Seit dem Jahr 2014 tobt der Krieg in der Ukraine. Eine Waffenruhe oder sogar Frieden sind nicht in Sicht. Wie unzählige andere Menschen, hat sich Leonid Hurko damals mit seiner Familie nach Deutschland retten wollen. Die fünfköpfige Familie ist, wie berichtet, mittlerweile in Ebern vorbildlich integriert, doch Ruhe konnte sie noch nicht finden. Ihr Antrag auf Asyl wurde abgelehnt, daran hat sich auch durch die Vorsprache beim Verwaltungsgericht Würzburg nichts geändert. Nun hoffen sie auf die Behandlung ihres Schicksals durch die Härtefallkommission.
Im November 2014 wurde Leonid mit seiner Ehefrau Olha und den Kinder Rostic, Seva und Amina vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Wohnung in Ebern im Ludwig-Ganghofer-Weg zugeteilt. Kaum angekommen in seiner „neuen Heimat“, fragte der Vater nach Arbeit. Immer und jeden, den er traf. Nur drei Monate später konnte er im Bauhof der Stadt Ebern als sogenannter Ein-Euro-Jobber in ein neues Berufsleben starten und dem Alttag einen gewissen Halt geben.
Seine Hartnäckigkeit, sein Engagement und seine vielfältige Kompetenz mündeten im August 2016 in einen regulären Arbeitsvertrag. Selbst der Landtagsabgeordneter Steffen Vogel (CSU) gratulierte dem heute 34-Jährigen zu diesem Erfolg.
Was die drei Kinder an deutscher Sprache spielend in Kindergarten und Schule lernten, paukten Leonid und Olha so nebenbei mit Vokabelkarten. Einen Deutschkurs haben die beiden nicht besucht. Ihnen war es von Beginn an wichtig, auf eigenen Beinen zu stehen und sich selbst um den „eigenen Broterwerb zu kümmern“, erzählt Christian Raehse, Leiter des Eberner Bauhofs und mittlerweile sehr guter Freund der Familie Hurko.
Olha arbeitet bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Ebern mit und hätte im September vergangenen Jahres eine Ausbildung zur Hauswirtschafterin beginnen können. Doch dazu fehlt bis heute die Erlaubnis der Zentralen Ausländerbehörde in Schweinfurt, die sich wiederum auf die Ablehnung des Asylantrags und die Aufforderung zur Ausreise, die der Familie im März 2017 zugestellt wurde, bezieht.
Binnen 30 Tage hätte die Familie Ebern und Deutschland verlassen müssen, um eine Abschiebung zu verhindern. Doch sie waren in Ebern schon zu verwurzelt, zu sehr integriert und zu engagiert, als dass Christian Raehse das für gerecht gehalten hätte; er empfand dies als falsches Signal. Dem Ablehnungsbescheid wurde widersprochen.
Raehse wandte sich an Bundes- und Landtagsabgeordnete, Kommunalpolitiker und verschiedene Flüchtlingsorganisationen. Am 22. November 2017 wurde die fünfköpfige Familie vor das Verwaltungsgericht Würzburg zu einer erneuten Anhörung geladen. Seither fragen die Kinder sehr viel. Was passiert, wenn die Familie wirklich wieder zurück in die Ukraine muss, weiß Papa Leonid nicht. Seine Kinder kennen nur den Frieden. In der Ukraine wächst gerade eine Kindergeneration heran, die nur den Krieg kennt.
„Leonid hat in Deutschland Asyl beantragt, weil er aufgrund von Angst um Leib und Leben keinen Wehrdienst leisten kann“, erklärt Christian Raehse, „allein um diese Tatsache ging es bei der Anhörung in Würzburg.“ Dass dies an sich keine asylrelevante Tatsache ist, war Christian Raehse und auch Leonid klar. „Kurz nach der Anhörung kam auch die Ablehnung aus Würzburg. Es wurden gewissen Fakten angezweifelt und auch eine geschmälerte wahrnehmbare Kriegssituation in der Ukraine dargestellt“, so Raehse.
Der Antrag auf nochmalige Kontrolle wurde gestellt. „Mit jedem Widerspruch kommt es zur Einzelfallprüfung, die es laut Gesetzgeber ja nicht geben soll“, empfindet Christian Raehse und hofft, dass es letztendlich nun wirklich eine Einzelfallentscheidung für die Familie Hurko gibt.
Diese könnte bei der Härtefallkommission zustande kommen, die beim Bayerischen Staatsministerium des Inneren, für Verkehr und Bau angesiedelt ist. Der Kommission gehören Vertreter der katholischen und evangelischen Kirchen, der Freien Wohlfahrtspflege, der kommunalen Spitzenverbände und des Staatsministeriums an. „Hier könnte das Gesamtpaket beurteilt werden. Die Integrationsleistungen, die Sprache und der eigene Broterwerb der Familie Hurko“, betont Raehse.
Die Unterlagen dazu bereitet die Familie gerade vor. Empfehlungs- und Unterstützungsschreiben bekommen sie von Kindergarten, Grund- und Mittelschule, von der AWO und der Stadt Ebern. Auch Nachbarn und Freunde aus dem Ludwig-Ganghofer-Weg und dem Unteren Steinberg, wo die Familie seit September wohnt, stellen den Hurkos ein einmaliges Zeugnis in Sachen Integration aus und hoffen, die Hurkos nichts zu verlieren.
„Danach sind alle möglichen rechtliche Wege ausgeschöpft“, weiß Christian Raehse, der sich unzählige Stunden in seiner Freizeit mit Leonid und dessen Fall beschäftigt hat. Allein die Genehmigung zur Ausbildung für die Mutter Olha durch die Zentrale Ausländerbehörde in Schweinfurt könnte unter Umständen „alles andere positiv beeinflussen“, meint Raehse.
Mehr als drei Jahre wohnt Leonid mit seiner Frau und den drei Kindern schon in Ebern. Müssten sie am Ende wieder zurück in die kriegsgebeutelte Heimat, dann würden alle Bemühungen der Familie, des Arbeitgebers, des Wohnungsgebers und vieler engagierter Flüchtlingshelfer und Freunde von einem Tag auf den anderen wertlos.