Es klingt wie ein Traum: Stecker in die Steckdose und der Stromzähler läuft langsamer, womöglich sogar rückwärts. Und das alles Dank eines kleinen Kraftwerks auf dem eigenen Balkon. Tatsächlich ist dieses Szenario auf einem guten Weg, Realität zu werden, wenn auch nur in Ausnahmefällen und in kleinem Maßstab.
Ein Balkonkraftwerk besteht aus einem oder mehreren Solarmodulen, einem kleinen Kästchen, Wechselrichter genannt, und den Anschlussleitungen. Aus Sonnenlicht wird elektrischer Strom erzeugt und dem in der Wohnung befindlichen Stromkreis zugeführt. Dieser Strom, schreibt die Verbraucherzentrale Bayern zur Funktionsweise, „fließt beispielsweise in die Steckdose am Balkon und von dort zu Fernseher, Kühlschrank und Waschmaschine, die an anderen Steckdosen in der Wohnung eingestöpselt sind. Dann zählt der Stromzähler langsamer, es wird weniger Strom aus dem öffentlichen Netz bezogen. Reicht der Strom vom Balkon nicht für den Betrieb der Haushaltsgeräte aus, fließt einfach Strom vom Versorger aus dem Netz dazu“.
Derzeit dürfen die Kleinkraftwerke 600 Watt ins Netz einspeisen
„Sie sind schon sinnvoll“, ist Markus Hahn, Inhaber eines Ingenieurbüros in Untertheres, Ingenieur für Bauwesen und Energieberater für Wohn- und Nichtwohngebäude, überzeugt: „Wenn jede Wohnung eines hätte, käme ganz schön was zusammen“. Gerade zu Zeiten, in denen es schwierig sei, Handwerker zu bekommen, wäre dieses recht einfach zu installierende Produkt eine durchaus praktikable Möglichkeit, kurzfristig und preisgünstig Strom selbst herzustellen: 600 Watt darf ein solches Kraftwerk aktuell einspeisen. Zwei Standard-Solarmodule des Formats 1,70 Meter x 1,00 Meter lieferten insgesamt bis zu 760 Watt Leistung, verschattungsfrei an einem Südbalkon montiert ergäben sich etwa 560 Kilowattstunden (kWh) Strom pro Jahr. „Bei einer Leistung von 600 Watt und einem Strompreis von 40 Cent je Kilowattstunde lassen sich so jährlich bis zu 240 Euro sparen“, schreibt hierzu die Verbraucherzentrale.
„Die Kunden“, nennt Hahn einen weiteren Aspekt, „bekommen einen direkten Bezug zu dem Themenkreis Stromerzeugung, Stromverbrauch und können per App recht einfach nachvollziehen, wann ihr eigenes Kraftwerk welche Einsparung eingefahren hat." Dies sei durchaus geeignet, das Interesse an einem weiteren Ausbau eigener Anlagen zu wecken beziehungsweise zu forcieren. Zumal die Geräte als ausgereift, langlebig und sicher gelten: Ende 2021 waren laut Verbraucherzentrale bereits über 190.000 solcher Systeme in Deutschland in Betrieb. Bisher sei kein einziger Fall von Sachschäden oder verletzten Personen bekannt geworden.
Die Anschaffungskosten bewegen sich zwischen 500 und 1000 Euro
Die Kosten für ein Balkonkraftwerk bewegen sich zwischen 500 und 1000 Euro, Mehrwertsteuer ist seit Jahresbeginn nicht mehr fällig, auch muss der erworbene Strom nicht versteuert werden. Zusätzliche Verbesserungen stehen laut Verbraucherzentrale in der Vorbereitung: Eingespeist werden kann der Strom demnach zukünftig über die handelsübliche Schuko-Steckdose, die Gesamtleistung wird auf 800 Watt angehoben und das Anmeldeprocedere soll vereinfacht werden. Jeder Zählertyp kann verwendet werden, so dass die Zähler im Ausnahmefall auch rückwärts laufen.
Zwei Bundesländer bezuschussen die Anschaffung von Balkonkraftwerken, Hahn hält dies wegen der ohnehin vorhandenen Rentabilität nicht für sinnvoll, aber: „Auch wenn die Anlagen so konstruiert sind, dass jemand, der handwerklich begabt ist, fast alles selbst machen kann, so könnte der Landkreis doch jemanden benennen, der hierbei zur Seite zu steht“. Wenn die Kommune einem solchen Fachmann pro Abruf eine finanzielle Unterstützung zukommen ließe, sei das ein zielführender Wegbereiter zur umweltfreundlichen Energiegewinnung.
Günter Lieberth, im Umweltbildungszentrum Oberschleichach zuständig für die Energieberatung im Landkreis Haßberge, hält die Balkonkraftwerke „eher für MieterInnen mit Balkon geeignet, die über kein eigenes Dach für eine 'richtige' PV-Anlage verfügen und trotzdem einen Beitrag zum Klimaschutz und günstiger Stromerzeugung leisten wollen“. Doch wenn irgend möglich, rät er zur größtmöglichen PV-Anlage auf den Dachflächen, „da Strom zukünftig in allen Sektoren wie Wärme, Haustechnik und Mobilität eine immer größere Rolle spielen wird.“
Es gibt keine Zuschüsse - und Experten sehen dafür auch keine Notwendigkeit
Auch Lieberth meint, dass Photovoltaik keine 'Zuschüsse', brauche, „da die Politik mit dem EEG seit 2000 eine kluge, zuverlässige und nachhaltige Refinanzierung aufgebaut hat und weiter steigende Strompreise mehr denn je das beste Argument für eigene Erzeugungsanlagen liefern." Monika Göhr, Pressesprecherin des Landratsamtes Hassberge, schrieb auf Anfrage: „Grundsätzlich sind Balkonkraftwerke eine sinnvolle Anschaffung. Der Landkreis Haßberge bezuschusst Balkonkraftwerke nicht und hat dies auch nicht vor. Die angespannte Haushaltslage lässt eine solch freiwillige Leistung, wie die Gewährung einer Förderung für kleine Solaranlagen, nicht zu“.
Zudem sollten öffentliche Fördermittel grundsätzlich einen Anreiz schaffen, Investitionen in Bereichen zu tätigen, in denen anderweitig kein wirtschaftlicher Betrieb möglich wäre. Dies sei hier gerade nicht der Fall. Energieberater Lieberth bringt einen anderen Weg ins Spiel: „Im Nachbar-Landkreis Schweinfurt gibt es für Balkon-PV auch immer wieder von der Agenda-Gruppe der Stadt Sammelbestellungen und damit günstigere Einkaufs-Konditionen.“
Gerhard Deißler, wohnhaft in Westheim, hat sich von der Idee des Bakonkraftwerk-Konzeptes anstecken lassen. Er sei ohnehin ein Energiesparfuchs, in dem 2-Personen-Haushalt läuft kein Gerät im Standby - Modus, dank modernster Hausgerätetechnik und LED-Beleuchtung verbrauche der Haushalt lediglich 1500 KwH pro Jahr. Dies ist weit weniger als die Hälfte dessen, was der Stromversorger Überlandzentrale Mainfranken mit 3523 kWh als Durchschnittswert angibt.
Nach ersten Probeläufen steht für Deißler fest, dass er mit dem Neuwerwerb „unter die Tausend kommt“. Er zeigt sich am Rande des Gespräches wenig begeistert darüber, dass der Staat die Stromkosten für den privaten Endverbraucher neuerdings auf 40 Cent pro Kilowattstunde „deckelt“, möchte dem etwas entgegensetzen: „Der Stromanbieter lacht sich kaputt, und ich zahle den Deckel über meine Steuern“. Und dabei sei die Installation so einfach gewesen: „Hinstellen, Befestigen, Stecker montieren lassen“, und schon fließe der Strom.