
In fröhlicher Runde, mit Wehmut und Dankbarkeit verabschiedeten sich zur Jahreswende die Stammgäste vom Café Waldblick, das zum 1. Januar schloss. Wolfgang und Kaye "Cat" Kastner haben sich schweren Herzens entschlossen, das Gasthaus aus gesundheitlichen Gründen früher als eigentlich in ihrer Lebensplanung vorgesehen zu schließen. Beim "letzten Stammtisch" ließ der älteste Koppenwinder Fritz Herbst 100 Jahre Gasthaus-Geschichte und 75 Jahre Café-Geschichte Revue passieren.
Die Kinder wussten gar nicht, was ein Café ist
Schon vor hundert Jahren gab es im "Unterdorf" ein Gasthaus. Dort wurde 1947 zur Kirchweih erstmals gemunkelt, dass ein Café in Koppenwind – im Oberdorf – eröffnet werden würde. "Wir Kinder wussten gar nicht, was ein Café ist", erklärte der damals Zehnjährige. Knapp 300 Einwohner hat Koppenwind heute, damals waren es sicherlich weniger.

Und tatsächlich: Margarete Götzinger und ihre Schwester Eleonore Kastner eröffneten auf ihrem stillgelegten Hof ein "Café, Bier- Weinstube". Im alten Wohnzimmer fanden vier Tische Platz, für den Stammtisch oder den Männer-Sängerkreis wurden sie zusammengeschoben und "in der Kammer" lernten viele bei Grammophon-Musik die ersten Tanzschritte. Später folgte eine Jukebox, die ein echter Renner war.
Anlaufstelle für die ersten Tanzschritte
Bald entschlossen sich Margarte Götzinger und ihr Sohn 1957 zu einem Neubau mit Terrasse, dessen Aussicht den Namen "Café Waldblick" begründete. Gäste kamen nun aus Nah und Fern, aus Bamberg – Koppenwind gehörte vor der Gebietsreform zum Landkreis Bamberg –, aber auch aus Kitzingen und Würzburg. Namhafte Unternehmer trafen sich zum sommerlichen Tanz auf der Terrasse, was zur Folge hatte, dass in Koppenwind eine Zweigstelle der Näherei Murk mit über 30 Arbeitsplätzen entstand.

Für die jungen Leute war das Café eine beliebte Anlaufstelle, hier lernten viele die ersten Tanzschritte, kamen Samstagabend zusammen, um dann Fahrgemeinschaften in die Disco zu bilden, feierten Fasching und genossen die legendären Schaschliks.
England, Schweiz, Österreich, Neuseeland – die wechselvolle Geschichte der Wirtsfamilie
1999 übernahmen Wolfgang Kastner, Neffe der Gründerinnen, und sein Frau Kaye nach dem Tod der Tante das Haus. Die beiden hatten bewegte Jahre hinter sich. Wolfgang Kastner wuchs mit dem Café auf und begann nach dem Schulabschluss eine Ausbildung als Restaurantfachmann. Doch mitten in der Lehre brannte das Klosterbräu in Ebrach nieder, er schloss die Ausbildung in Bamberg ab und ging direkt nach der Prüfung nach England. Über die Hotel- und Gaststättenzeitung hatte er eine Stelle bei Ascot gefunden – und dort lernte er Kaye aus Neuseeland kennen.
Gemeinsam sammelten sie Erfahrung auf Stellen in der Schweiz, in Österreich und auch ein Jahr lang in Kayes Heimat. Die Entscheidung für Koppenwind war aber klar. Es ging schneller als geplant, und so wurde unter laufendem Betrieb um- und angebaut, der Damenstammtisch traf sich schon während der Bauarbeiten. "Ein Stammgast hat uns im September 2000 zur Kirchweih die letzten Stühle mit ins Haus getragen", erinnerte sich "Cat" Kastner in ihren Dankesworten.

Drei Stammtische haben sich im Café etabliert, dazu kamen Ausflügler, viele Motorradfahrer, ganze Bus-Gruppen genossen die selbstgemachten Kuchen und Torten von Wolfgang Kastners Schwester. Unzählige Kappenabende, Bürgerversammlungen, Taufen, Erstkommunionfeiern und Leichenschmause wurden hier begangen.
Dorfgemeinschaftshaus soll jetzt zum Treffpunkt werden
"Es ist ein großes Stück Dorfgeschichte, das hier jetzt endet", betonte auch Bürgermeister Matthias Bäuerlein in seinen Dankesworten. Die Koppenwinder lud er ein, gemeinsam ein Konzept zu erstellen, wie im Dorfgemeinschaftshaus neben dem Saal auch ein gemütlicher kleiner Treffpunkt entstehen kann. "Da nehmen wir ihn beim Wort, wir brauchen das, auch wenn wir uns in Zukunft selbst bewirten müssen", erklärten gleich die Damen in ihrer letzten Runde im Café.
Auch sie nennen die Wirtin, die sich jetzt dazu gesellt hat, nur "Cat". Ob es ein Kulturschock gewesen sei, aus der großen Welt in dem kleinen Ort im Steigerwald anzukommen? "Nein, ich wurde hier sehr gut aufgenommen, von der Schwiegerfamilie und den Gästen. Ich fühle mich zu Hause hier." Ihre beiden Söhne sind zwar ebenfalls im Café groß geworden, haben sich aber für andere Berufe entschieden und so bedeutet die schwere Krankheit von Wolfgang Kastner auch das Aus für das Café. Alle Stammgäste wünschen ihrem Wirt, dass er wieder gesund werden möge und Cat Kastner dankt: "Wir haben das alles mit Herzblut gemacht und wünschen Euch: Erhaltet eure Dorfgemeinschaft."
Anmerkung der Redaktion: Trotz sorgfältiger Recherche konnte der Rechteinhaber einiger Bilder nicht ermittelt werden. Rechteinhaber werden gebeten, sich bei der Redaktion zu melden.