Den Kopf in den Sand stecken und in Selbstmitleid verfallen? Das ist nicht die Philosophie der drei Thomann-Brüder Thomas, Markus und Philipp, einem Millionenpublikum inzwischen bestens bekannt als die "Dorfrocker". Selbst in der für Musiker, Künstler und Kulturschaffende so schweren Corona-Pandemie haben die Dorfrocker ihre Chance gesucht, das Beste aus der Situation zu machen.
Und gefunden: "Ja, man kann schon von einer Marktlücke sprechen", meinte Markus Thomann am Donnerstag im Gespräch mit der Redaktion. "Nische" gefällt ihm aber besser: Wie dem auch sei, ihre geniale Erfindung in viralen Zeiten sind die Traktorkonzerte. Ihr Erfolgsmodell haben die Party-Rocker aus Kirchaich am vergangenen Wochenende sogar nach Südamerika "exportiert". Allerdings mit einer Abwandlung, weil dort die Inzidenzen aktuell unvergleichlich niedriger sind als in Mitteleuropa.
Aufgetreten bei den drei übersee-Traktorkonzerten sind die Brüder, verstärkt mit drei weiteren Musikern, in Entre Rios in Südbrasilien. "Im Regenwald" haben die Events zunächst einmal genauso funktioniert wie im deutschsprachigen Raum. Hier hat die Band seit Sommer über 100 Traktorkonzerte gegeben. Weil es wegen der Pandemie praktisch keine "normalen" Konzerte mehr gibt, Volksfeste und Kirchweihen abgesagt werden mussten, waren die Dorfrocker nach dem Vorbild Autokino auf die Idee gekommen, ihr Publikum mit dem eigenen Bulldog anreisen zu lassen und so ihre Sitzgelegenheiten gleich mitzubringen. Ob Schweiz, Österreich oder Deutschland: Die Gefährte parken dann mit gebührendem Abstand voneinander vor einer Bühne, wo dann die Männer oder Frauen am Steuer und vielleicht ein oder zwei Beifahrer den Konzerten lauschen.
Anders nun in Brasilien: Auch hier waren die Traktoren das Verkehrsmittel, um zum Konzert zu kommen. Weil es einerseits aber so viele waren, dass man von den hinteren Reihen kaum noch etwas gesehen oder gehört hätte, und andererseits die Infektionsraten in Brasilien momentan absolut niedrig sind, konnten die Dorfrocker ihre Auftritte dann tatsächlich in der Halle und vor großem Publikum "über die Bühne" bringen.
Angefangen hat es mit dem Schlager "Der King"
Angefangen in der Heimat hatte alles im vergangenen Mai, mit dem Schlager "Der King". Das Video dazu um einen Bulldog fahrenden Bauern, der sich als König fühlt, das die Dorfrocker zusammen mit "Addnfahrer" Thomas Willibald aufgenommen haben, hat inzwischen auf Youtube fast zwei Millionen Klicks. "Das ist vor allem bei Landwirten wahnsinnig gut angekommen", freut sich Markus. Warum also nicht versuchen, aus der Liebe der Bauern zu ihren Traktoren etwas zu machen? 20 000 Bulldogfahrer haben die Dorfrocker nach eigenen Angaben in der Heimat bei ihren Konzerten inzwischen mobilisiert.
Dass die Traktortour die volkstümlichen Schlager- und Rockmusiker nun tatsächlich bis nach Brasilien führt, "das ist schon das Tüpfelchen auf dem I", sagt Markus, der Akkordeonspieler der Band. Aber wie passt bayerischer oder fränkischer "Country-Rock" in brasilianische Regenwaldregionen? Gar nicht mal so schlecht:
Nach dem Krieg haben sich über Donauschwaben niedergelassen
Denn nicht nur, dass die Menschen in Entre Rios im Bundesstaat Panará hauptsächlich von der Landwirtschaft leben. Hier haben sich nach dem Zweiten Weltkrieg donauschwäbische Aussiedler niedergelassen, über 500 Familien sollen es gewesen sein. Mit der Folge, dass es heute immer noch eine Menge Nachfahren gibt, die die Sprache der einstigen Einwanderer sprechen. Ein Viertel der Leute im Publikum konnte Deutsch, schätzt Markus Thomann. Offenbar hatte aber auch die Portugiesisch sprechende Mehrheit jede Menge Spaß an den drei Konzerten am vergangenen Wochenende.
Beim Hauptkonzert sind den Angaben der Dorfrocker zuvor tatsächlich über 1500 Traktoren aufgefahren. Markus Thomann ist sich sicher, dass das ein Weltrekord ist. "So viele Bulldogs hat es noch nie auf einem Platz gegeben." Und zuvor hätte es sogar ein offizieller Guinness-Rekord für die längste Traktorschlange der Welt werden sollen. Aber das scheint dann irgendwie schiefgegangen zu sein, glauben die Thomanns. Zumindest haben sich nichts von einem Erfolg der Aktion gehört.
Dorfrocker-Songs auf Brasilianisch
Was für die drei Jungs aus Kirchaich und ihre musikalische Unterstützung ohnehin wichtiger war: Bei ihren brasilianischen Konzerten haben sie ihr Publikum richtig gerockt. Die Fans, die Deutsch konnten, hätten ihre Lieder mitgesungen, "Wahnsinn, die konnten fast alle Liedtexte auswendig", hat der Akkordeonspieler beobachtet und gehört. 4000 Leute waren es beim Hauptkonzert am Samstag. Gespielt hätten die Dorfrocker ihr "normales Programm" wie in der Heimat auch, natürlich "Der King" darunter oder ihr bisher wohl erfolgreichster Song "Dorfkind". Die Truppe holte sich ein zweisprachiges Mädchen auf die Bühne, das einige Texte auf Brasilianisch (Portugiesisch) übersetzte - und so konnte bei manchen Hit jeder mitsingen.
Ohnehin: "Man merkt, die haben Feuer im Blut", sagt Markus Thomann über seine Fans aus Entre Rios und Umgebung - gekommen sei auch jede Menge Prominenz von weiter her. Kaum beginne ein Rhythmus, so fingen die Menschen an, sich mit zu bewegen.
Zurück in Deutschland, ist die Erfolgsband aus Kirchaich gespannt, was ab dem Frühling möglich ist. "Wir schauen nach vorne", verkündet Markus Thomann. Aber ihr Fangemeinde darf sicher sein, dass es nicht beim "Schauen" bleiben wird. Abwarten ist nicht das Ding der Dorfrocker, ihnen wird schon selbst etwas einfallen, womit sie ihr Publikum auf Trab halten können. So ist es seit 15 Jahren, als die Dorfrocker, damals noch blutjunge Burschen, mit ihrer Karriere durchstarteten.
Wurschd, hauptsach mainstream!
"Leberkäs Hawaii" halt🤔