Wo alle Menschen spüren, der Friede wohnet dort. So heißt es an einer Stelle des „Sailershäuser Liedes“, das im letzten Jahrhundert von einem Ortsansässigen komponiert wurde und seitdem regelmäßig bei Faschingssitzungen gesungen wird. Mit dem Frieden war es jedoch am Abend des dritten Adventssonntags erst einmal vorbei. Ein Brand im Dachgeschoss des Anwesens der Eheleute Rainer Gerber und Christine Hildebrandt sorgte für einen Großeinsatz von Feuerwehren und Rettungskräften. 226 Einsatzkräfte waren laut Einsatzleitung in dem Dorf mit 222 Einwohnern vor Ort, darunter 182 Feuerwehrleute.
Die ungünstige Hanglage, die besondere Gebäudeisolierung aus Hanf und Hohlräumen, in die sich das Feuer immer wieder hineinfraß, während es sich auf das zweite Gebäude ausweitete, bescherten einen langwierigen Einsatz, der bis weit nach Mitternacht dauerte. 80 000 bis 100 000 Liter Löschwasser wurden eingesetzt, meint Rainer Gerber, der am Donnerstag den Reporter bereitwillig durch sein Haus führt, das teilweise schon im 17. Jahrhundert errichtet wurde und welches er seit 1993 in Eigenleistung nach und nach renovierte.
Die Ursache für den Brand scheint nun festzustehen, nachdem Gutachter eine Brandstiftung ausgeschlossen haben: Gerber zeigt Reste eines verkohlten Wespennests, das sich unter dem Dach befand. Er vermutet, dass Reste von Honig im Wespennest Mäuse anlockten, die auf dem Weg zum Honig ein Elektrokabel durchbissen und so den Brand verursachten. Zwei Zentimeter hoch sei das Wasser in seiner Küche gestanden, berichtet Gerber und zeigt auf die Wand, wo das Löschwasser zusammen mit der Asche ein Muster auf der Tapete hinterlassen hat. Ob das Haus noch zu retten ist, muss ein Baugutachter entscheiden.
Große Wohnung in Aussicht
Dass – wie im „Sailershäuser Lied“ beschrieben – wieder Frieden eingezogen ist, daran hat die überwältigende Hilfsbereitschaft der Dorfgemeinschaft einen großen Anteil. Zehn bis 15 Helfer seien sofort da gewesen, um das Dach wieder einzudecken, sagt Gerber. Er und seine Frau fanden Unterschlupf im Haus von Volker Ortloff, der dem „ausgebrannten“ Ehepaar ein Zimmer in seinem Haus zur Verfügung stellte. Das Paar hat vier bereits erwachsene Kinder, die sich am Unglückstag nicht im Haus aufhielten. Zur großen Überraschung wird unkompliziert sogar im Dorf eine ausreichend große Wohnung in Aussicht gestellt, in der bereits in der laufenden Woche die ersten „geretteten“ Möbel aufgestellt werden können.
Eine Nachbarin kommt auf die Ehefrau zu und sagt sinngemäß: „Gebt mir mal einen ersten Korb Wäsche. Ich möchte jetzt mal anfangen, Eure Klamotten wieder sauber zu kriegen.“ Alles Waschbare wird im Dorf dankbar verteilt und gut riechend in einem Korb wieder vorbeigebracht. Um Folgeschäden am Haus zu minimieren, muss ein Gerüst her. Durch die Feuerwehr sind große Stellen des Daches aufgrund der Löscharbeiten entstanden, in die der Regen weiter eindringt. Kein Problem, das Gerüst steht bis Dienstag Mittag.
Ein Bewohner im Neubaugebiet hat jede Menge Ausrüstung für Rohbauten. Mit Sprießen werden unter seiner Anleitung die Decken gestützt. Sein Material für das Gerüst reicht zur Vorbereitung der Dacharbeiten. Am Nachmittag rücken Dachdecker und Zimmerer an und flicken in wenigen Stunden die erste Dachhälfte. Bis Mittwoch Mittag ist geplant die zweite Hälfte des Haupthauses wieder wasserdicht zu bekommen.
Ein Hefezopf für die Seele
Zwischendurch steht plötzlich ein großer, frisch gebackenen Hefezopf auf dem Tisch. Anbei ein Zettel mit der Aufschrift: „Ein Zopf für die Seele…, ich melde mich wieder…“. Ein Bewohner des Dorfes hat diesen mal schnell vorbeigebracht. Das Gebäck hat den Nachmittag nicht überstanden.
Die Sailershäuser Wanderstube wird zur Brotzeitstube für alle Helfer. Am Abend des ersten Aufräumtages gibt es Spießbraten mit Kartoffelsalat. Dort wird auch darüber gesprochen, wer sich um eine Einrichtung in der neuen Wohnung kümmert. Es wird entschieden, dass per WhatsApp Vorschläge über Kücheneinrichtungen usw. gesendet werden. Die betroffene Familie muss nur zustimmen, um den Rest kümmern sich andere.
Hilfe einfach annehmen
Rainer Gerber und seine Frau Christine erleben in dieser Woche vor Weihnachten, in der viele Menschen eigentlich andere Pläne hatten, eine beispiellose und ungeplante Hilfestellung innerhalb des Dorfes. So viele Helfer und unkomplizierte Unterstützung scheinen nicht selbstverständlich. Alt und Jung helfen zusammen. Brüder, die sich „spinnefeind“ sind, bringen sich gemeinsam zugunsten der betroffenen Familie grandios ein. „Unsere Dorfgemeinschaft und unser nachbarschaftliches Zusammenleben war bis heute schon klasse. Diese Ausnahmesituation schweißt uns aber noch einmal enger zusammen“ meint Volker Ortloff und sagte weiter: „Die angebotene Hilfe darf und muss manchmal auch einfach angenommen werden. In Sailershausen ist der Refrain unseres Liedes in dieser Woche wahr geworden!“