Alpenrock in den Haßbergen? Nicht unglaublich, sondern wahrhaftig: Am Donnerstag stand der österreichische Musiker Wolfgang Ambros mit dem Musical „Der Watzmann ruft“ beim Open Air im Schlosshof in Eyrichshof auf der Bühne.
Eine der letzten Chancen, Österreichs bekanntestes Alpen-Musical live zu erleben. Denn Wolfgang Ambros, sein „liebster Freund“ Joesi Prokopetz und all die anderen Kollegen sind in diesem Jahr auf Abschiedstournee. Danach ist Schluss mit der Singerei um den Felsbrocken, der alle ins Verderben stürzt. 1700 Besucher erlebten die Geschichte, in dem ein deutscher Berg die Hauptrolle spielt, in Eyrichshof mit.
Schwarze Wolken
Die Handlung des Dramas, das unter Experten auch als alpenländisches Pendant zur Rocky-Horror-Picture-Show gehandelt wird, ist eigentlich in wenigen Sätzen erzählt: Schwarze Wolken ziehen auf über dem Nachthimmel des Dorfes am Fuße des Watzmanns – finster und bedrohlich, gepeitscht von heftigen Stürmen. Die Knechte des kleinen Bergbauernhofes wissen sofort, dass es sich nicht einfach um ein normales Gewitter handelt. Es ist der Ruf des Bergs. Der verfluchte Watzmann geht um und sucht sich ein neues Opfer.
Die Dorfbewohner haben eine unheimliche, nicht greifbare Angst vor dem Berg. Der Berg nämlich versucht sie zu locken, ihn zu besteigen. Wer der Verlockung erliegt, läuft Gefahr, sein Leben zu verlieren: „Der Berg, der kennt koa Einsehn nit.“ Wer den alten Bauern (Joesi Prokopetz) und seinen vorlauten Sohn (Christoph Fälbl) am Mittagstisch streiten sieht, der ahnt schon, auf wen es der Watzmann diesmal abgesehen hat.
Das Grollen der Donner gilt dem Bua des Bauern. Er versucht den Watzmann zu erklimmen und stürzt dabei ab. Doch bevor es in Eyrichshof dazu kam, erlebten das Publikum – teils stilecht mit Dirndl und Lederhose geschmückt – eine großartige Show vor einem spektakulären Bühnenbild.
Zauber mit Beleuchtungstechnik
Natürlich wirkt der Watzmann mit seinen 2713 Höhenmetern auf der Bühne der Luisenburg-Festspiele in Wunsiedel durch seine plastische Darstellung um einiges fulminanter. Mit Hilfe der Beleuchtungstechnik konnte in den Schlosshof der Familie von Rotenhan Annäherndes gezaubert werden.
Frauen mit entblößten Brüsten, laufende Misthaufen und authentische und ständig betende Weibsbilder aus dem Dorf legten zudem das Tüpfelchen auf das I in Sachen Maskerade. Und worin steckt sonst noch die Faszination des Stücks, dessen Platte bis heute mehr als 250 000 Mal verkauft wurde und damit eine der erfolgreichsten Aufnahmen der österreichischen Musikszene ist?
Übrigens hatte sich diesen Erfolg keiner der Autoren und Darsteller träumen lassen, als sie im Jahr 1972 aus einer Schnapsidee heraus ein „Rustikal“ zwischen dem Berg und dem Menschen entwickelten. Über Nacht wurde das Ding zum Kultstück und ist es bis heute geblieben. Wolfgang Ambros ist in der Geschichte vom Watzmann nicht nur Macher, sondern auch Sänger und Erzähler. Gebeutelt durch eine schwere Operation am Rücken im Jahr 2014, holte er sich mit Willenskraft und Optimismus seine Gesundheit zurück und versucht, seinen Hauch von Schwachheit auf der Bühne gekonnt zu überspielen. Wie eine Berg eben, ohne Hemmungen.
Ein Ambros, der auf der Bühne steht, den Vogel zeigt und „Meine Fresse!“ ruft, war live in Eyrichshof zu erleben. Denn hat er es doch tatsächlich vergessen, neben all den Darstellern, seine Band „Die No.1 vom Wienerwald“, vorzustellen. Diese Panne, wie auch der Ausfall des Mikrofons und des Textes von Christoph Fälbl wurde wunderbar unbemerkt vom Watzmann-Team gemeistert. Herrlich menschlich und unterhaltsam.
Nach wie vor aktuell
An Aktualität hat dieses Stück indes seit 1976 überhaupt nichts einbüßen müssen. Es ging unter anderem ums Rauchen, Passwörter, Mobiltelefone, freizügige Sexualität und natürlich, wie seit Anfang an, auch um die Gailtalerin (Klaus Eberhartinger). Der vollbusige Alpentransvestit mit strohblondem Haar kannte auch in Eyrichshof jedes Mannsbild im Publikum.
Ein verführerisches Ding, das dem Bauers Bua sexuelle Versprechungen machte, wenn er für ihn den Berg bezwingt. Ein beispielloser Charakter in der Realität, doch im Spiel erreicht er die volle Punktzahl. Besser geht es nicht. „Zum letzten Mal sind wir in dieser Runde zusammen“, betonte Wolfgang Ambros mit etwas Melancholie in Gesicht und Stimme in Eyrichshof auf der Bühne.
Die noch aktiven Autoren der Originalversion – Wolfgang Ambros und Joesi Prokopetz, Manfred O. Tauchen ist nicht mehr mit dabei – sowie die Watzmannschaft der Mägde und Knechte verabschiedete sich mitten auf dem Schlosshof in Eyrichshof nach einer zweieinhalbstündigen Show mit dem Mega-Hit „Schifoan“.
Die Groupies kamen ohne Halt vor zur Bühne gestürmt. So ist es eben: Jeder wird irgendwann und irgendwo von irgendjemanden geholt: „Und wann die Zeit kommt, nachad hol?d da di, da Watzmann….Hollaröhdulliöh!“