In Oliver Giels Bücherregal stehen hunderte Werke. An den meisten war der Haßfurter beteiligt, als freischaffender Fotograf für große Fachverlage. Doch das Herzensprojekt hält der 47-Jährige in den Händen: ein Buch mit 252 Seiten. Sein Buch. "Ziegenluft und Küchenduft", heißt der Titel. Giel hat ihn 2021 in Eigenregie herausgebracht – ohne einen großen Verlag im Hintergrund. Nun ist eine Fortsetzung geplant. Auch diesmal weitgehend im Alleingang.
"Dem Selfpublishing haftete lange Zeit ein ziemliches Schmuddelimage an", sagt Giel, dessen Hauptgeschäft neben der Arbeit für Verlage die klassische Werbefotografie ist. Autorinnen und Autoren, die ihre Werke selbst veröffentlichen, wurden in der Branche wenig ernst genommen. Doch das scheint sich inzwischen zu ändern.
Bessere Voraussetzungen für Selbstverleger
"Hat ein Verlag früher Manuskripte abgelehnt, verschwanden die Ideen oft." Das sagt Tamara Leonhard. Sie ist Vorsitzende des Selfpublisher-Verbands, dem eigenen Angaben zufolge deutschlandweit rund 1200 Mitglieder angehören. "Dadurch sind dem Buchmarkt unzählige Perlen entgangen". Heute haben Autorinnen und Autoren, die durch das Raster der Verlage fallen, andere Möglichkeiten, ihre Werke einem breiten Publikum zugänglich zu machen, so Leonhard. Die Digitalisierung hat daran einen großen Anteil, etwa beim Marketing oder Vertrieb.
Befürworter dieses Wandels sprechen von einer Demokratisierung des klassischen Buchmarktes, Leonhard von "stetigem Wachstum" in der Branche der Selbstverleger. Diese sei dabei, das ihr verpasste Schmuddelimage endgültig abzustreifen. Doch dazu gelte es mit dem wohl größten Missverständnis aufzuräumen: "Selfpublishing heißt nicht, dass einer oder eine alles alleine macht", so Leonhard. "Es heißt, alle Entscheidung selber zu treffen. Und dort, wo es nötig ist, Profis an Bord zu holen."
Idee des Buches zu dritt umgesetzt
Oliver Giel bestätigt das. "Selfpublishing ist keine One-Man-Show", betont auch er. Hochwertige Selfpublisher-Projekte, so der 47-Jährige weiter, geben dem Buchmarkt eine größere Vielfalt. Nischenthemen, die von Verlagen ausgeklammert werden, finden so doch statt. "Doch dafür müssen alle Beteiligten ihr Handwerk verstehen, und bei uns sind alle in ihrem Bereich Profis", erklärt der Fotograf, der das Buchprojekt gemeinsam mit der Protagonistin Sabine Krüger und seiner Texterin Eva Scherer umgesetzt hat. "Und unser Buch ist zu fleischlastig, um ein Trendthema zu sein", sagt er und lacht. Einen Scherz macht Giel nicht.
Sein Buch begleitet die Schäferin und Hauswirtschaftsmeisterin Sabine Krüger aus Baden-Württemberg bei der Arbeit mit ihren Tieren, blickt ihr beim Kochen und Gärtnern über die Schulter – und das über alle Jahreszeiten hinweg: den Frühling, den Sommer, den Herbst, den Winter. Es handelt von einem nachhaltigen Kreislauf, erzählt Giel. Davon, wie Schafe und Ziegen Landschaftspflege betreiben und so die Artenvielfalt fördern; und wie einige dieser Tiere am Ende vom Menschen verwertet werden. "Fleisch landet schließlich nicht einfach so auf unseren Tellern." Das Buch soll auch dafür ein Bewusstsein schaffen. "Wenn Eltern mit ihren Kindern durch den Supermarkt laufen, haben viele von ihnen kein Bild davon, was wirklich in der Kühltruhe liegt", sagt der Haßfurter. "Auch deshalb kommt es zu so etwas wie der industriellen Tierhaltung." Giel will in seinem Buch das ganze Bild zeigen.
Tatsächlich, so erzählt der 47-Jährige weiter, hatte er das Manuskript gleich mehreren Verlagen vorgelegt. Doch für sie hätte er das Thema zu sehr verbiegen müssen – besonders beim Blick auf die Fleischgewinnung. Groll empfindet Giel deshalb keinen: "Ich kann die Verlage verstehen. Jeder hat seinen eigenen Stil, sein eigenes Themenfeld, sein eigenes Programm – das gilt auch für mich." Die eigene Idee zu verwässern, sei für ihn und seine Mitstreiterinnen jedoch nicht infrage gekommen. So wurde aus dem Vorhaben endgültig ein Selfpublisher-Projekt.
Kapital für den Druck durch Schwarmfinanzierung
Verbiegen lassen wollte Oliver Giel sich weder inhaltlich, noch bei anderen Belangen: "Das Buch behandelt ein nachhaltiges Thema, da konnten wir nicht jede beliebige Druckerei wählen." Die Entscheidung fiel auf ein Unternehmen, das vollständig recyceltes Papier bedruckt. Um die Auflage von 1500 Exemplaren zu finanzieren, rief Giel zudem eine sogenannte Crowdfunding-Kampagne ins Leben. Wer genug Leute für die eigene Idee begeistern kann, so das Konzept der Schwarmfinanzierung, erhält von Unterstützern Kapital für sein Projekt. Oliver Giels Kampagne war erfolgreich. Das Buch konnte in den Druck gehen.
Ein Großteil der Auflage ist bereits verkauft, sagt Giel. Und das, obwohl es das Buch bei Amazon nicht gab und gibt. "Wir haben uns bei der Vermarktung ebenfalls für nachhaltige und regionale Wege entschieden", erklärt er. Buchhandlungen könnten sein Werk bestellen. Auch die große Anhängerschaft der Protagonistin Sabine Krüger in den sozialen Netzwerken half beim Verkauf. Auf Twitter folgen der Schäferin rund 7500 Nutzer, die potentielle Zielgruppe.
In seinen Augen lief das Projekt erfolgreich. Deshalb soll es weiter gehen mit der Arbeit im Selbstverlag. "Wir sind bereits in den letzten Zügen des nächsten Buches", sagt er. Wieder begleitet er Sabine Krüger über ein ganzes Jahr. "Wir zeigen, was es zu jeder Jahreszeit in der Natur zu finden gibt - und wie man es Zuhause verwerten kann." Das Werk, so Giel, soll all das Wissen sammeln, das in der Gesellschaft zunehmend verloren geht. Und er ist sich sicher: "Da draußen gibt es noch mehr Menschen, die Interessantes teilen können. Wissen, das es Wert ist, in einem Buch festgehalten zu werden." Dass es dafür keine großen Verlage mehr braucht, hat Giel bereits bewiesen.