
Das Dilemma der Landwirtschaft verläuft zwischen Wunsch und Wirklichkeit, zwischen dem Anspruch der Bevölkerung und dem tatsächlichen Kaufverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher. Das machte der rheinische Ackerbauer Willi Kremer-Schillings, bekannt als "Bauer Willi", bei seinem Vortrag vor den Mitgliedern der Kreisverbände für landwirtschaftliche Fachbildung (VlF) Haßberge und Schweinfurt im Hotel Goger in Augsfeld deutlich. Seine Kernbotschaft: "Wir können alles, nur muss es einer bezahlen, und wir müssen von dem, was wir machen, auch leben können."
Wie aus zwei grünen Kreuzen plötzlich 20.000 wurden
Seit dem Jahre 2019 ist Bauer Willi in aller Munde, als er zum damaligen Agrarpakt die Aktion der "grünen Kreuze" ins Leben rief und damit die Probleme der Landwirtschaft stärker ins Bewusstsein der Bevölkerung rückte. Deutschlandweit schlossen sich Bäuerinnen und Bauern an und stellten auf ihren Äckern grüne Kreuze auf, um ihren Unmut zu bekunden.
"Ich habe zwei grüne Kreuze aufgestellt, in zwei Wochen waren es schon 20.000. Dann kam ein Anruf aus Berlin und ich wurde gefragt, ob ich denn wüsste, was ich da mache", beschrieb Willi Kremer-Schillings seine Aktion. Sie habe zum Agrargipfel bei Bundeskanzlerin Angela Merkel und zu vielen anderen Veranstaltungen und Gesprächen mit Medien geführt. "Es führte auf jeden Fall zu einer neuen Wahrnehmung der Bürger für die Landwirtschaft und dies hat wahnsinnig zugenommen."

Auch auf seinem Betrieb sei es zu Problemen gekommen, weil der Ort mit Baugebieten um ein Drittel gewachsen und er eingekreist worden sei. "Die wollten ihre Ruhe und dann stellten sie fest, dass wir stören." Mit Briefen an die "lieben Nachbarn" und die Verbraucher habe er inzwischen Millionen von Menschen erreicht und selbst Rundfunk und Fernsehen (Markus Lanz und Günther Jauch) seien auf ihn aufmerksam geworden.
Kritik an den Verbrauchern: Gedankenlos im Supermarkt
Er sei schon immer ein Freund der Landwirte gewesen. So zeichnete er ein Bild von Bäuerinnen und Bauern, die für zehn Milliarden Euro Lebensmittel produzierten, die Landschaft pflegten und auch das unternehmerische Risiko trügen. Wo stecke dabei das Dilemma der Bauern mit den Bürgern?
Sein Publikum fragte er, woran sie denken, wenn sie über eine Brücke fahren. Und gab selbst die Antwort: "An nichts." Und so würden sich die Verbraucher auch beim Lebensmitteleinkauf verhalten. "Sie gehen zu Lidl oder Rewe und machen sich keine Gedanken und keinen Kopf." Verbraucher und Bürger seien zwar die gleichen Personen, aber mit unterschiedlicher Wahrnehmung. "85 Prozent der Menschen meinen, sie würden nachhaltig einkaufen, aber nur 15 Prozent tun es."
Bauer Willi rät zu kreativer Kommunikation
Das Fazit von Bauer Willi war: "Unsere Bürger lieben uns als Landwirte, lehnen aber unsere zeitgemäße Landwirtschaft ab." Die Landwirtschaft liebe man höchstens wegen ihrer Idylle, dem Urlaub auf dem Bauernhof, der Sehnsucht nach der heilen Welt oder der Zeitschrift "Landlust".

Die Jugend lese keine Zeitung mehr und Meinungsmacher wären heute die neuen Medien, in denen es Lügen einfacher hätten als Wahrheiten zum Pflanzenschutz. So komme es beim Einkauf dazu, dass eine 30-jährige Frau gerne Kartoffelsamen möchte, aber nicht weiß, dass dazu eine ganze Kartoffel gesteckt wird. Und beim Bauern mit 250 Milchkühen und Melkroboter frage eine andere, wann die Kühe mit 1,5-Prozent-Milch und wann die mit 3,5 Prozent gemolken werden.
Willi Kremer-Schillings legte den Landwirten in dieser Situation eine kreative Kommunikation nahe. Dazu brauche es eine neue Ehrlichkeit, um über Probleme reden zu dürfen. "Unsere Grundhaltung muss sich ändern. Wir dürfen nicht ständig jammern und uns entschuldigen. Wir sind Unternehmen, also müssen wir etwas unternehmen und selbst aktiv werden." Auch Besuche in Kindergärten und Schulen, das Engagement in den Ehrenämtern oder eine WhatsApp-Gruppe für Feldnachbarn gehörten dazu.
Kritik an Doppelmoral: Teurer Grill, billiges Fleisch
"Natürlich greifen wir Bauern in die Natur ein, aber auch die Bio-Bauern greifen ein und anders würden wir nicht überleben", betonte Bauer Willi. Jede Form der Nahrungsmittelbeschaffung sei ein Eingriff in die Natur – das gelte selbst für Jäger und Sammler in der Serengeti. Aber die Bürgerinnen und Bürger stellten hohe Ansprüche und entschieden sich als Verbraucherinnen und Verbraucher doch meist für billig. Diese Doppelmoral, meist der gehobenen Schicht, sei das, was auf die Nerven gehe, bei 800 Euro für einen Grill und 79 Cent für das Würstchen.
Kartoffeln aus "Bodenhaltung"
Als Rheinländer schlug er vor, den Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern ruhig auch mit einer Prise Humor und Ironie zu würzen, was er am Beispiel "Kartoffel aus Bodenhaltung" oder "Tomaten aus Anbindehaltung" unterstrich.
Darauf entspann sich eine rege Diskussion, vom Lieferkettengesetz über die Gefahr der Wettbewerbs- und Konkurrenzfähigkeit bis hin zur Kastration und dem Marketing. Referent Kremer-Schillings wurde viel Lob zuteil, dass er sich im Ruhestand so für die Landwirtschaft engagiere. Neben dem Dank motivierte er seine Berufskollegen mit seiner Kölschen Botschaft: "Aasch huh, Zäng ussenander!" was so viel wie "Arsch hoch und Zähne auseinander!" heiße.