
Während anderswo die Kirchenbänke leer bleiben, erfährt die Sinnzeit seit über 20 Jahren regen Zulauf. Sinnzeit, das ist nach der Definition ihrer Erfinder der "etwas andere Gottesdienst für Zweifler, Ungläubige und andere gute Christen". Doch am 8. Dezember ist Schluss mit dieser besonderen Gottesdienstform. Die Redaktion hat mit "Sinnzeitgestalter" Johannes Simon, katholischer Pastoralreferent in Haßfurt, über das Wieso und Warum des Endes gesprochen und auf die 22 Jahre seit der ersten Sinnzeit zurückgeblickt.
Johannes Simon: Start war am Sonntag, 8. September 2002, um 18 Uhr in der Hofheimer Pfarrkirche. Seither findet die "Sinnzeit" jeweils am zweiten Sonntag des Monats statt. In den ersten zehn Jahren tatsächlich jeden Monat. Seit 2012 mit zwei Monaten Sommerpause im August und September.
Simon: Letztlich liegt der Startpunkt in einem kollegialen Gespräch mit der damaligen Familienseelsorgerin Monika Schraut. Sie war damals im Dekanat Ebern, ich im Haßfurter tätig. Wir stellten fest, dass zu Kindergottesdiensten immer wieder auch gerne Erwachsene kamen, weil sie da die Sprache und Elemente sehr lebensnah empfunden haben.
Simon: So wurde daraus die Idee, einen Gottesdienst für Erwachsene zu machen, der in anderer Weise die Botschaft buchstabiert und Lebensthemen aufgreift. Daraus entwickelte sich die Sinnzeit als Gottesdienst für Zweifler, Ungläubige und andere gute Christen. Damit machten wir deutlich: Alle sind willkommen. Mit diesem Weitwinkel sind wir seither unabhängig von der Konfession unterwegs.
Simon: Monika Schraut wurde nach zwei Jahren von Hedi Porsch abgelöst. Ihr folgten Patrizia Sormani, Katrin Fuchs und Katrin Schauer. Seit Sommer 2017 gestaltet Elfriede Schneider zusammen mit mir die Sinnzeit. Durchgängige Unterstützung, das will ich hier auf alle Fälle erwähnen, hat mir allzeit meine Familie geschenkt. Die Töchter Lisa und Magdalena während ihren Schulzeiten durch technische und mentale Unterstützung vor Ort und meine Frau Annerose durchgängig konstruktiv kritisch durch die Besprechungen der Entwürfe und die Mitarbeit im Hintergrund sowie das Vortragen der Texte für unterwegs. Und nicht zuletzt Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die ermutigt haben zum Weitermachen und erzählt haben, welche Bedeutung die Sinnzeit für ihr Leben hat. Es war und ist immer ein Geben und Nehmen in der Sinnzeit zwischen den Mitfeiernden und uns als Team.
Simon: Jetzt wird es schwierig bei einem Rückblick über 22 Jahre. Höhepunkte gab es sicher beim fünfjährigen Jubiläum mit Wolfgang Buck in der Klosterkirche Mariaburghausen mit damals über 300 Menschen oder wenn ein Gospelchor gesungen hat. Aber ebenso haben Stefanie Schwab, zahlreiche Bands und Chöre ihren Teil beigetragen, dass Sinnzeit auch musikalisch immer wieder viele Menschen interessiert und zusammengebracht hat. Besonders in Erinnerung ist mir auch ein visuelles Konzert mit Choraphon aus Dresden, die mit Pantomime und Klang damals in Hofheim beeindruckten. Die Gruppe hatte ich damals auf Usedom kennenlernen dürfen. So haben sich auch viele Kontakte ergeben über all die Jahre.
Simon: Die kurze Antwort ist: Es ist jetzt gut. Elfriede Schneider und ich spüren, dass wir trotz aller Begeisterung "die Dinge nicht auf ewig setzen" können. Wir blicken dankbar zurück auf viele Begegnungen, intensive Gottesdienste und herausfordernde und bestärkende Themen all die Jahre. Elfriede ist bereits Rentnerin und mein Rentenbeginn steht Anfang 2026 in Aussicht. Da gilt es sich an diesem Markierungspunkt neu zu sortieren und zu orientieren. So haben wir uns im März entschieden, die Sinnzeit ins Finale zu führen.
Simon: Von uns aus geplant aktuell nicht. Aber wir nehmen natürlich wahr, dass mit der Sinnzeit eine Initialzündung gelungen ist und dieses Format in anderer Weise gecovert und gestaltet wird - in den Haßbergen und anderswo. Das freut uns, denn das bringt Vielfalt für die vielfältigen Lebens-und Glaubensüberzeugungen der Menschen. 2007 haben wir zum Beispiel in diesem Zusammenhang auch einen Förderpreis des Vereins Andere Zeiten in Hamburg erhalten und sind diesen Freundinnen und Freunden dort seither sehr verbunden.

Simon: Eine Nachfolge für dieses mit Sinnzeit bekannte Format ist nicht in Sicht und wohl auch eher schwierig, denn die Sinnzeit hat sehr auch mit den beteiligten Personen gelebt, die sie gestaltet und geprägt haben.
Simon: Weil es uns schon so lange gibt, brauchen wir zwei Mal ein Finale. Scherz. Aber weil es zwei wechselnde Orte gibt, werden wir tatsächlich am 12. Januar 2025 in Ebern und am 9. Februar 2025 in Knetzgau ins Finale gehen. Dazu kommt nach Ebern die Band Variabel mit ihren Songs noch mal und im Umfeld des Valentinstages singt in Knetzgau Sophia Weinberger zusammen mit Tobias Hümpfner. Das sind noch mal zwei Höhepunkte, mit denen wir uns verabschieden.
Simon: Bis dahin gibt es am 10. November 2024 in der Pfarrkirche Ebern noch eine Sinnzeit mit Musik von Sonja Wißmüller und am 8. Dezember 2024 in der Pfarrkirche Knetzgau mit Ralf Hofmann an der Orgel. Am 12. Januar in Ebern und am 9. Februar in Knetzgau ist dann Finale der Sinnzeit.
Simon: Sicher gehören dazu die Sinnzeiten zum Valentinstag oder die Modenschauen mit den jungen Frauen aus Sankt Ludwig oder schon erwähnte musikalische Highlights. Aber ebenso zum Beispiel die Sinnzeit mit Schauspielern aus Sömmersdorf oder dem Akrobatenduo Firlefanz aus Schweinfurt. Dass wir es mit der Sinnzeit zu einem Kapitel in einem Religionsbuch gebracht haben, das war auch ein wunderbares Geschenk.
Simon: Wie vielfältig das Leben ist. Eine pralle Tüte mit Süßem, Köstlichem, aber auch Bitterem und Schwerem. Und dass in dieser Zeit Beziehungen gewachsen sind, die guttun und Mut machen. Berührt hat mich der Anruf der Tochter einer Sinnzeitteilnehmerin. Die Mutter war verstorben und sie hat angefragt, ob ich die Beisetzung übernehmen kann. Das habe ich als besondere Sinnzeit für diese Familie gerne getan.
Simon: Ja, leicht fällt es nicht. Die Sinnzeiten immer am zweiten Sonntag des Monats haben seit 22 Jahren auch ein Stück mein Leben strukturiert und Sinn und Erfüllung geschenkt. Aber alles hat eine Zeit. Es gibt eine Zeit, Projekte zu beginnen und eine, diese zu beenden. Und nachdem mein Ticket der beruflichen Tätigkeit 2026 ausläuft und ich auch noch mindestens zwei weitere Projekte für mich abschließen möchte, fange ich jetzt an das zu lernen. Manchmal muss man etwas aufhören, damit etwas Neues anfangen kann. Das Leben kommt von vorne, singt mein geschätzter Herbert Grönemeyer. Und hier und heute kommen ja noch vier Sinnzeiten auf uns zu. Darauf freue ich mich zusammen mit Elfriede Schneider.