
Es ist ein Nachbarschaftsstreit, der im Juli vergangenen Jahres seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht haben soll: Nichtsahnend fuhr ein damals 41-Jähriger an einem Samstagmorgen mit seinem Fahrrad auf einem Flurweg im Maintal zu seiner Arbeitsstelle. Als er einen Fußgänger überholte, der mit seinem Hund Gassi ging, soll ihn plötzlich ein Schlag auf dem Unterarm getroffen haben. So gab es der Geschädigte jüngst am Amtsgericht Haßfurt zu Protokoll.
Als er sich umdrehte, erkannte er seinen Nachbarn, der mit der Hundeleine zugeschlagen und ihn zudem unflätig beschimpft haben soll. Der mutmaßliche Schlag mit der Hundeleine hatte auf seinem Unterarm eine Spur hinterlassen: "Es hat gepfitzt und war rot", so der heute 42-Jährige vor dem Richter.
Einspruch gegen Strafbefehl eingelegt
Am nächsten Tag folgte die nächste unliebsame Begegnung mit dem Nachbarn. Als die Frau des 42-Jährigen morgens mit ihrer sechsjährigen Tochter auf der Terrasse saß, soll der Nachbar über die Gartenhecke hinweg lautstark gedroht haben, ihrem Mann alle Knochen zu brechen. Die Frau fuhr sofort zur Polizei, um Anzeige zu erstatten. In der Folge erhielt der 58-jährige Nachbar einen Strafbefehl über 6000 Euro, gegen den er Einspruch einlegte. Daher musste er sich am Mittwoch am Amtsgericht wegen gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung und Bedrohung verantworten.
Verteidiger Alexander Wessel erklärte, dass sein Mandant die Vorwürfe bestreite. Der Geschädigte aber wiederholte im Zeugenstand den Vorwurf. Er sei langsamer gefahren, da der Hund des Nachbarn frei herumlief. Beim Vorbeifahren habe der 58-Jährige ohne Anlass mit der Hundeleine zugeschlagen. Er sei schon des Öfteren von ihm beschimpft worden. Leider habe er damals kein Beweisfoto von den Striemen auf seinem Unterarm gemacht. Die seien rund zwei Stunden später wieder weg gewesen.
Nachbarschaftsstreit belastet Ehefrau
Unter Tränen sagte die Ehefrau aus. Seit Jahren schwele ein Streit mit dem Nachbarn. Der sei "böse, unfreundlich" und drohe ständig mit dem Anwalt. Die Situation sei unerträglich und belastend für sie. Sie habe auch Angst um ihre Tochter, da der Hund des Nachbarn öfters frei herumlaufe.
Auslöser der Streitigkeiten ist nach Angaben des Geschädigten eine Hecke zwischen den benachbarten Grundstücken. Die sei zu breit und zu hoch und werde zu selten geschnitten, habe der Nachbar immer wieder moniert, auch per Anwalt. Eine Schlichtung habe ergeben, dass die Hecke nicht zu beanstanden sei, sagte der 42-Jährige.
Im Gespräch mit einem Polizeibeamten wies der nicht vorbestrafte Angeklagte die Vorwürfe zurück und drehte den Spieß um. Er selbst sei von seinem Nachbarn beschimpft worden. Zudem habe er weder mit der Leine geschlagen, noch die Nachbarin bedroht.
Am Ende steht Aussage gegen Aussage
Der Vorsitzende Richter Patrick Keller bemängelte die Ermittlungsarbeit der Polizei. Es liege kein Foto des vermeintlichen Tatwerkzeugs, der Hundeleine, vor. Aussage stehe daher gegen Aussage. Die Verletzung sei schwierig nachzuweisen.
Um kein zusätzliches Öl ins Feuer zu gießen, schlug er eine Einstellung des Verfahrens vor, der sowohl der Staatsanwalt als auch der Verteidiger und der Angeklagte zustimmten. Als Auflage muss der Beschuldigte 750 Euro an das Erich-Kästner-Kinderdorf bezahlen. "Sie sind jetzt vorgemerkt bei der Staatsanwaltschaft", warnte Keller und empfahl dem Angeklagten, erst den Balken aus seinem eigenen Auge zu ziehen, bevor er den Splitter im Auge des Nachbarn bemängele.
Wie bitte?