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Haßfurt
Amtsgericht Haßfurt: Richter honoriert "kalten Entzug" mit Bewährung
Dass seine vermeintliche Tochter gar nicht seine Tochter ist, warf den Arbeiter aus der Bahn. Er rutschte tief in den Drogensumpf. Wie er dem Gefängnis gerade noch entkam.
Martin Schweiger
 |  aktualisiert: 09.02.2024 12:13 Uhr

Bis zu seinem 26. Lebensjahr lebte ein heute 37-jähriger Arbeiter aus dem Maintal drogenfrei. Mit seiner damaligen Freundin hatte er ein gemeinsames Kind. Als das Paar sich trennte, lebte die kleine Tochter bei ihrem Vater. Dem kamen jedoch Zweifel an seiner Vaterschaft. Ein negativer Vaterschaftstest brachte ans Licht, dass ein anderer Mann der Erzeuger seiner vermeintlichen Tochter ist.

Dieser Moment warf den 26-Jährigen aus der Bahn. Mit allen Arten von Drogen versuchte er, über den Schicksalsschlag hinwegzukommen. Darüber hinaus beging er Straftaten quer durch das Strafgesetzbuch. Sechs Vorstrafen stehen in seinem Sündenregister – vom Drogendelikt, Bedrohung und Sachbeschädigung bis hin zu unerlaubtem Waffenbesitz, Sozial- und Verkehrsdelikten bis hin zum Diebstahl. Am Mittwoch saß er erneut auf der Anklagebank des Amtsgerichts Haßfurt, das ihn wegen eines Drogengeschäfts zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilte.

Der Angeklagte gab das Vergehen zu

Im April vergangenen Jahres hatte der Angeklagte einer Bekannten in Sand am Main vier Gramm Amphetamin ("Speed") verkauft. Die Käuferin hatte der Polizei gesagt, dass die Ware vom Angeklagten stammt.

Der gab dies vor Gericht freimütig zu. Er habe damals eine "extreme Suchtzeit" durchlebt. Er habe alles Mögliche ausprobiert und sei abhängig von Speed gewesen. Gleichzeitig habe er viel Alkohol getrunken.

Freiwilliger, kalter Entzug bei der Freundin

Er habe jedoch eine sechsmonatige Therapie im März dieses Jahres erfolgreich beendet. Er habe sich hierfür zwei Wochen lang in die Wohnung seiner jetzigen Frau eingeschlossen, um einen kalten Entzug durchzuziehen. Auf seiner Arbeitsstelle sei er kurz vor der Kündigung gestanden, da er durch den Speed-Konsum fünf Tage lang wach gewesen und danach während der Arbeit eingeschlafen sei.

Für den Angeklagten ging es vor Gericht um Knast oder nochmaliger Bewährung. Denn im Jahr 2019 wurde er wegen Diebstahls zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Der Staatsanwalt bezeichnete daher den Angeklagten als Bewährungsversager, da die angeklagte Tat innerhalb der Bewährungszeit stattfand. Zudem sei die Beziehung zu seiner jetzigen Frau, die bei Berlin wohnt, unsicher, was in seinen Augen gegen eine positive Sozialprognose spreche. Der Anklagevertreter forderte daher eine achtmonatige Freiheitsstrafe ohne Bewährung.

Verteidiger hat einen solchen Mandanten noch nie erlebt

Von diesem Plädoyer zeigte sich Verteidiger Alexander Wessel "irritiert". Er zweifelte an der Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin, die nicht zur Verhandlung erschienen war, wo sie als Zeugin aussagen sollte. Das Geständnis seines Mandanten sei daher viel wert, sagte der Anwalt. Zudem habe er noch nie einen Mandanten vertreten, der freiwillig einen kalten Entzug gemacht habe, um eine Therapie antreten zu können. Zudem halte der Arbeitgeber des Angeklagten zu ihm und habe ihn weiter beschäftigt.

Wessel plädierte daher auf eine sechsmonatige Bewährungsstrafe, die der Vorsitzende Richter Christoph Gillot so übernahm. Als Auflage muss der Verurteilte 1200 Euro an den "Bund gegen Alkohol und Drogen" bezahlen und die Finger von Drogen lassen.

 
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