Es war eine große Neuigkeit, als in der vergangenen Woche die Freibäder wieder für Besucher öffnen konnten. Über allem schwebte die Frage: Wie kann das in Zeiten von Corona funktionieren? Ist Badespaß trotz Abstandsregeln möglich? Eines der Bäder im Landkreis Haßberge muss allerdings vorerst geschlossen bleiben: Ein technischer Defekt macht den Betrieb des Hofheimer Freibades momentan unmöglich. Und es könnte auch noch einige Zeit dauern, bis der Schaden behoben ist. Bürgermeister Wolfgang Borst hat sich deshalb auf die Suche nach einer Alternative gemacht. Die bringt nun allerdings eine Menge Probleme mit sich.
Die Idee des Bürgermeisters: Im Hofheimer Stadtsteil Goßmannsdorf gibt es einen See, der ohnehin von vielen Bürgern als Badesee genutzt wird. Warum also nicht diesen See auch offiziell zum Badesee erklären? Anfang der Woche zeigte sich der Bürgermeister noch optimistisch, in Goßmannsdorf eine Alternative zum geschlossenen Hofheimer Schwimmbad schaffen zu können. Er kündigte an, nach Gesprächen mit Stadträten und den verantwortlichen Stellen am Donnerstag eine Pressekonferenz geben zu wollen.
BGH-Urteil schlägt hohe Wellen
Doch daraus wurde nichts. Statt der Pressekonferenz gab es die Information, dass das Baden im Goßmannsdorfer See mit sofortiger Wirkung verboten wird – also das genaue Gegenteil von dem, was Wolfgang Borst ursprünglich vorhatte. Der Grund dafür liegt vor allem in der aktuellen Rechtssprechung, was die Haftung an Badegewässern angeht. Im Jahr 2017 gab es ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), das später große Wellen schlagen sollte.
Bis dahin hatten vielen Kommunen an ihren Seen Maßnahmen vorgenommen, die den Badespaß erhöhen sollten. Stege, Liegeweisen und mancherorts sogar Wasserrutschen und Toilettenanlagen. Doch nachdem ein Badeufall an einem solche See bei einer jungen Frau zu bleibenden Hirnschäden geführt hatte, stellte sich die Frage, wer eigentlich die Verantwortung für die Sicherheit der Badegäste trägt.
Der Fall landete vor dem BGH. Die Entscheidung des Gerichts fasst der Kommunale Schadensausgleich (KSA) in einem Inforamtionsschreiben zusammen: "Wer durch die Bereitstellung einer Infrastruktur zu erkennen gibt, dass an seinem Gewässer gebadet werden kann, eröffnet einen Verkehr und ist daher verkehrssicherungspflichtig." Anders ausgedrückt: Wenn Menschen in einem natürlichen See ohne jegliche Bade-Infrastruktur schwimmen gehen, ist das erlaubt, sie tun da aber auf eigene Gefahr. Sobald aber eine Kommune irgendetwas künstlich anlegen lässt, das das Baden komfortabler macht, übernimmt sie die Verantwortung für die Sicherheit der Badenden. Auch Strafverfahren gegen Bürgermeister wären möglich.
Noch immer als Löschteich genutzt
Doch warum muss das Baden in Goßmannsdorf gleich verboten werden? Wäre die Stadt nicht aus dem Schneider, so lange es keine Infrastruktur für Badegäste gibt? "Der Goßmannsdorfer See ist kein natürliches Gewässer, sondern ein klassischer Lösschwasserteich, der von der Gemeinde Goßmannsdorf zur Sicherstellung der Löschwasserversorgung errichtet wurde", erklärt Wolfgang Borst hierzu in einer E-Mail an diese Redaktion. "Vom See führt die Löschwasserleitung nach Goßmannsdorf und versorgt dort nach wie vor die drei Hydranten im Ort mit Löschwasser."
Hier gilt also noch einmal eine andere Rechtslage als bei natürlichen Gewässern. Im KSA-Informationsschreiben heißt es: "Das Baden in natürlichen Gewässern ist erlaubt; das Baden in künstlichen Gewässern wie etwa Talsperren und gefluteten Tagebaurestlöchern ist nur erlaubt, wenn es zugelassen ist." Letzteres trifft auch auf den Löschteich zu, zumal hier "Steganlagen und Einstiegsleitern zum Baden einladen", wie Wolfgang Borst schreibt. Deshalb habe er zusammen mit seinen beiden Stellvertretern beschlossen, das Baden zu verbieten. Denn würde die Kommune das erlauben, wären "umfangreiche verkehrssicherungsrechtliche Maßnahmen" nötig, "die von der Stadt nicht umsetzbar sind". Auch die Tafel am Ufer, auf der "Baden auf eigene Gefahr" zu lesen ist, reicht als Haftungsausschluss nicht aus.
Nur ein offizieller Badesee im Landkreis
Nur ein einziges Gewässer im Landkreis Haßberge ist tatsächlich ein Badesee, der von der Kommune auch als solcher ausgewiesen ist: Der Sander Baggersee. Gerade durch den Campingplatz, der direkt am Ufer liegt, wird der See auch von vielen Badegästen angenommen. Hier gibt es auch eine Wachstation der Wasserwacht, um im Fall eines Badeunfalls schnell eingreifen zu können.
Da klingt es erst einmal paradox, dass erst vor zwei Wochen in einer Pressemitteilung des Landratsamtes von insgesamt sechs Badeseen im Landkreis die Rede war. Aufgezählt werden hier neben dem Sander Baggersee noch der der Horhäuser Baggersee, der Kleidersee bei Augsfeld, der Krebssee bei Westheim, der Seidenhäuser See bei Altershausen und auch der Goßmannsdorfer Löschteich.
Badesee ist nicht gleich Badesee
Der Grund hierfür: Im Schreiben des Landratsamtes geht es nicht um ausgewiesene Badeseen, sondern um die sogenannten "EU-Badestellen". Dabei handelt es sich um Gewässer, in denen oft Menschen schwimmen gehen, und an denen deshalb nach Richtlinien der Europäischen Union regelmäßig Wasserproben untersucht werden. Dass an vier dieser sechs Seen gilt, dass Badegäste auf eigene Gefahr ins Wasser gehen und dass in Goßmannsdorf ab sofort gar nicht mehr gebadet werden darf, spielt dafür keine Rolle.
Das Fazit des Landratsamtes: Die Wasserqualität ist an allen sechs Seen in Ordnung. Die genauen Befunde veröffentlicht das Landratsamt auf der Internetseite www.hassberge.de.
Bleibt die Frage, ob es in diesem Jahr einen größeren Ansturm auf die Badeseen geben wird als sonst. Immerhin könnten die Corona-Auflagen so manchen Bürger vom Schwimmbadbesuch abhalten. Da liegt die Vermutung nahe, dass viele Menschen sich nun einen anderen Ort zum Baden aussuchen, an dem es weniger Auflagen zu beachten gibt. Die Wasserwacht stellt sich darauf ein, dass es einen steigenden Ansturm auf heimische Gewässer geben könnte.
Die Wasserwacht ist vorbereitet
"Im Vergleich zum letzten Jahr war noch recht wenig los", berichtet Johannes Rennert, stellvertretender Vorsitzender der Wasserwacht Sand/Zeil. Das liege wohl vor allem am Wetter, das bisher noch nicht so sehr zum Baden eingeladen hat. Größer sei dagegen das Interesse an Stand-Up-Paddling, einer Sportart, bei der man aufrecht auf einem schwimmfähigen Brett steht und sich mithilfe eines langen Paddels vorwärts bewegt. In Sand gibt es einen Verleih für die entsprechende Ausrüstung, was in den letzten Tagen recht gefragt gewesen sei. "Das wird auch bei nicht gerade badefreundlichem Wetter angenommen", berichtet Rennert.
Wenn es wärmer wird, könne er sich aber durchaus vorstellen, dass gerade aufgrund der Corona-Richtlinien viele Menschen Badestellen in der Natur den Schwimmbädern vorziehen; seien es Seen oder auch Badebuchten am Main. "Wir werden öfters mal eine Bootsstreife rausschicken", kündigt Rennert an. Das gilt sowohl für den Fluss als auch für die Seen.