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UNTERFRANKEN
Verheizen wir zu viel vom Wald?
Forstbehörden sehen keinen Anlass zur Sorge, Naturschützer hingegen kritisieren die Entwicklung der vergangenen Jahre.
Tilmann Toepfer
Tilman Toepfer
 |  aktualisiert: 07.11.2019 20:31 Uhr

Die Deutschen kaufen den Markt für Brennholz leer, Brennholz wird knapp und immer teurer – zwei Schlagzeilen aus dem milden Winter 2012/13. Nimmt man die Botschaften für bare Münze, dann bleibt bald der Ofen kalt. So schlimm wird es so schnell nicht kommen. Die Bundeswaldinventur 2012 wärmt mit ihren Fakten.

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) präsentierte vor wenigen Tagen in Berlin „erfreuliche Nachrichten“. Die Waldfläche ist mit rund 11,4 Millionen Hektar in etwa konstant geblieben. Der Holzzuwachs ist mit mehr als elf Kubikmetern je Hektar und Jahr oder knapp 122 Millionen Kubikmetern pro Jahr weiterhin auf einem hohen Niveau. Allerdings habe sich die in den 1990er Jahren beobachtete Beschleunigung des Wachstums nicht fortgesetzt. Wie auch, wenn immer mehr des begehrten Rohstoffs Holz verbrannt beziehungsweise gebunkert wird.

Spare in der Zeit, dann hast du in der Not, denken sich viele Menschen und sorgen vor. In Frankens Dörfern sieht man richtig viel „Holz vor der Hütten“.

Eine Studie am Zentrum Holzwirtschaft der Universität Hamburg belegt: Vor deutschen Eigenheimen stapeln sich mittlerweile rund 50 Millionen Festmeter oder umgerechnet 70 Millionen Raummeter Scheitholz. Das entspricht mehr als der zweifachen Menge Holz, die im vergleichsweise kalten Winter 2010 in deutschen Kaminöfen, Kachelöfen und Heizkaminen verfeuert wurde.

Die Nachfrage nach Scheitholz wie die nach Pellets und Hackschnitzeln ist stetig gestiegen in den vergangenen Jahren. Das Feuer im eigenen Ofen bedeutet für viele Menschen Emotion, allerdings verschiebt sich das Profil vieler Holzverbraucher weg vom „Lustbrenner“ hin zum „Holzheizer“ aus Kalkül.

Der will sich unabhängig machen von Öl und Gas und obendrein möglichst viel Geld sparen. Das gelingt leicht, wenn jemand mit Motorsäge und Spaltaxt zu hantieren versteht. Mehr und mehr Zeitgenossen können wie auch einzelne Händler dem Lockruf des Holzes aus den Wäldern Osteuropas nicht widerstehen (siehe: Viel Holz aus Russland).

Zuletzt hat sich der Preisanstieg verlangsamt, über die letzten Jahre hinweg war er enorm. Nach Angaben des Technologie- und Förderzentrums (TFZ) im bayerischen Forstministerium war Hartholz im Januar 2005 noch für 57 Euro je Raummeter zu haben, im Januar 2014 kostete die gleiche Menge durchschnittlich 90 Euro. Nach wie vor schwanken die Preise sehr stark, so ist es auch in der Region.

Trotz höherer Preise ist Holz im Vergleich zu Öl und Gas nach wie vor äußerst konkurrenzfähig, wenn man die Kosten je Kilowattstunde (kWh) enthaltener Energie betrachtet. Beim Heizöl beziffert die Bayerische Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft (LWF) den mittleren Preis 2013 mit rund 8,7 Cent/kWh, bei Buchenscheitholz sind es 4,9 Cent/kWh. „Holz hat eine unschlagbar günstige Energiebilanz“ sagt Herbert Borchert, Sachgebietsleiter bei der Bayerischen Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft.

Der nachwachsende Rohstoff gilt zudem als klimaneutral. Bei der Verbrennung wird nur die Menge an CO2 abgegeben, die gebunden wurde, als der Baum gewachsen ist. Deutlich verbesserte Verbrennungstechnik tut ein Übriges. Moderne Heizgeräte für feste Brennstoffe haben heute einen wesentlich höheren Wirkungsgrad und emittieren deutlich weniger als ihre Vorgänger.

So verwendet mittlerweile jeder dritte Haushalt in Bayern Holz zum Zuheizen in Öfen und Kaminen oder als alleiniger Energieträger in Zentralheizungen, so der Energieholzmarktbericht der LWF. Demnach haben circa 1,85 Millionen Haushalte in Bayern in der Heizperiode 2012/13 6,4 Millionen Festmeter Scheitholz verbrannt.

Rund 58 Prozent der Scheitholznutzer gewinnen ihren Brennstoff im eigenen Wald oder Garten oder als Selbstwerber in öffentlichen Wäldern, so die Landesanstalt. Der Brennholzhandel deckt demnach rund 32 Prozent des Bedarfs ab. Scheitholz aus Baumärkten und Supermarkten hat nach Angaben der LWF nur eine geringe Bedeutung.

Die Kapazitätsgrenze der deutschen Wälder sei erreicht, warnte im zeitigen Frühjahr die Arbeitsgemeinschaft Rohholzverbraucher (AGR). Herbert Borchert von der LWF widerspricht. „Da brauchen wir keine Bedenken zu haben“, sagt er und verweist auf „viele ungenutzte Ressourcen“. Borchert rechnet außerdem nicht damit, dass die Nachfrage nach Brennholz weiter zunimmt wie bisher. Erstens brauchen neue Öfen weniger Holz als alte, argumentiert der Experte, zweitens werden immer mehr Häuser gedämmt, um bei den Energiekosten zu sparen.

Das Bundesumweltministerium will den Holzeinschlag sogar von derzeit rund 75 Millionen Festmetern auf rund 100 Millionen Festmeter im Jahr steigern. Es soll noch mehr Holz verbrannt werden, um den Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix bis zum Jahr 2020 deutlich zu erhöhen, so sieht es der „Nationale Aktionsplan erneuerbare Energien“ vor. Ein LWF-Papier hält es für möglich, die Holznutzung in Bayern langfristig um etwa fünf Millionen Festmeter pro Jahr auf über 20 Millionen Festmeter zu erhöhen. Die Sache hat nur einen Haken. Um den Einschlag zu steigern, „müssten vor allem im Kleinprivatwald vorhandene Reserven mobilisiert werden“, heißt es in dem Papier. „Im Körperschaftswald und im Staatswald wird das Potenzial bereits weitgehend ausgeschöpft.“

Naturschützer kritisieren, es werde schon heute „immens“ viel Brennholz verbraucht, mittlerweile rund die Hälfte des Holzaufkommens. „Wir sehen diese Entwicklung sehr kritisch, weil da keine Kaskadennutzung stattfindet, sondern sehr viel Waldholz gleich in einem ersten Schritt verbrannt wird“, sagt Ralf Straußberger. Der Waldreferent des Bund Naturschutz (BN) beklagt auch „einem unguten Trend von immer mehr kurzlebigen Holzprodukten, in denen der Kohlenstoff eben nur sehr kurzfristig gespeichert wird“.

Anlässlich der Veröffentlichung der Ergebnisse der Bundeswaldinventur fordert der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) bessere Standards für die Waldwirtschaft und eine Senkung des Holzverbrauchs in Deutschland. „Wälder müssen deutlich älter und vorratsreicher werden“, sagte BUND-Vorsitzender Hubert Weiger.

In einer Pressemitteilung fordert Weiger Bundesregierung und Länder auf, „endlich die Ziele der Nationalen Biodiversitätsstrategie umzusetzen und dem Erhalt der Naturwälder Priorität zu geben“. Ein Wink mit dem Zaunpfahl Richtung München, wo sich Staatsregierung und Staatsforsten mit Händen und Füßen gegen einen Nationalpark Nördlicher Steigerwald wehren.

Viel vor der Hütte: Die Deutschen bunkern rund 50 Millionen Festmeter Scheitholz – auf diesem Bild in Remlingen (Lkr. Würzburg).
Foto: Günter Reinwarth | Viel vor der Hütte: Die Deutschen bunkern rund 50 Millionen Festmeter Scheitholz – auf diesem Bild in Remlingen (Lkr. Würzburg).
 
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