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RÜDENHAUSEN
Unterfränkischer Adel: Vom Grafen zum Fürsten
Zuckerbrot und Peitsche: Wenn der Adel anspannen lässt, nimmt der bayerische Amtsschimmel manches Hindernis.
Foto: Illustration: EO Borucki | Zuckerbrot und Peitsche: Wenn der Adel anspannen lässt, nimmt der bayerische Amtsschimmel manches Hindernis.
Tilmann Toepfer
Tilman Toepfer
 |  aktualisiert: 07.04.2020 10:38 Uhr

Der Adelstitel feiert fröhliche Urständ in Bayern. Kaum ist ein „Fürst“ gestorben, sorgen bayerische Behörden mit ausdrücklicher Billigung oder auf Anweisung der Staatsregierung dafür, dass ein neuer „Fürst“ nachrückt. Wie jetzt im Fall derer zu Castell-Rüdenhausen im Landkreis Kitzingen.

Anfang November hatte eine große Trauergemeinde von Johann-Friedrich Fürst zu Castell-Rüdenhausen Abschied genommen. Bereits Ende Dezember wurde „dem Antrag von Otto Friedrich Carl Graf zu Castell-Rüdenhausen auf Namensänderung in Fürst zu Castell-Rüdenhausen nachgekommen“, schreibt Corinna Petzold, die Sprecherin des Landratsamtes Kitzingen, auf Nachfrage. Petzold weiter: „Die Entscheidung wurde auch unter Einschaltung und Zustimmung der Regierung von Unterfranken gefällt.“

Fürsten, Grafen und Herzöge gibt es nicht mehr. Mit dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung 1919 wurde der Adel als bevorrechtiger Stand abgeschafft. Adelsbezeichnungen dürfen seitdem als Teil des Nachnamens verwendet, aber nicht mehr verliehen werden.

Das am historischen Adelsbegriff orientierte, traditionell-konservative Selbstverständnis der Adelsverbände und ihrer Angehörigen hat das nicht verändert. Die Anrede „Durchlaucht“ empfinden auch die „Fürstinnen“ und „Fürsten“ zu Castell als Normalität. Obwohl der „Fürst“ oder der „Graf“ rechtlich Teil des Nachnamens ist, wird er wie ein Titel regelmäßig dem Vornamen vorangestellt. Die Sprachregelung in den jährlich erscheinenden „Casteller Nachrichten“ ruft die Zeiten des Ständestaates in Erinnerung mit Sätzen wie: „Seine Jagdleidenschaft teilt der Fürst mit seinen Kindern Graf Anton und Gräfin Anna Magdalena.“

Es gilt das Hausgesetz

Adel verpflichtet. Entsprechend den Familienstatuten wird das Stammvermögen jeweils nur an den ältesten Sohn weitergegeben, während die anderen Kinder mit dem Pflichtteil abgefunden werden. Es gilt das Hausgesetz, und das kennt auch den Erstgeburtstitel (oder Primogeniturtitel von lat. primus „der Erste“ und genitus „geboren“), wonach ein Titel – wie Fürst – nur an den Erstgeborenen, nicht aber an die weiteren Nachgeborenen weitervererbt wird.

Das Namensrecht des demokratischen Staates kennt den Erstgeburtstitel nicht. Es kennt jedoch die Namensänderung nach dem gleichnamigen Gesetz. Die Voraussetzungen sind streng, sagt die Rechtsprechung, generell muss ein wichtiger Grund vorliegen. Das Gesetz spricht von „Unzuträglichkeiten im Einzelfall“. Bei dieser Rubrik denkt man vielleicht an Namen wie Rosa Schlüpfer oder Hans Wurst, nicht jedoch an ein „Graf“ oder „Erbgraf“ als Namensbestandteil.

Keine Antwort auf Fragen

In Bayern gibt es allerdings eine Absprache zwischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und dem Verein Deutscher Standesherren. Die sieht vor, dass Primogeniturnamen bei elf standesherrlichen Häusern in Bayern „in den Fällen des Generationswechsels bei den Chefs der standesherrlichen Familien“ ohne Bedenken durch Namensänderung (etwa von Graf zu Fürst) zugelassen werden. Stellt das Ministerium das Recht des Adels über die Verfassung des demokratischen Rechtsstaates? Auf frühere Nachfrage erhielt die Redaktion beim Innenministerium keine Antwort.

Ende 2013 hatte ein Fall in Kreuzwertheim (Lkr. Main-Spessart) für großes Aufsehen gesorgt, auch das BR-Magazin „quer“ berichtete damals. Dem dort ansässigen „Fürstenpaar“ waren die Namensbestandteile „Prinz“ und „Prinzessin“ zu unbedeutend gewesen, 2010 hatte es die Namensänderung zu „Fürst“ und „Fürstin“ beantragt. Der zuständige, gesetzestreue Beamte im Landratsamt Main-Spessart weigerte sich unter Hinweis auf die Paragrafen und die bisherige Praxis hartnäckig, die „faktische Verleihung der Adelsprädikate“ zu vollziehen.

Weisung der Regierung

Schließlich erzwang die Regierung von Unterfranken per Weisung von oben die „Fürstwerdung“. Der wichtige Grund liege darin, dass es um eine für Unterfranken wichtige Adelsfamilie gehe, die die Region geprägt habe und weiter präge. Die Argumentation hat der Jurist Dr. Hofmann-Hoeppel in einem Gutachten als „in hohem Maße zweifelhaft“ kritisiert. Dass Adelsfamilien das vormalige Herrschaftsgebiet wesentlich mitprägten, ergebe sich aus der Natur der Sache. Das könne kein wichtiger Grund für die Namensänderung sein.

Auch das Landratsamt Kitzingen argumentiert nun, der Grund für die Namensänderung liege in der jahrhundertelangen kulturellen, religiösen und wirtschaftlichen Prägung Unterfrankens durch das Fürstenhaus Castell-Rüdenhausen. In Abstimmung mit der Regierung wird die Namensänderung zusätzlich auf Nr. 47 der „Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen“ (NamÄndVwV) gestützt. Nach der Vorschrift sind Namensänderungen bei der Übernahme eines Unternehmens oder eines Hofes durch den neuen Eigentümer möglich.

„Unter Führung des Fürsten“

„Das Landratsamt hat nach einer Prüfung der mit dem Antrag eingereichten Unterlagen festgestellt, dass sämtliche Unternehmungen der Familie Castell als „Fürstlich Castell’sche Betriebe“ benannt sind und sich im Eigentum und unter Führung des Fürsten zu Castell-Rüdenhausen befinden“, schreibt das Landratsamt. Die Castells schreiben hingegen auf ihrer Homepage, dass der jeweilige Vertreter des Hauses Castell-Rüdenhausen die Verantwortlichkeit für die Castell'schen Unternehmenszweige Bank, Forst und Landwirtschaft mit Ferdinand Erbgraf (!) zu Castell-Castell teilen muss. Und der muss mit dem Namenszusatz Erbgraf vorlieb nehmen, solange sein Vater „der Fürst“ derer von Castell-Castell ist.

Die Berichterstattung der Regenbogenpresse und auch in seriösen Medien hat offenbar bewirkt, dass „der Adel“ in weiten Kreisen der Bevölkerung als fortbestehende soziale Gruppierung wahrgenommen wird. In Kreuzwertheim sind sie stolz auf ihren „Fürst“ und ihre „Fürstin“, das wurde bei einer Umfrage des BR-Magazins „quer“ vor Ort deutlich. Auch in Rüdenhausen und Umgebung hängen viele Menschen am „Fürstenhaus“ mit der mehr als 950-jähriger Geschichte. Ganz sicher werden sie auch Otto Friedrich Carl Fürst zu Castell-Rüdenhausen „Fürst Otto“ nennen und ihn anreden, wie es Tradition ist: „Durchlaucht“.

 
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  • hessd
    da laut Verfassung alle Bürger gleichwertig sind braucht es zur Anrede weder Grafen noch Fürsten noch Doktoren oder Professoren.
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  • Sehr geehrter Herr Toepfer,

    leider haben Sie zwei Fehler in Ihrem Artikel gemacht. Sie schrieben:
    >Mit dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung 1919 wurde der Adel als bevorrechtiger Stand abgeschafft.<
    Falsch, der Adel wurde nicht abgeschafft, sondern lediglich seine "öffentlich-rechtlichen Vorrechte" wurden abgeschafft. Die verfassungsgebende Versammlung der WRV konnte sich nach Diskussion nicht auf die Annahme des Satzes "Der Adel ist abgeschafft" einigen.

    >Obwohl der „Fürst“ oder der „Graf“ rechtlich Teil des Nachnamens ist<
    Von "Nachname" steht in dem Artikel 109 der WRV gar nichts. Da steht nur "Name", Adelsbezeichnungen gelten als (und nicht: sind) Teil des Namens.

    >wird er wie ein Titel regelmäßig dem Vornamen vorangestellt<
    Der Doktortitel ist auch Teil des Namens und wird vor den Vornamen gestellt. Oder sagen Sie "Frau Angela Dr. Merkel"? Selbst die Bezeichnungen "Herr, Frau" sind alte Adelsbezeichnungen und stehen auch oft vor dem Vornamen.
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  • eckard.bier
    Sehr interessant ist für mich, dass in verschiedenen Internetforen (auch seriösen) schon seit längerem über die Rückkehr des - von Gott eingesetzten- Adels ernsthaft diskutiert wird.. (auch im Ausland)
    Viele haben Angst, dass uns der Euro um die Ohren fliegt mit anschließender Depression und "Verjagung" der Politiker und der Suche nach "natürlichen" Autoritäten...
    Weiß die CSU-Regierung in München schon mehr über diese Entwicklung, so dass sie sich richtig aufstellen will?
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  • helau93
    Und wenn ein Beamter sich weigert, der Namensänderung zuzustimmen, wir einfach dessen Vorgesetzter zu einer Hofjagd im Spessart eingeladen. So läuft das schon seit Jahrhunderten.
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  • hans-martin.hoffmann@t-online.de
    sowas erspart einem immerhin die lästige Bürokratie im Fall einer Adoption... zwinkern

    Und um sich für was Besseres zu halten, braucht es auch nicht unbedingt einen entsprechenden Nachnamen. zwinkern

    Also lassen wir den Herr- und Damenschaften den Spaß, damit die Regenbogenpresse nicht arbeitslos wird. Solange es Spaß bleibt...
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  • Traditionen sind wichtig, genau so wie die Verwurzelung in der Heimat. Die Menschen vor Ort haben nichts gegen diese Traditionen, sehen darin keine Katastrophe für die Demokratie, keinen Schaden. Das sollte so manch selbsternannter Vorkämpfer für die Demokratie von der Mainpost auch einsehen.
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  • mausschanze
    des Artikels ist interessant - ob das wohl an der Sehnsucht der Menschen liegt nach Persönlichkeiten die mit dem Land verbunden sind, die "für Ihr Volk da sind", heimatverbunden, "Werte" verteidigen.
    Die Geschichte belehrt uns wohl eines besseren, es war zu oft das Gegenteil der Fall.
    Aber wundert´s einen - wir leben in einer Demokratie, doch zu unseren gewählten Volksvertretern hat man doch meist nur noch Verachtung oder Missgunst übrig - wie sich unter anderem in der Wahlbeteiligung spiegelt.
    Der Respekt vor dem Adel ist wohl die insgeheime Sehnsucht nach starken Persönlichkeiten - und wenn einmal die Demokratie zusammenbricht und eines Tages wieder Grafen, Herzöge..usw. willkürlich regieren dann liegt das meiner Meinung nach
    an "vertrottelten Politikern" und vielleicht an den Journalisten (nicht nur aus der Regenbogenpresse).........aber jetzt ist Schluß mit meinem Gesabbel, ich glaub
    ich brauch mal wieder Urlaub.. grinsen grinsen
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