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MAINFRANKEN
Mit der Main-Post durch die Nacht
Zusteller: Sie riechen den ersten Schnee, treffen auf scheue Tiere und Feierlustige: Tausende Zeitungsausträger sind Nacht für Nacht in Mainfranken unterwegs. Melanie Sprott ist eine von ihnen.
Hellwach: Zustellerin Melanie Sprott kann sich keinen schöneren Job vorstellen. „Ich liebe die nächtliche Ruhe“, sagt die 33-Jährige.
Foto: meike rost | Hellwach: Zustellerin Melanie Sprott kann sich keinen schöneren Job vorstellen. „Ich liebe die nächtliche Ruhe“, sagt die 33-Jährige.
Meike Schmid
Meike Schmid
 |  aktualisiert: 07.04.2020 10:37 Uhr

Es ist eiskalt, regnerisch und stockduster – drei gute Gründe, sich noch einmal im Bett umzudrehen. Doch wenn der Zeiger auf der Drei steht, ist Melanie Sprott meist schon seit Stunden auf den Beinen. „Mein Wecker klingelt um halb eins“, sagt die 33-Jährige, wickelt sich den dicken schwarzen Wollschal um den Hals und fügt mit einem überzeugenden Lächeln hinzu: „Ich möchte das gar nicht mehr anders.“

Seit 15 Jahren trägt die Eisingerin Nacht für Nacht rund 400 Zeitungen und Briefe in Mainfranken aus. Ihr Gebiet ist alle paar Tage ein anderes. „Je nachdem, wo Not am Mann ist“, erklärt sie ihren Job als „Springerin“.

In dem weißen Seat mit „Main-Post-Logistik“-Aufschrift tourte Sprott bereits durch den Spessart, Gemünden, Marktheidenfeld oder Randersacker. Heute ist der Startpunkt eine überdachte Bushaltestelle am Rande von Höchberg. Die Straßen sind wie leer gefegt, die Luft noch unverbraucht. Nur einzelne Weihnachtsbeleuchtungen und Straßenlaternen werfen Lichtkegel in die Dunkelheit. „Ich liebe die nächtliche Ruhe“, sagt Melanie Sprott und reißt ihre Augen weit auf. Ab und zu, fügt sie hinzu, komme es allerdings auch zu kuriosen Begegnungen.

„An Fasching ist es besonders amüsant“, erzählt die Zustellerin und hievt einen dicken Stapel Zeitungen von der Abladestelle in den Seat. Denn während in den Vierteln normalerweise gähnende Leere herrscht, treffe man in der närrischen Zeit häufig auf gut angetrunkene Anwohner. „Da muss man vorsichtiger fahren.“ Doch ein paar Feierwütige bringen die routinierte 33-Jährige nicht aus der Ruhe, da gehört mehr dazu.

Hunde stören selten

„Ein einziges Mal habe ich bisher gestreikt“, sagt die gelernte Fahrzeugtechnikerin und stellt den Wagen am Straßenrand ab. Mit einer Hand sortiert sie die Briefe, die andere hält sie sich waagrecht an die Schulter. „Da stand auf einmal so ein riesiger Hund vor mir.“ Das freilaufende Tier habe sie mit seinem Bellen so erschreckt, dass sie auf der Stelle kehrtgemacht und den Nachlieferdienst verständigt habe. So etwas passiere allerdings äußerst selten, betont sie.

Die Zustellerin macht ihren Job so gewissenhaft, dass sie seit einigen Jahren auch den „Nachwuchs“ einlernen darf. In dieser Nacht ist das Kurt Abts, 68 Jahre alt und Elektromeister in Pension. „Ich hab' noch was für die alten Tage gesucht“, sagt der Vollbärtige, setzt sich eine rote Kappe auf den Kopf und steigt zu seiner Lehrerin ins Auto. Der Waldbrunner ist einer der wenigen Männer in dem Metier, rund 80 Prozent der Zusteller des Main-ZustellService (MZS) der Mediengruppe Main-Post sind weiblich. „Oft Hausfrauen, die nur in den frühen Stunden Zeit haben“, sagt Melanie Sprott und steuert den Wagen gekonnt durch die schmalen Gassen.

Zusteller sind in ländlichen Gebieten gesucht

In Gegenden wie diesen, in denen Mehrfamilienhäuser selten sind, freuen sich die Zusteller laut Sprott über den Mindestlohn. Denn während man bisher pro Stück bezahlt wurde, gilt ab dem 1. Januar die Bezahlung nach Stunden. „Hier sind die Wege einfach wesentlich weiter als in der Stadt“, erklärt sie. Der Mindestlohn mache das Austragen in den ländlicheren Gebieten ihrer Meinung nach wieder attraktiver. Denn immer wieder werden Zusteller dort dringend gesucht.

„Rechte Seite, erster Briefkasten von oben, Volksblatt“, dirigiert die Anleiterin ihren Lehrling. Der Rentner schnappt sich die Zeitungen und schleicht durch den kalten Regen. „Richtig fies ist es nur bei Eisglätte“, stimmen die beiden überein. „Und wenn man immer wieder Briefe zu jemanden liefern soll, der keinen Briefkasten hat“, sagt Kurt Abts.

Extrawürste gehören dazu

Manchmal müsse man mehrere Runden ums Haus laufen, um die richtige Stelle für die Post zu finden. Und dann gibt es da noch die Leser mit Sonderwünschen: „Hier sollen wir die Süddeutsche zwischen die beiden Pfosten legen“, nennt Sprott ein Beispiel. Als Dankeschön für Spezialbehandlungen wie diese gebe es meist eine kleine Überraschungen zu Weihnachten oder Ostern: „Da liegen dann schon mal Schokolädchen oder zehn Euro dabei“, erzählt die 33-Jährige und blickt intuitiv auf die Uhr.

Bis sechs Uhr sollen alle Zeitungen ausgeliefert sein, informiert die Eisingerin. Danach lege sie sich für ein paar Stunden ins Bett – bevor sie wieder zur Main-Post aufbricht. „Tagsüber fahre ich für den MZS auch noch Pakete aus“, erzählt sie. Als Jugendliche hatte sie mit dem Zustellen angefangen, seither ist sie dabei geblieben. Die Arbeit liege ihr, das Aufstehen sei kein Problem, betont die 33-Jährige immer wieder. Nur von abendlichen Treffen mit Freunden habe sie sich dem Beruf zuliebe verabschiedet: „Um acht Uhr falle ich eben einfach müde ins Bett.“

Doch der Blick von der Frankenwarte auf die noch unberührte Stadt, das Entdecken eines Rehs mitten auf einer Straße im Spessart oder der Geruch des allerersten Schnees seien weit mehr als eine Entschädigung. „Die Stimmung ist einfach herrlich“, sagt Melanie Sprott und blickt einen Moment lang verträumt aus dem Fenster. Dann schielen ihre Augen wieder auf die Uhr und freundlich aber bestimmt sagt sie zu ihrem Lehrling: „Links in den blauen Briefkasten hinter dem Tor einmal die Main-Post, gegenüber das Volksblatt und zwei Briefe.“

 
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Kommentare
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  • hydra
    wenn es nur die Zeitung wäre, würde ich es ja machen, aber die Briefzustellung ist eine echte Zumutung!!! Allein bis man die Briefe sortiert hat vergeht eine Stunde, geht mit der Taschenlampe überhaupt nicht!!!
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