Schon wieder so ein genialer Musikabend: Das Open-Air in Eyrichshof bei Ebern scheint fast wie eine unendliche Geschichte zu sein. Mit „Niedeckens BAP“ stand am Freitagabend eine der erfolgreichsten deutschsprachigen Rockbands auf der Bühne.
1976 startete die Erfolgsgeschichte von Sänger, Texter und Komponist Wolfgang Niedecken (65) mit seiner Gruppe und seinem Kölschdeutsch-Dialekt. Und die zahllosen Fans, die er sich seither erobert hat, sind ausgesprochen treu. Sie kennen und singen jede Textzeile mit. Die Neulinge hingegen verstanden am Freitag erst mal nur „Bahnhof“ und hatten trotzdem einen fetzigen dreistündigen Rockabend.
Per Google Earth schon mal „vorgereist“
Niedecken selbst hat?s auch gefallen: „Auf Google Earth bin ich ja schon mal vorgereist“, verriet der Frontman von BAP gleich zu Beginn des Konzerts. „Und ich muss sagen, es schaut ja noch besser aus als auf Google Earth.“ Und wie war sein Eindruck wenig später? „Es ist so schön hier, das muss man erst einmal verarbeiten. Überall ist scheiß Wetter, nur in Eyrichshof ist es schön.“
Ja stimmt. Petrus hat an diesem Abend auch einen guten Job gemacht. Der sternenklare Himmel zauberte dieser lauen Sommernacht im Schlosshof in Eyrichshof eine ganz besondere Atmosphäre. „Ein sehr romantisches Völkchen, ihr Eberner“, konnte Niedecken feststellen.
„Verdamp lang her“
Als ob diese inspirierende Dunkelheit einfach ein Muss sei bei einem Open-Air. Denn je später der Abend, desto besser die Laune der Konzertbesucher.
Erst nach einigen Songs und Aufforderungen von BAP verließen auch die Gemütlicheren ihren ergatterten Sitzplatz und erinnerten sich mit „Verdamp lang her“ an ihren letzten Abend, an dem sie so richtig Spaß hatten mit der Kölschrock-Band. Direkt vor der Bühne hingegen waren bei dieser Show die Stehplätze von Anfang an ein Renner.
Die Songs von Niedeckens BAP sind geprägt von Bob Dylan, den Rolling Stones und sogar von Wolfgang Ambros, der am Vorabend in Eyrichshof auf der Bühne stand. „Den Bob haben sie nicht gespielt“, musste eine Konzertbesucherin mit einem Hauch von Enttäuschung nach dem Konzert feststellen.
Immer noch brandaktuell
Obwohl Niedecken doch – bevor er seinen allerersten BAP-Song als Student mit Liebeskummer, einer Flasche billigem Lambrusco und zwei Akkorden auf die Beine stellte – nur diesen US-Amerikaner gecovert hatte. Dafür waren zig andere der beliebtesten Lieder mit auf der Playlist: „Herrjott“, „Liebesleeder“, „Vollkasko“ und „Kristallnaach“ – 34 Jahre alt, aber immer noch brandaktuell.
Dass Kölschdeutsch auch in Franken als Sprache anerkannt ist, bewies dieser Abend mit BAP beim Open-Air in Eyrichshof ohne Zweifel. Ein textsicheres Publikum, das theoretisch auch ohne Leadsänger den Abend bestritten hätte.
Die wilden Jahre der Fans
Aber mit ihm war es doch viel schöner, die Lieder aus den wilden Jahren zu grölen. So mancher entdeckte sein Talent für die nationale Fremdsprache. Niedecken war die Differenz des Vokabulars durchaus bewusst: „Seit über 30 Jahren singt ihr treu in einer Sprache, die gar nicht eure ist. Respekt!“
René Kirchner
97616 Bad Neustadt/Saale