne" möchten. Das Entsorgungsfahrzeug, das die "Gelben Tonnen" in den Privathaushalten abholt, besucht auch die Wertstoffhöfe und holt dort die abgegebenen Leichtverpackungen ab. An der Bedeutung der Wertstoffhöfe für die Verwertung von Wertstoffen ließ keine Fraktion des Kreistag Zweifel aufkommen.
Neubauer rechnet mit 90-prozentigem Zuspruch
Anders verhielt es sich mit der Einschätzung, wie weiter vorgegangen werden sollte. Ein Teil der Gremiumsmitglieder favorisierte das Kombimodell, nicht zuletzt um dem Landkreis die doch nicht geringen Kosten für einen Bürgerentscheid zu ersparen, die anderen wollten eben genau diesen durchführen, um dem Bürger letztendlich die Entscheidung zu überlassen. Die Gegner des Bürgerentscheids argumentierten auch mit der Überlegung, dass alle Anzeichen dafür sprächen, dass eine deutliche Mehrheit der Bürger sich ohnehin für die "Gelbe Tonne" entscheiden würde. Werkleiter Neubauer rechnet nach seiner persönlichen Einschätzung bei einem positiven Votum für die "Gelbe Tonne" mit zunächst rund 90 Prozent der Bürger, die sich für das Holsystem entscheiden würden. Beispiele aus anderen Landkreisen zeigten zudem, dass diese Zahl mit der Zeit noch steige.
Wilfried Neubauer hatte bei er der Erklärung der Einzelheiten der Kombilösung zudem darauf verwiesen, dass die Einschnitte für die Bürger nur sehr gering seien, die Hauptlast der Umstellung werde auf die Mitarbeiter in den Wertstoffhöfen abgewälzt. Diese hätten sich in einer Vorbesprechung nicht begeistert von der Lösung gezeigt. Andererseits könne der Landkreis durch Reduzierung der Öffnungszeiten und die Alleinarbeit in den Wertstoffhöfen viel Geld sparen.
Für die Grünen erklärte Harald Kuhn, dass seine Fraktion einen Bürgerentscheid favorisiere. Für ihn sei es wichtiger, Müll zu vermeiden, als diesen bequem zu entsorgen. Mit der Entscheidung für die "Gelbe Tonne" gehe das Umweltbewusstsein der Bürger verloren. Günther Geiling von der CSU erinnerte noch einmal daran, dass sich das bestehende System seit Jahrzehnten bewährt habe. Er wies auch darauf hin, dass das Bürgerbegehren sich nur auf die Leichtverpackungen beziehe. Da er der Meinung sei, ein Bürgerentscheid trage nur Streit in die Bevölkerung, sprach er sich für die Kompromisslösung aus, "die man dann eben schlucken" müsse. Wichtig sei, alle Wertstoffhöfe zu behalten.
Birgit Bayer von der Wählergemeinschaft verdeutlichte, dass sich das bestehende System seit 25 Jahren bewährt habe. Aber in dieser Zeit habe sich auch die Gesellschaft gewandelt. Viele Bürger hätten sich für ein Bürgerbegehren ausgesprochen. Zudem gebe es in ganz Bayern nur drei Landkreise, die auf ein reines Wertstoffhofsystem setzen. Für sie stelle die Kombilösung mit einer moderaten Gebührenerhöhung einen deutlichen Mehrwert für die Bürger dar. Ihrer Meinung, man könne das Geld für den Bürgerentscheid sparen, schloss sich auch Kurt Sieber von der FDP an. Seine Fraktion begrüße den Erhalt aller Wertstoffhöfe. Der Kompromiss habe Konsequenzen zur Folge, mit denen man leben könne und müsse. Seine Fraktion sei zu einem Kompromiss bereit. "Ich möchte nicht noch einmal zwölf Wochen voller Diskussionen in der Öffentlichkeit haben", so Sieber. Er wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich die Kreisräte trotz monatelanger intensiver Information schwer tue, über das Thema zu entscheiden. Wie schwer müsse es dann dem Bürger fallen.
Jürgen Hennemann (SPD) vertrat die Auffassung, da die Bevölkerung im Jahre 1992 per Volksentscheid die Grundlagen für das bestehende System geschaffen habe, könne nur das Volk per Bürgerentscheid auch das Aus für dieses System beschließen. Oskar Ebert (WG) hielt es da eher mit Kurt Sieber, denn auch er wollte "dem Bürger nichts wegnehmen. Aber man sieht, wie schwer wir uns mit dem Thema tun". Es gebe verschiedene Meinungen darüber, welche Lösung ökologisch die bessere sei.