Renate Müller war während ihres Studiums freie Mitarbeiterin in der Stadt-Redaktion der Main-Post. Eine interessierte, engagierte, wissbegierige Frau mit einer guten Schreibe, offen für viele Themen. Wir waren uns sofort sympathisch, haben uns oft unterhalten, Renate hat mir Löcher in den Bauch gefragt – und wir wurden Freundinnen. Dann ging sie nach Frankfurt, um beim Hessischen Rundfunk zu arbeiten. Anfangs telefonierten wir noch öfter miteinander, dann wurden die Kontakte seltener. Irgendwann verloren wir uns aus den Augen.
Im Frühsommer 2011 stöberte ich meiner Lieblingsbuchhandlung. Mir fiel ein Buch mit dem Titel „Zwillingskrebs“ in die Hände, weil ich die Frauen auf dem Titel erkannte: Renate und ihre Zwillingsschwester Ingrid. Beide waren fast gleichzeitig an Brustkrebs erkrankt, zusammen hatten sie das Buch über ihre Leidenszeit geschrieben.
Sofort rief ich beim Hessischen Rundfunk an. Es war so schön, endlich wieder Renates markante Stimme zu hören. Sie hatte wenig Zeit, ich hatte wenig Zeit. „Wir müssen uns treffen“, sagte sie, „ganz bald. Dann erzähle ich dir alles.“ „Ist es ok, wenn ich für die Main-Post eine Geschichte über Euch schreibe?“, fragte ich. „Na klar“, sagte Renate.
Eine Woche später holte ich sie in Würzburg am Hauptbahnhof ab. Wir fielen uns in die Arme und waren so vertraut, als würden wir uns täglich sehen. Zusammen gingen wir ins „Cafe 2/4“ in der Neubaustraße. Nicht zu mir nach Hause. Irgendwie waren wir uns einig, dass wir auf neutralem Boden sein wollen, wenn sie mir ihre Geschichte erzählt. Stundenlang haben wir geredet und geweint und gelacht. Renate hat weder sich noch mich geschont, als sie mir erzählte, was die Krankheit mit ihr und Ingrid gemacht hat. Heute geht es den beiden gut.
Die Geschichte über den „Zwillingskrebs“ von Renate und Ingrid Müller war ein hartes Stück Arbeit – und ein wichtiges, weil es den vielen Frauen, die in der Situation der Zwillinge sind, Mut macht. Das Buch steht in meinen Bücherschrank noch immer ganz vorne. Ich habe es so oft verliehen, dass es schon ziemlich zerfleddert ist.
Bald treffen wir uns wieder, Renate und ich. Und wie immer kommt dann ihr Lieblingswein auf den Tisch: Ein Randersackerer „Ewigleben“.