Die Brezel war im Brauchtum der Region lange von großer Bedeutung. Noch im 19. und 20. Jahrhundert wurde dieses Gebäck bei bestimmten Anlässen vor allem an Kinder verteilt. Diese sollten sich dadurch immer an das jeweilige Ereignis erinnern. Etwa an den Gründonnerstag.
Nach einer Gottesdienstordnung von 1580 wurden in Zeil am Gründonnerstag nicht, wie allgemein üblich, zwölf alten und ehrwürdigen Männer, sondern zwölf zumeist armen Kindern symbolisch die Füße gewaschen. Anschließend erhielt jedes Kind eine Oblate und eine Brezel mit einem Schluck Wein. Dasselbe reichte der Pfarrer auch jedem anwesenden Ratsherrn.
Grimassen beim Nippen des Messweins
Ab 1737 war diese seltsame Fußwaschung eine Zeit lang von der Kirche in den profanen Rathaussaal verlegt worden. Der in Zeil geborene Prof. Dr. Engelhard Eisentraut, der von 1887 bis 1945 lebte, vermutete, dass die Gefühlsausbrüche der Kinder Gründe für diesen Schritt waren. Etwa bei der Berührung der kitzligen Füße, die Grimassen beim Nippen des Weins und das couragierte Zugreifen beim Darreichen der großen Brezel. Erst 1903 wurde diese Form der österlichen Fußwaschung in Zeil eingestellt.
Das Gebäck in Gestalt verschlungener Arme hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Es soll seinen Ursprung im alten Rom haben und mit der Verbreitung des Christentums in einem Kloster entstanden sein. Eine Abendmahlszene aus dem 11. Jahrhundert zeigt neben einem Fisch die älteste Abbildung einer Brezel. Viele Bäckereien im Landkreis verwenden sie in ihrem Firmen-Logo als Berufszeichen. Das älteste nachweisbare Bäckerwappen geht bis auf das Jahr 1111 zurück.
Beliebt bei Bier- und Weinfesten in Bayern
Die Brezel ist in Deutschland und besonders in Bayern ein beliebtes Gebäck. Ob beim Münchner Oktoberfest oder bei Weinfesten. Lange Zeit war dieses Gebäck bei besonderen Anlässen eine übliche Gabe an die Kinder.
Offenbar war es für manche Bäcker bequemer und damit billiger, statt Brezen lieber Brötchen zu formen. So spendeten im 18. Jahrhundert vier Steinbacher Bürger eine Geldsumme mit der Bestimmung, dass aus den Zinsen dieses Vermächtnisses für die Schulkinder Brötchen angekauft werden. Dafür beteten die Beschenkten auf dem Weg von der Kirche zur Schule für die Seelen der verstorbenen Wohltäter.
Die Brezel hatte früher einen engen Bezug zu den Schulkindern. In manchen Gegenden wurde sie bei der Einschulung verteilt. Die Lehrer versuchten mit ihrer Hilfe den Schulanfängern das ABC beizubringen. Aus der Form des Gebäcks ließen sich die meisten Buchstaben oder deren Einzelteile herausbrechen.
Bei der Schuleinweihung 1826 in Ziegelanger wies die Gemeinderechnung Wein für die Erstklässler aus. Kinder Bier oder Wein trinken zu lassen, war früher nicht ungewöhnlich.
Trotz Inflation: Brezeln aus gespendetem Mehl
Standen Festlichkeiten an, sollten die Schulkinder nicht abseitsstehen müssen. Wie in Zeil gab es auch anderorts Fest-Wecken bei der 25-jährigen Gedächtnisfeier des Feldzuges 1870/71, beim kaiserlichen Proklamationsfest sowie zur Erinnerung an die Reichsgründung am 18. Januar 1871.
Bei der Errichtung des Zeiler Kriegerdenkmals 1923 wurde auch die Schuljugend mit einbezogen. Für sie wurden trotz der damals galoppierenden Inflation bei der Einweihung Brezeln aus gespendetem Mehl gebacken. Zwei Jahre später fand die feierliche Grundsteinlegung für die Marien-Schule statt. Zur Erinnerung erhielten damals alle Schulkinder eine Brezel. 1952, beim 25-jährigen Jubiläum, wurde solches Gebäck allen 480 Buben und Mädchen sowie auch sämtlichen Lehrern spendiert.
Bei besonderen Anlässen gaben die Bäcker dem Salzgebäck – je nach Ereignis – eine andere Form. Bei der Siegesfeier nach der Schlacht bei Sedan 1870 etwa, wurden zur Erinnerung "Sieges-Brezeln" in Form des Buchstaben S an die Kinder verteilt. In Königsberg war es üblich, dass die Schülerinnen und Schüler an des Kaisers Geburtstag aus den Händen des Bürgermeisters ein gebackenes W als "Wilhelmsbrezel" erhielten. Weil jedoch die sonst üblichen Würstchen fehlten, gab es ein Glas Bier. Und auch in Eichelsdorf reichte man zu besonderen Anlässen den Schulkindern dieses Getränk. Bei den traditionellen Besichtigungen der Gemeindegrenzen wurde in Sechsthal oft auch eine Brezel gereicht.
Gebackenes Hackenkreuz in Hofheim
Zum Geburtstag des Bayerischen Prinzregenten Luitpold versammelten sich 1911 in Eltmann die Schulkinder im Ratssaal. Nach dem Singen patriotischer Lieder ließ der Bürgermeister eine Brezel in Form eines L spendiert. 1933, kurz nach seiner Machtergreifung, feierte Adolf Hitler seinen 44. Geburtstag. Den beging man besonders im Landkreis Hofheim: In der in einem Schloss residierenden SA-Führerschule sorgte die NS-Frauenschaft dafür, dass jedem Schulkind ein gebackenes Hakenkreuz überreicht werden konnte.
In Eltmann fuhren beim Erntedankfest 1934 in einem Festzug ein Wagen der Bäcker- und Metzgerinnung mit. Beide wurden von der Jugend besonders bejubelt, da sie Brezeln und Knackwürste in die Menge warfen. Getreu dem Sprichwort: "Wenn's Würscht regnet und Brezel schneit, dann bitt' mer den Herrgott, dass es Wetter so bleibt."
Originell war im Inflationsjahr 1923 die Festsetzung der Gebühr für die Haßfurter Kinderbewahranstalt. Für ein Kind und eine Woche wurde der Wert einer Brezel verlangt. 1936 fuhr das legendäre Luftschiff Zeppelin auf seine Fahrt zur Leipziger Messe über das Maintal. Es war ein Sonntag und viele Zeiler strömten auf den Kapellenberg, um das stolze Gefährt noch besser sehen zu können. Anschließend verteilte man an die Schulkinder "Würscht und Stölli".
Die Einweihung einer Kannenmilch- und Gemeinschaftskühlanlage in Stettfeld war 1956 ein bedeutendes Ereignis. Es war bis dahin die einzige Anlage dieser Art im süddeutschen Raum. Sie entzog beim Kühlvorgang der Milch die Wärme für die Warmwasserbereitung von Spülwasser. Ohne eine andere Energiequelle konnte das Wasser auf bis zu 50 Grad Celsius erwärmt werden. Diese Anlage sollte den Kindern ein Leben lang in Erinnerung bleiben. Sie erhielten alle einen Becher Kakao überreicht.
Brezel durch Brötchen und Würstchen ersetzt
Der grundsätzlich wachsende Lebensstandard führte dazu, dass die Brezel immer häufiger durch Brötchen und Würstchen ersetzt wurde. Die bekamen im selben Jahr in Wonfurt auch die Schulkinder zur Erinnerung an die Einweihung der gemeindlichen Dreschmaschine.
Eine besondere Form ließ man sich in den 50-er Jahren in Zeil einfallen. Der damalige Zweite Bürgermeister Karl Leisentritt überreichte der Leiterin einer jungen Besuchergruppe bei der Begrüßung eine in Teig gebackene Pranger-Kette. Ganz so, wie sie am Rathauseck als Erinnerung an frühere Pranger-Strafen noch heute zu sehen ist.