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Bamberg
20 Kilometer schlafend auf A70 gefahren? Amtsgericht Bamberg verhängt Geldbuße und Punkt gegen Tesla-Fahrer
Dem Mann wird vorgeworfen, die Technik seines Pkw manipuliert zu haben. Eine Zivilstreife brauchte lange Zeit, bis sie den Wagen stoppen konnte.
In Bamberg musste sich ein Autofahrer vor Gericht verantworten, der am Steuer seines Fahrzeugs geschlafen haben soll und den die Polizei deshalb nur schwer stoppen konnte. (Symbolbild)
Foto: Marcus Brandt, dpa | In Bamberg musste sich ein Autofahrer vor Gericht verantworten, der am Steuer seines Fahrzeugs geschlafen haben soll und den die Polizei deshalb nur schwer stoppen konnte. (Symbolbild)
Udo Güldner
 |  aktualisiert: 02.03.2024 02:49 Uhr

Es soll eine normale Verkehrskontrolle werden. Auf der unterfränkischen Seite des Autobahn-Tunnels "Schwarzer Berg" warten an einem Dezembertag 2022 zwei Polizisten auf "Kundschaft". Was dann passiert, schildert einer von ihnen als Zeuge am Amtsgericht Bamberg. Etwa um halb Zwölf taucht ein Tesla auf. Die Zivilstreife der Verkehrspolizei Bamberg fährt hinterher. Auf Höhe von Viereth-Trunstadt geben sie sich zu erkennen und fordern den Fahrer auf, ihnen zu folgen. Doch der Tesla-Fahrer lässt sich nicht beeindrucken. Die Beamten versuchen ihr Glück noch einmal auf Höhe Bamberg-Hafen. Wieder passiert nichts.

Polizei denkt zunächst an einen medizinischen Notfall

Als sie sich neben und etwas versetzt auch schräg vor den Tesla Modell 3 setzen, glaubt der Polizist seinen Augen nicht zu trauen. "Es war offensichtlich, dass der Fahrzeugführer das Fahrzeug gerade nicht führt". Der Fahrer habe die Augen zu und die Hände nicht am Lenkrad gehabt. "Da wird einem ganz anders", sagte der Polizeibeamte im Zeugenstand. Panik sei ausgebrochen, sie hätten Angst gehabt, es könnte sich um einen medizinischen Notfall handeln. Über Funk ruft die Streifenbesatzung nach Verstärkung.

Der Streifenbeamte zieht daraufhin alle Register. Jetzt leuchtet nicht nur die Anzeige im Heck des Einsatzfahrzeugs. Auch das Blaulicht ist in Betrieb. Dazu kommen Lichtsignale und lautes Hupen. Doch der Tesla habe seine Fahrt mit rund 110 Stundenkilometern unbeirrt fortgesetzt, erfahren die Anwesenden im Gerichtssaal. Am Ende sollen es knapp 20 Kilometer auf der A70 gewesen sein.

Erst als das Polizeifahrzeug vor dem Tesla auf die Spur einschert, erfolgt eine Reaktion: Das E-Auto erkennt den viel zu nah gekommenen anderen Wagen und bremst abrupt ab. Erst jetzt folgt der Tesla-Fahrer der Zivilstreife an der Ausfahrt Bamberg auf den Berliner Ring. Als man ihn zur Rede stellt, soll er nur gesagt haben: "Da habe ich wohl geschlafen". Im Fußraum der Edelkarosse liegt ein zweiteiliges Lenkradgewicht. Drogen oder Alkohol hingegen spielen keine Rolle. Das bestätigt das toxikologische Gutachten eines Labors in Bad Salzuflen.

Kfz-Experte erklärt, wie man Bordtechnik manipulieren kann

Wie der Kfz-Sachverständige Wolfgang Weiß aus Burgkunstadt erklärt, kann man mit Hilfe eines Lenkradgewichtes und einer abgeklebten Innenraum-Kamera die Tesla-Sicherungsvorkehrungen überlisten. Der künstliche Ballast am Lenkrad täuscht der Bordtechnik vor, der Fahrer habe seine Hände am Steuer. Die "Hands on"-Warnung unterbleibt. Und die "blinde" Kamera könne nicht melden, dass der Fahrer seine Augen längere Zeit geschlossen hat. Dann rollt der Wagen über die Straße und nutzt die außen eingebauten Kameras, den Spurhalte-Assistenten oder den Tempomat. Ohne die Manipulationen würde der Wagen erst warnen, dann langsamer werden und letztlich zum Stehen kommen.

Tesla-Fahrer lässt über Anwalt sämtliche Vorwürfe bestreiten

Über seinen Verteidiger lässt der Tesla-Fahrer erklären, er habe nicht geschlafen, dann die Polizei nicht wahrgenommen und schließlich geglaubt, es handle sich gar nicht um richtige Beamte. Außerdem habe er weder die Kamera zugeklebt, noch ein Lenkradgewicht eingesetzt. Das Ziel: Freispruch.

Allerdings reichen diese Angaben nicht, um die detaillierte und glaubwürdige Zeugenaussage des Streifenpolizisten zu erschüttern. Vor Strafrichter Thomas Fahr kommt heraus, dass der 46-jährige Tesla-Fahrer aus Köln es mit den Verkehrsregeln nicht immer so genau nimmt. Einmal hatte er innerorts 24 Stundenkilometer zuviel auf dem Tacho, mal war es auf einer Landstraße gleich 53 Stundenkilometer mehr als erlaubt. Die Folge sind schon drei Punkte in Flensburg und Bußgelder von insgesamt 1100 Euro. Mehr noch: Ein Blick ins Vorstrafenregister zeigt, dass der Mann vor neun Jahren am Landgericht Darmstadt wegen Drogenhandels im großen Stil zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden ist.

Richter sieht wesentliche Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit

Am Ende des Ordnungswidrigkeiten-Verfahrens verhängt Richter Fahr eine Geldbuße von 250 Euro und einen Punkt. Er geht davon aus, dass es sich auf Grund der Manipulationen von Lenkrad und Kamera um ein nicht vorschriftsmäßiges Fahrzeug und damit um eine wesentliche Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit handelt.

Außerdem habe der Tesla-Fahrer den Wagen trotz körperlicher oder geistiger Mängel – gemeint sind Übermüdung und/oder Schlaf – gefahren, ohne dafür Sorge getragen zu haben, dass andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet würden. Es ist damit zu rechnen, dass der Tesla-Fahrer Rechtsbeschwerde gegen das Urteil am Oberlandesgericht Bamberg einlegt.

 
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  • Edith Kram
    @GF: In Anbetracht dessen, was für Strafen ausgesprochen werden, wenn bei einem Verkehrsunfall jemand zu Tode kommt, erscheint das Urteil angemessen.

    Betrachtet man sich jedoch den täglichen Straßenverkehr, fällt das Urteil m.E. zu hoch aus.

    Zu hoch auch dann, wenn man sieht, dass das "Nicht freimachen von Rettungswegen", also wenn ein Einsatzfahrzeug mit Blaulicht behindert wird, mit einer Verwarnung abgegolten wird.

    Und dass hierzulande der technische Fortschritt nicht Einzug hält,zeigt folgenden Aussage: "...aus ungeklärter Ursache kam das Fahrzeug in den Gegenverkehr..." (s.u.)

    Wer den kurvigen Abschnitt der A70 bis Bamberg kennt, sollte vor der "Leistung der Technik" den Hut ziehen. Dort fehlerfrei entlang zu fahren, bekommen viele "humanoide" Fahrzeuglenker nicht hin.
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  • Albrecht Schnös
    Im Straßenverkehr sitzen wir nicht am Roulettetisch.
    Es gibt Fahrzeuge mit Freigaben für autonomes Fahren Level 4 oder 5. Die Firma Tesla mit ihren Fahrzeugen hat keine entsprechende Freigaben. Das Aussagen auf X sind für Freigaben nicht relevant. Wer schon mal Nachts bei Regen teilautonom gefahren ist, weiß warum man nicht schlafen sollte.
    P.S. auf der A 70 kann der "kurvige Bereich " auch mit 180 km/h gefahren werden. Die Autobahnauffahrten, der starke LKW Verkehr und die Baustellen sind die relevanten, kritischen Bereiche!
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  • Kai Hofstetter
    Und? Wurde das Fahrzeug beschlagnahmt? Ach so, nein, wir sind ja nicht in der Schweiz...
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  • Gerhard Zwierlein
    Warum eine Kontrolle? Weil er zu langsam gefahren ist? Kein Fahrfehler nichts? Am helllichten Tag. Der Tesla fährt sicherlich besser als die 96jährige Oma und wenn sich die Polizei gleich vor den Tesla gesetzt hätte, hätte der auch sofort angehalten. Der Abstandswarner machts möglich. Wenn das automatische Fahren so gefährlich ist, warum lässt man den so 20km weit fahren? Tatvorwurf? Ohne Fehler gefahren - nur die Polizei hatte am Ende zu wenig Abstand !
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  • Sie haben ein interessantes Rechtsverständnis, Herr Zwierlein. Wer die Fahrzeugtechnik so manipuliert, dass etwas, was aus guten Gründen unterbunden werden soll, nämlich das FAHREN IM SCHLAF, der macht das vorsätzlich. Und Polizeikontrollen (am besten in Form von unauffälliger Zivilpolizei) gibt es auf unseren Autobahnen viel, viel zu wenige. Man kommt sich, wenn man regelmäßig unterwegs ist, teils vor wie im wilden Westen.
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  • Gaby Sillmann
    Wir sind nicht in den USA, wo Polizisten immer einen Anlass für eine Verkehrskontrolle benötigen. Der Fall zeigt doch deutlich, dass vermeintlich „anlasslose“ Kontrollen sinnvoll sind
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  • Gerhard Zwierlein
    "Aus guten Gründen sollte autonomes Fahren verboten sein? " In den USA ist autonomes Fahren in den Bundesländern Kalifornien, Florida, Colombia, Nevada schon seit 2011-2012 erlaubt. Dort gibt es sogar schon seit 2022 Taxizulassungen ! Mehr als 95% der Unfälle gehen auf Fahrfehler zurück.
    Aber warum es mir geht ist, eine Verkehrskontrolle ohne Anlaß! "Die Kundschaft" ist der Bürger, dem man nichts vorwerfen wollte. Einfach so. Aus "Kontrollgründen!" - eine anlasslose Verkehrskontrolle. Erst da wurde bemerkt, dass es um autonomes Fahren geht. Also Kontrolle aus Lust und Willkür!
    --> Aber das sind wir mal gespannt, wie TESLA darauf reagiert, wenn argumentiert wird, es ginge um die Verkehrssicherheit. --- Mein Rechtsverständnis endet bei willkürlichen und anlasslosen Kontrollen von Herren mit Revolver gegenüber der "Kundschaft".
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  • Peter Koch
    Sind sie etwa Rechtsanwalt weil sie ich im deutschen Recht so gut auskennen?
    Egal, ich behaupte, dass uns egal sein kann was in manchen US Staaten gilt.
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  • Gerhard Zwierlein
    es geht um Verkehrsgefährdung ... und zwar um fiktive, weil tatsächlich war es ja keine., sonst wäre das Urteil anders ausgegangen. 20km lang konstant mit 110km pro Std. - mit allen Vorgängen (beschleunigen, abbremsen, überholen, blinken, wieder einordnen - alles fehlerlos - jedenfalls im Bericht auf 20 km!). Durch den Tunnel die vorgeschriebenen 80km - langsamere PKW oder LKW überholt und alles richtig gemacht. Die Polizei ist sein Zeuge. War ja nix. Würde mich nicht überraschen, wenn der noch von TESLA bezahlt worden wäre um mal die Gefährdung gerichtsfest zu machen. So macht man Politik. Und ehrlich: kein Nachweis? kein Handybild, keine Kamera um auf 20km - dauert ja schließlich fast ne Viertelstunde bei 110 (inkl. Verkehr) - das auch zu dokumentieren. Ich hoffe die MainPost berichtet über das Verfahren in der nächsten Instanz. Dem Verfasser ist das Urteil aber wohl selbst etwas merkwürdig. Da muss dann in ein er OWI-Sache noch das Vorstrafenregister ran. Ein böser Bub also!
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  • Albrecht Schnös
    Und dann liest man wieder: ...aus ungeklärter Ursache kam das Fahrzeug in den Gegenverkehr, wo eine junge Mutter mit ihrem Säugling...
    Das Urteil ist ein schlechter Witz! Bei solcher Manipulation und Verantwortungslosigkeit - fast keinen resultierende Konsequenzen.
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  • Peter Koch
    Anscheinend funktionierte hier der Tesla Autopilot wesentlich besser als der Tesla Fahrer. Künstliche Intelligenz als Lebensretter. Ein Witz ist allerdings das Urteil, wie da wohl KI die Gesetzeslage ausgewertet hätte? Vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs hätte die KI wohlgesagt und eine Freiheitsstrafe ausgeprochen.
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  • Gerhard Zwierlein
    Nicht, dass ich mich in ein führerloses Auto setzen möchte. Aber die Verkehrsunfallstatistik, die 95% der Unfälle auf Fahrfehler zurückführt und ein amerikanisches Volk das sich durch TESLA und Co. freiwillig der Gefährdung aussetzt, sprechen da dagegen. Der Richter ist ja vom Fach und weiß sehr wohl, wer mittags 20km ohne JEDE Auffälligkeit und Fehler - kein zu schnell, kein zu dichtes Auffahren, kein drängendes Aufblinken, rechtzeitig überholen (wer kann konstant 110 auf Länge von 20 km fahren ohne, dass er abbremsen (LKW) und überholen muss - das hat der hier alles richtig gemacht, sonst hätten es die "Kontrolleure" berichtet. Dieser Richter hat das Urteil ja auch mit "Sachmängeln": ein so nicht zugelassenes Fahrzeug, aufgrund dessen der Richter eine Gefährdung unterstellt. Die Revisionsinstanz wird das sicherlich klären.
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  • Peter Koch
    Das schreibt Tesla den Nutzern des Autopiloten vor weil so ein Tesla eben nicht für autonomes Fahren freigegeben ist.
    "Bevor der Autopilot aktiviert wird, muss der Fahrer zustimmen, dass er stets das Lenkrad halten wird und während der Nutzung der Funktion die „Kontrolle und Verantwortung für sein Fahrzeug" aufrechterhält. Anschließend wird der Fahrer bei jedem Aktivieren der Autopilot-Funktionalität optisch daran erinnert, „Die Hände am Lenkrad zu behalten"."
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