
Wer am 2. September 2023 in die Suchmaschine der Volkshochschule Haßberge den Begriff "Tanzen" eingab, erhielt 22 Angebote. Knapp die Hälfte der Ergebnisse, genau zehn, führten den Sucher zu dem Begriff "Line-Dance". Die Redaktion hat sich erkundigt, was unter der Bezeichnung zu verstehen ist, was das Besondere an dem Tanz ist und wie sich die Line-Dance-Szene im Landkreis Haßberge aufgestellt hat.
Petra Häselbarth fiebert dem 30. September entgegen. Sie steht den Country-Girls aus Horhausen vor, und diese haben zur Line-Dance-Night bei Livemusik der Nashville-Band nach Untertheres in die Maintalhalle geladen. Im Umkreis von 100 Kilometer würden sich Hunderte von Tänzern und hauptsächlich Tänzerinnen dort einfinden. "Line-Dance", schwärmt Häselbarth im Gespräch bei der Redaktion, "ist eine Sensation. Körper, Geist und Seele müssen harmonisch zueinander finden, jeder ist auf sich allein gestellt und doch fest in eine große Gemeinschaft integriert". Dies sei nicht zu vergleichen mit dem Paartanz, der sicherlich auch seine Reize habe, aber aus ihrer Sicht nicht an die Dynamik des Gruppentanzes herankäme.
Jeder tanzt für sich alleine, aber in Formation
"Line-Dance", erklärt sie, "ist ein sogenannter Formationstanz": Jede und jeder tanzt für sich alleine, aber üblicherweise formiert in einer Gruppe. Tänzerinnen und Tänzer seien nebeneinender und hintereinander in Reihen aufgestellt, tanzten synchron. Jeder Tanz besteht aus mehreren Schrittfolgen, Richtungsänderungen, Bewegungen nach vorn und zurück, Wippbewegungen, Drehbewegungen und zuweilen auch Sprüngen.

"Die Choreographie ist auf jedes Musikstück abgestimmt, jeder in der Gruppe macht zur gleichen Zeit die gleiche Bewegung". Es könne richtig anstrengend werden. Line-Dance, ist ihre Erfahrung, sei für Menschen allen Alters geeignet, und verbinde auch Menschen unterschiedlichster Herkunft, Sprache und Kultur.
Häselbarth kam, berichtet sie, wie viele Menschen rund um den Globus, durch John Travolta in dem Film "Saturday Night Fever" aus dem Jahre 1977 mit dem Tanz in Berührung. Schub hätten das Lied und die Choreographie von "Ach Breaky Heart" in der Version von Billy Ray Cyrus gegeben, ein Evergreen der Countryszene aus dem Jahre 1992.
500 Tänzerinnen und Tänzer bei Countryfestival in Eichelsdorf
In diesem Jahr, also 1992, fand auch das erste Countryfestival in Eichelsdorf statt, das sich seitdem jährlich wiederholt. In Sachen Linedance tat sich laut Organisator Mario Häpp zunächst nichts. Dann kam der langsamer Einzug, damit verbunden der Wunsch nach einer Tanzfläche. Vor 20 Jahren wurde eine aufgestellt in der Größe 24 Quadratmeter. Seitdem habe sich Linedance "irre entwickelt", mittlerweile sei der Tanzboden auf 120 Quadratmeter angewachsen. Die Linedanceszene hätte sich heuer, im 30. Jubiläumsjahr des Festivals, die Bühne selbst aufgebaut. Für 500 Tänzerinnen und Tänzer.
Die Erfolgsgeschichte ergriff auch Horhausen. Als dort vor einigen Wochen anlässlich der 1000- Jahr-Feier die Band "Nashville" auftrat, sei das Festzelt aus allen Nähten geplatzt, viele Gruppen hätten sich einfach tanzend vor dem Zelteingang zusammengefunden, berichtet Häselbarth. "Besucherrekord", wie Gemeinderatsmitglied Mario Dorsch damals achtungsvoll anerkannte.

Linedancenächte besuche sie in Untertheres, Oberaurach, in Augsfeld. In Ebern, Hofheim, Sylbach, Sand, Hofheim, Knetzgau und Oberaurach fänden sich mittlerweile Line-Dance Gruppen zusammen, und sobald, wo auch immer, die entsprechende Musik erklingt, ginge es auf die Tanzflächen.
Konfliktträchtig zwischen Countrymusikern und der Linedanceszene sei zuweilen, berichtet Häpp, dass die Gruppen nur auf bestimmte, einstudierte Lieder tanzen können und sich Musiker in ihrer Liedauswahl bedrängt fühlen können. Manche Bands lehnten Linedancepublikum daher von vornherein ab. Doch er habe mit seiner Familienband "Four Roses" kein Problem, 90 Prozent ihrer Lieder seien linedancegeeignet. Und was ihn auch fasziniere sei, dass ein großes Publikum begeistert zuschaut, wenn die unterschiedlichen Gruppen ihre Formationen gleichzeitig auf der Tanzfläche auslebten.

Dass Linedance mittlerweile "immer und überall lauert", konnte kürzlich in Nassach, einem kleinen Dorf am Fuße des Haßbergtraufs, beobachtet werden. Der Abend war der irischen Kultur gewidmet, mit entsprechendem Essen, landestypischen Getränken und aus der Insel stammender Livemusik. Diese, wie der Musiker Pete Smith berichtete, würde als eine Wurzel verstanden für die amerikanische Countrymusik, welche wiederum einen Boden bereite für den Line-Dance.
Fidel, Gitarre und Gesang stimmten einen Evergreen an, "Whiskey in the jar" an, was die Linedancegruppe von Rüdiger Schmitt schlagartig auf die Tanzfläche katapultierte. Schmitt war vor fünfzehn Jahren bei einem Reitturnier in Ebern auf den Line-Dance gestoßen, gründete damals mit sechs Freunden eine Gruppe und sah diese kontinuierlich auf fünfzig aktive und dreiundzwanzig weniger aktive Mitglieder anwachsen. Nun saßen also einige von ihnen da und warteten auf ihre Chance. Circa einhundert Lieder können sie betanzen. Nach dem Lied ging es wieder zurück an die Bänke.

Christel Möhring (58) aus Nassach gehört der Gruppe an. Sie brachte auf den Punkt, "warum Line-Dance so ansteckend ist": Ihre Leidenschaft zum Tanz habe sie im Blut, erklärte sie vorab, und vor gut vier Jahren sei sie mit diesem Gruppentanz in Berührung gekommen: "Das Faszinierende ist, für die Disko sind wir zu alt, Männer brauchen wir nicht dazu, und es macht Spaß". Regelmäßig, ein bis zwei Mal pro Woche gehe sie zur Probe, für sie sei es eine gute Gelegenheit, "aus dem Alltag herauszutreten". Zudem sei es Kopftraining, für jeden Tanz müsse sie sich neue Schrittfolgen einprägen.
Das Lachen weicht einer "umfassenden Glückseligkeit"
"Die Liebe zur Musik, das Eintauchen in das Hier und Jetzt, die Freude an der Anstrengung von Körper und Geist", all dies fasziniere sie bei dieser Tanzart. Wenn so manche Zuschauer sagen, die lachen nicht einmal, dann lautet ihr Rat, einfach einmal probeweise einzusteigen: das Lachen vergehe ganz von selbst, und das liege das daran, dass sich die Konzentration der Tanzenden voll und ganz auf die Schrittfolge fokussiere. Doch das Lachen weiche einer umfassenden Glückseligkeit.