Als die ganze Meute Zweitklässler der Grundschule in Maroldsweisach (Lkr. Haßberge) jüngst loszog, Richtung Schullandheim Hobbach, waren viele Eltern und Lehrer sicher, dass die Kinder Spaß haben würden. Dass es ihnen indes gelingen würde, in den wenigen Tagen schwimmen zu lernen, nein, das mochte niemand so recht glauben.
26 der 36 Zweitklässler konnten bis zur Abfahrt in das Landschulheim im Landkreis Miltenberg nicht schwimmen. Jetzt hat niemand in den beiden Grundschulklassen mehr Angst vor tiefem Wasser und 23 der einstigen Nichtschwimmer konnten sich schon nach drei Tagen und zehn Unterrichtseinheiten sicher im Wasser fortbewegen. „Das ist unglaublich“, staunen alle, die davon hören, oder die von der treibenden Kraft für dieses bayernweite Pilotprojekt, Uwe Mitlöhner, Fachberater Sport bei der Regierung von Unterfranken, das Video aus dem Schullandheim gezeigt bekommen.
Im Lehrplan fest verankert
„Das Problem des Nichtschwimmenkönnens ist ein globales Problem“, sagt Mitlöhner. „Eltern sagen immer häufiger, das ist nicht wichtig, ob mein Kind schwimmen kann. Das ist erschreckend und zeugt nicht von Fürsorglichkeit.“ Schulen könnten das Problem nicht alleine lösen. Aber, und das ist Mitlöhner wichtig, sie können Zeichen setzen. „Schwimmen ist im Lehrplan fest verankert, die meisten Grundschulen fangen in der dritten Klasse damit an.“ Die Schulleitungen seien angehalten, den Unterricht zu ermöglichen.
Je nach Landkreis sieht es in Unterfranken ganz unterschiedlich mit der Umsetzung des Schulsportfachs Schwimmen aus. Während im Landkreis Kitzingen von 17 Grundschulen 17 auch Schwimmunterricht anbieten, ist der Landkreis Main-Spessart mit Abstand Schlusslicht: von 33 Schulen machen das gerade mal elf, im Landkreis Würzburg sind es mit 15 von 31 Schulen nur knapp die Hälfte.
Insgesamt, so hat Uwe Mitlöhner ermittelt, erteilen von den 258 Grundschulen in Unterfranken 190 Schwimmunterricht, das sind 74 Prozent. 42 Schulen sagen, sie hätten kein Hallenbad vor Ort, 37 Schulen, sie haben ein Bad, aber zu wenig qualifizierte Begleitmöglichkeiten.
Genau dort setzt die Arbeit Mitlöhners an. „Unser Vorteil in Bayern ist die gute Vernetzung zwischen Kultusministerium, der Landesstelle Schulsport und den Referenten in der Bezirksregierung, die die Anliegen schnell in die Schulen tragen können“, sagt Mitlöhner.
Zappeln, Strampeln, Stoßen – im Hobbacher Bad war alles erlaubt. Die Vorschwimm-Arten heißen Raddampfer oder Hubschrauber. Die korrekte Anwendung eines Schwimmstiles spielt erst einmal überhaupt keine Rolle.
„Die Kinder machen zum Beispiel die Armbewegung des Brustschwimmens und den Beinschlag des Kraulens dazu“, sagt Mitlöhner. Entscheidend sei es, die Grobformen des Schwimmens irgendwie zu koordinieren. Und ganz wichtig: den Kindern Sicherheit und Vertrauen im Wasser zu geben.
In vier Kleingruppen, die von den Schwimmlehrern der Grundschule und zusätzlich einer Rektorin im Ruhestand, sowie den im Projekt „Schwimmfix“ erfahrenen Lehrer Andreas Singer, Fachberater Sport beim Staatlichen Schulamt im Landkreis Miltenberg, geleitet wurden, näherten sich die Kinder Schritt für Schritt ihrem großen Ziel.
Unterfränkische Pilotschulen
Das Projekt „Schwimmfix“, das im Institut für Sport in Heidelberg schon 2006 entwickelt wurde, wird schon länger in den unterfränkischen Pilotschulen in Aschaffenburg, Gerbrunn (Lkr. Würzburg), Faulbach (Lkr. Miltenberg), Iphofen (Lkr. Kitzingen), Knetzgau (Lkr. Haßberge) und Schweinfurt praktiziert, mit dem Ergebnis, das dort von 109 Nichtschwimmern nun 94 Kinder sicher schwimmen können.
Die Idee, dieses Projekt in den Schullandheim-Aufenthalt zu integrieren, sei bei vielen zunächst auf Skepsis gestoßen, sagt Uwe Mitlöhner, der sich dadurch aber nicht beirren ließ und zusammen mit Rudolf Suttner, Vorsitzender des Schullandheimwerkes Bayern, die Idee weiter entwickelte. Denn eines war klar: Das Wichtigste bei einem Schullandheim-Aufenthalt ist der Gemeinschaftsgedanke.
„Deshalb durften die Kinder, die schwimmen können, in Hobbach spannende Wasser-Experimente machen, die sie dann den anderen vorstellten.“
Nun will der Fachberater das Konzept in die Fläche tragen und nach geeigneten Schullandheim-Standorten bayernweit Ausschau halten. „Wenn es uns gelingt, in dieser Altersgruppe derartige Erfolge zu erzielen, dann hat der Schwimmunterricht in der Grundschule eine ganz andere Qualität“, sagt Mitlöhner. Schüler und Lehrer könnten davon gleichermaßen profitieren.