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Standpunkt: Bärendienst für den Rechtsstaat
Tilmann Toepfer
Tilman Toepfer
 |  aktualisiert: 07.04.2020 10:38 Uhr

Standpunkt

Die Grafen und späteren Fürsten zu Castell haben seit 1091 die Region geprägt. Der Satz steht so auf der Homepage des Hauses und ist nicht in Gänze falsch, aber eben auch nicht ganz richtig. Es gibt den Adelsstand bereits seit 1919 nicht mehr, also gibt es seitdem auch keine Grafen, Fürsten und Herzöge. Der moderne Staat kennt nur Bürger, und die sind vor dem Gesetz gleich.

Der „Graf“ oder „Fürst“ ist nicht mehr als ein Teil des Nachnamens. Große Teile der Bevölkerung merken (und wissen) das nicht. Weil „Adelige“ systematisch „Graf“ und „Fürst“ wie Titel vor den Vornamen stellen und Wert auf die Anrede „Durchlaucht“ und „Erlaucht“ legen. Weil die Regenbogenpresse – und nicht nur sie – den durchlauchtigsten Hoheiten zu Füßen liegt. Weil das gemeine Volk – und nicht nur es – regen Anteil am Leben derer nimmt, denen man blaues Blut und besonders gute Manieren nachsagt: „Fürstin Gloria“ aus dem Hause Thurn und Taxis oder der „Freiherr Karl-Theodor“ aus dem Hause Guttenberg sind nur zwei markante Beispiele.

„Der Adel“ ist also quicklebendig. Er weiß das Vertrauen, das man ihm landauf-landab entgegenbringt, geschickt für seine Zwecke zu nutzen. Er mehrt Besitz und Ansehen – und setzt beharrlich die eigenen Spielregeln durch, das „Adelsrecht“ beziehungsweise das Hausrecht der jeweiligen Familie.

Dem modernen demokratischen Rechtsstaat aber ist das Hausrecht der Fürstenfamilien fremd. Er darf sich nicht zum verlängerten Arm von Lobbyisten der Adelsverbände machen lassen. Im Freistaat Bayern aber geschieht genau das. Über das Namensrecht werden Erstgeburtstitel wie zu Kaisers Zeiten reihenweise an die Oberhäupter von Adelsfamilien verliehen – indem man sie als Namensänderung kaschiert.

Eine Rechtsbeugung? Vielleicht. Auf jeden Fall ein Einknicken vor den „Durchlauchten“ und ihren Interessen. Die hohen Staatsdiener, die das anordnen, erweisen dem Rechtsstaat einen Bärendienst.

 

 
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  • E. K.
    Erstens für die Berichterstattung über den nächsten Fall bayerischer Rechtsbeugung.
    Zweitens für den Kommentar. Er spricht mir aus meiner republikanischen Seele.
    Leider fehlte dem Kitzinger Landratsamt, im Gegensatz zum Kreuzwertheimer Fall, eine BeamtIn mit Mumm. Auch die vielgerühmte "Freie Landrätin" ist hier vor ihren Fürsten in die Knie gegangen.
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  • S. K.
    @ at5alku: Sie haben das klar erkannt ! Wie viele Stunden haben die Verwaltungsbehörden mit der "richtigen Begründung verschwendet". Wahrscheinlich ergeht hier keine Anzeige wegen der offensichtlichen Rechtsbeugung.
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  • B. N.
    Sehr mutig diese richtige Meinung so darzustellen!
    Ich hoffe T.Toepfer wird in seinem Beruf nicht "abgeschossen"!?...
    Sehr interessant ist für mich, dass in verschiedenen Internetforen (auch seriösen) schon seit längerem über die Rückkehr des - von Gott eingesetzten- Adels ernsthaft diskutiert wird.. (auch im Ausland)
    Viele haben Angst, dass uns der Euro um die Ohren fliegt mit anschließender Depression und "Verjagung" der Politiker und der Suche nach "natürlichen" Autoritäten...
    Weiß die CSU-Regierung in München schon mehr über diese Entwicklung, so dass sie sich richtig aufstellen will?
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Jeder hat das Recht selber zu bestimmen wem er was vererbt, nicht nur Adelige. Jeder hat das Recht seine Kinder zu bennen wie er will, man merke nur die ganzen Kevins und wie sie in den folgenden Jahrzehnten gemobbt werden.
    Das alles gehört zu einer Demokratie, die in der Tat keine Vorrechte für den Adel kennt. Und es läuft alles demokratisch ab, wo ist das Problem? Sie machen aus einer Mücke einen Elefanten. Und wenn Sie etwas mit den Häusern Castell zu tun gehabt hätten, würden Sie merken, dass die Familien weitaus weniger Wert auf solche Bezeichnungen haben als Sie denken. Aber irgendetwas muss man ja an den Haaren herbeiziehe
    Sie Herr Toepfer erweisen mit diesem Kommentar und den dazugehörigen Artikel keinen Dienst am Leser. Was ist jetzt der Kommentar, war der Bericht? Ich erkenne keinen Unterschied. In beiden möchten Sie Ihren Lesern, sagen wir es anders, den Kunden, Ihre persönliche Meinung aufdrücken. Das nervt, und zwar weitaus mehr als das was Sie den alten Häusern vorwerfen
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