Eine Pfarrerin haben die evangelischen Kirchengemeinden Ermershausen und Birkenfeld schon. Jetzt bekommen sie auch noch einen Pfarrer: Ein halbes Jahr nach seiner Frau Christina wird Jan Lungfiel am Sonntag, 20. August, als „Pfarrer z. A.“ ordiniert. Der Gottesdienst mit Regionalbischöfin Dorothea Greiner beginnt um 10 Uhr, danach geht es zum Empfang in die Adolf-Höhn-Halle.
„Ich habe mit Theologie begonnen, weil mich philosophische Fragen interessiert haben“, sagt Jan Lungfiel über seine Beweggründe bei der Wahl des Studienfaches. Klingt erst mal widersprüchlich. Aber zum einen war ihm klar: Philosophie ist eine brotlose Kunst. „Da kann man gleich Taxifahrer werden.“ Zum anderen findet er, dass die Theologie „einen klaren Rahmen“ bietet: „Das ist christlich, das ist nicht christlich.“
In den Pfarrberuf ist der heute 28-Jährige während des Studiums „einfach reingewachsen“. Obwohl er in seiner Heimatgemeinde im Kirchspiel Radeberger Land sehr stark verwurzelt war und sich eingebracht hatte, war es zunächst nicht sein Ziel gewesen, Pfarrer zu werden. Vielmehr hatte er ein ehrenamtliches Engagement als Kirchenvorsteher vor Augen.
Seine Studienwahl erwies sich als richtig. Unter den Theologen fühlte sich Jan Lungfiel wohl. „Ich hatte das Gefühl, dass ich angekommen bin. Da sind Menschen wie ich.“ Der Pfarrberuf interessierte ihn immer mehr, und während des Vikariats in Großgründlach bestätigte es sich: „Das kann ich mir vorstellen, mein Leben lang zu machen. Da sind viele Aufgaben, die mir Freude bereiten.“
Apropos: Wo sieht der Seelsorger seine Schwerpunkte? Jan Lungfiel nennt zunächst die Jugendlichen und jungen Erwachsenen. „Die Chance liegt darin, dass ich für einen Pfarrer noch jung und damit näher dran bin.“ Das leuchtet ein, während ein anderer Aspekt eher überrascht: „Die Sitzungsarbeit liegt mir“, sagt der junge Theologe. „Ich habe das Gefühl, dass richtig was vorangehen kann, wenn man produktiv miteinander arbeitet.“
Aber es gibt ja noch mehr Aufgaben. Der sonntägliche Gottesdienst „ist ein sehr wichtiger Punkt im Gemeindeleben“ und Kasualien „machen mir unheimliche Freude“. Nicht zu vergessen die Feste: „Ich bin ein geselliger Mensch, feiern tu ich auch gern.“
Die Arbeit mit Kindern findet der junge Seelsorger wichtig, „aber sie liegt mir nicht so“, deshalb überlässt er das gerne seiner Frau, mit der er sich die Pfarrstelle teilt. Zusammen haben sie sich bereits Gedanken über ein neues Konzept für die Konfirmandenarbeit gemacht.
Seinen persönlichen Glauben beschreibt Jan Lungfiel so: „Zum einen glaub' ich einfach, das Christentum ist mir ganz natürlich, es entspricht mir.“ Zwar gab's auch in seinem Leben eine Phase, in der er die Kirche als Institution und „das Althergebrachte“ infrage gestellt hat.
Aber dass Gott existiert, hat er nach eigenem Bekunden nie angezweifelt. Der Glaube gibt ihm „Kraft für mein Handeln und Erfüllung. Die Gottesbeziehung schenkt auch innere Ruhe.“ Und das „wird ganz praktisch. Der Glaube hilft mir, mich anderen Menschen zuzuwenden, für sie da zu sein“.
Dieser praktische Bezug ist Jan Lungfiel zunehmend wichtig geworden. „Über philosophische Themen kann man sich den Kopf zerbrechen und kommt nirgendwo hin“, beschreibt er seine Erkenntnis aus der Anfangszeit seines Studiums.
Stattdessen rückten für ihn andere Fragen in den Mittelpunkt: „Wie kann etwas Früchte tragen? Was will Gott von mir? Was ist notwendig?“ Als Seelsorger heißt das für ihn: „Was ist den Menschen wichtig und wie kann ich das berücksichtigen bei dem, was ich tue? Ich habe nichts davon, wenn ich alles so mache, wie's immer war.“
Das feste Glaubensfundament ist wohl auch den Eltern zu verdanken. Beide sind in der Kirche engagiert, die Mutter hat sogar ebenfalls Theologie studiert, wenn auch nicht als Pfarrerin gearbeitet. Jan Lungfiels Freundeskreis in seiner Heimat geht zu 90 Prozent auf die kirchliche Jugend zurück.
Geboren in Sao Paulo (Brasilien), ist er zusammen mit zwei Geschwistern in der Nähe von Dresden aufgewachsen. Sein Abi machte er am dortigen Kreuzgymnasium, wobei er nicht zu den als „Cruzianer“ bekannten Chormitgliedern gehörte.
Während des Grundstudiums in Neuendettelsau lernte Jan Lungfiel seine spätere Frau kennen. Beide wechselten dann nach Heidelberg und 2014 läuteten die Hochzeitsglocken.
Zwei Gründe waren ausschlaggebend, dass das junge Paar für Vikariat und Pfarrdienst zurück nach Franken kam: die flächenmäßige Größe Bayerns und die Nähe zur Familie von Christina Lungfiel. Die Verwandtschaft ihres Mannes lebt über ganz Deutschland verstreut.
Die ersten Eindrücke von Ermershausen waren für Jan Lungfiel, der wegen seines Vikariats bis vor kurzem noch wöchentlich gependelt ist, „sehr positiv“. „Das Haus mit Garten macht es sehr leicht, sich hier wohlzufühlen, und wir wurden auch sehr herzlich aufgenommen.“ Und die vielen Feste der vergangenen Monate seien Gelegenheit gewesen, die Menschen hier kennen zu lernen.
Das Vereinsleben ist für den jungen Seelsorger „grundsätzlich eher Neuland. Ich bin zwar auf dem Dorf groß geworden, war aber fokussiert auf die Kirchengemeinde.“ Er hat aber schon festgestellt: „Das Angebot an Vereinen in Ermershausen ist unheimlich reichhaltig, und ich bin positiv gespannt, wie das ist und was sich so ergibt.“
Womit wir bei den Freizeitbeschäftigungen wären. Auch da verbringt der 28-Jährige viel Zeit am Computer. Das Internet „macht es einfach, Kontakt zu halten zu Freunden. Man kann was zusammen machen, auch wenn man weit auseinander wohnt.“ Außerdem liest er gerne, vor allem Fantasyromane.
Allzu viel Freizeit haben Jan und Christina Lungfiel allerdings seit einigen Wochen nicht mehr: Ihr erstes Kind kam viel früher als gedacht zur Welt, daher braucht der kleine Hannes besonders viel Aufmerksamkeit.