Ich dachte, ein Riese packt mich und schmeißt mich in meine Kindheit zurück.“ Auch wenn es kein Riese war – die Lachyoga-Veranstaltung, zu der Matthias Vollmuth vor vielen Jahren eingeladen war, packte ihn. Sein Entschluss stand gleich fest: Das will ich auch machen. Der gelernte Metzger fackelte nicht lange, absolvierte die Ausbildung zum Lachyoga-Trainer – und gründete mit Mitstreitern den Bad Kissinger Lachclub.
Geburtstagsparty beim Lachyoga
Der feiert in diesem Jahr nach vielen Höhen und Tiefen seinen zehnten Geburtstag. Jeden zweiten und vierten Montag im Monat treffen sich Mitglieder und Interessierte zum gemeinsamen Lachen. Da sind beispielsweise die acht Patienten aus einer Kissinger Klinik, die von einer Mitpatientin eingeladen wurden, bei einem Lachyoga-Abend ihren Geburtstag zu feiern. Sie stehen neugierig im Kreis, ein bisschen scheu noch. Vollmuth erklärt, dass Erwachsene viel zu wenig lachen, obwohl Lachen doch so gesund ist.
„Und was ist, wenn wir gar nichts zu lachen haben?“, fragt jemand. „Ja wollt ihr denn warten, bis ihr wieder was zu lachen habt?“, fragt Vollmuth, der Club-Vorsitzende und Trainer, zurück. Der 54-Jährige lädt ein, das Kind in sich zu wecken, sich wieder zu spüren und sich zu bewegen. Und schon geht's los. Völlig ernst wird mit einem unsichtbaren Messer der Kopf aufgeschnitten, dem Gehirn all die negativen Gedanken entnommen und dann laut lachend mit einer imaginären Bürste aus der Hand weggebürstet. Lachend wird das Gehirn dann wieder gefüllt mit Frieden, Freude, Lachen, Liebe – was den Teilnehmern halt so einfällt. Dann kommt die Kopfplatte wieder drauf und der Reißverschluss wird gut zugemacht.
Lachen kann jeder – und es steckt an
Das Eis ist schnell gebrochen, Erwachsene freuen sich wie die Kinder und können über alles und jedes lachen, keiner kann sich dem Sog entziehen. Vollmuth ist inzwischen ein Lach-Profi. 80 bis 85 Kurse hält er im Jahr. Er erzählt davon, wie gut das Lachen den Menschen tut. Wer das Ganze nicht ernst nimmt? So leicht könne ihn heute in der Lach-Stunde keiner mehr aus der Ruhe bringen, sagt Vollmuth: „Inzwischen trau ich mich sogar, Leute, die nur stören wollen, hinauszubitten.“
Gerade haben sie wieder Saison, der Humor und das Lachen. Die fünfte Jahreszeit steht ganz in ihrem Zeichen. Aber warum sind sie eigentlich nur im Fasching salonfähig? Der Volksmund weiß es ja schon lange: „Lachen ist die beste Medizin“ und „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“.
Humor ist, wenn man trotzdem lacht
Mit dem Humor ist das so eine Sache. Humorvolle Menschen lachen gerne, aber nicht jedes Lachen ist ein humorvolles. Menschen werden auch ausgelacht, wir lachen, weil wir gekitzelt werden oder weil andere uns mit ihrem Lachen anstecken. Im Mittelalter war das Lachen sogar eine Foltermethode. Humor dagegen ist eher eine Lebenseinstellung. Der Duden liefert dafür die schöne Definition: „die Gabe des Menschen, den Unzulänglichkeiten der Welt und der Menschen sowie den Missgeschicken des Alltags mit heiterer Gelassenheit zu begegnen“. Eine Einstellung, an der viele Menschen ein Leben lang arbeiten müssen.
Einfacher ist es da schon mit dem Lachen. Es wirkt nicht nur auf unser Gemüt, sondern auch auf unseren Körper. Seit den 1960er Jahren gibt es die Wissenschaft vom Lachen, die Gelotologie. Begründet hat sie der Psychiater William F. Fry, der 1964 in Stanford die körperlichen Auswirkungen des Lachens erforschte. Eine der führenden deutschen Gelotologen ist der Soziologe und Psychotherapeut Dr. Michael Tietze. Der Gründungsvorsitzende von HumorCare Deutschland sagt: „Lachen ist ein echter Gesundbrunnen. Es setzt Selbstheilungskräfte frei, die wir im normalen Alltagsleben viel zu wenig nutzen. Auch werden die inneren Organe massiert. Und im Blutkreislauf werden Stresshormone abgebaut und dafür solche Inhaltsstoffe ausgeschüttet, welche die Immunabwehr steigern. Außerdem werden die Verdauungsdrüsen angeregt.“ Das Lachen stärke unser Immunsystem, Schmerzpatienten empfänden schon nach wenigen Minuten Erleichterung. Wie der Komiker Groucho Marx schon sagte: „Lachen ist wie Aspirin, es wirkt nur doppelt so schnell.“
Workshops im Krankenhaus
Kein Wunder also, dass das Lachen und der Humor in Medizin und Psychotherapie Einzug halten. So sind die Klinikclowns nicht zuletzt der Gelotologie zu verdanken, auch wenn sie in Deutschland bislang hauptsächlich auf den Kinderstationen unterwegs sind.
Auch eine andere „Therapieform“ fasst langsam in unserer Region Fuß, das Lachyoga. In Würzburg bietet Trainerin Tina Keßler Workshops, Vorträge und Kurse für Firmen, Altenheime, Arztpraxen, Selbsthilfegruppen und jedermann an. Zu ihr, sagt sie, kommen „Leute, die das Lachen verlernt haben und es wieder entdecken wollen“. Eine Altersbegrenzung für das Lachyoga gebe es nicht: „Egal ob jung oder alt, mit Handicap oder ohne. Lachyoga ist für Leute, die Neues entdecken wollen, was guttut.“ Beim Weltlachyoga am 7. Mai wird Keßler mit vielen Gleichgesinnten wieder im Würzburger Ringpark laut lachen.
Matthias Vollmuth musste teils zähe Überzeugungsarbeit leisten, inzwischen gibt er Kurse in zwei Kliniken der Region. Wenn die Patienten erst einmal mit ihm gelacht haben, dann kann er schnell Fuß fassen. „Sogar die Chefsekretärin
einer großen Klinik konnte ich so überzeugen.“
In einer der großen Naturheilkliniken Deutschlands, der Malteser Klinik Dr. von Weckbecker in Bad Brückenau, gehört das Lachyoga zum festen Angebot im Bereich Bewegung und Entspannung. „Yoga und Lachen, das hat uns zunächst einmal überrascht, wir kannten das nicht“, erinnert sich die stellvertretende Geschäftsleiterin Ellen Morper. Doch Vollmuth habe nicht nur die Klinikleitung schnell überzeugt. „Wir machen regelmäßig Patientenbefragungen und erkundigen uns, ob unsere Angebote passen und hilfreich sind“, erzählt Morper. Vom Lachyoga seien „ausschließlich positive Rückmeldungen gekommen“. Es sei eine ideale Ergänzung im Gesundheitstraining. Etwas, das die „Lungenfunktion anregt, das Gehirn mit mehr Sauerstoff versorgt und Stresshormone abbaut“. Alle zwei Wochen findet Lachyoga in der Klinik statt, und Morper genießt es schon, nur an dem Raum vorbeizugehen, in dem gelacht wird. „Das steckt an, auch wenn man gar nicht dabei ist.“
Lachen aus dem Bauch heraus
Überzeugt hat Vollmuth auch die Krebs-Selbsthilfegruppe in Schweinfurt. Leiterin Dorothea Traub war überrascht und wundert sich: „Dass man als vernünftiges, gestandenes Menschenkind so aus dem Bauch heraus lachen kann.“ Eigentlich wollte sie sich beherrschen, konnte sich dem Sog des Lachens aber nicht entziehen. „Meine Frauen sind nicht so schnell zum Lachen zu bringen“, erzählt Traub, „aber die waren so übermütig.“
Hilde Otto hatte Lachyoga in der Bavaria-Klinik Bad Kissingen kennengelernt und war so begeistert, dass die Selbsthilfegruppe es auch ausprobieren wollte. Jetzt teilen alle Teilnehmer ihre Euphorie und entwickeln zusammen Lach-Pläne: „Wenn wir uns treffen, dann klatschen wir erst mal in die Hände und lachen“, lautet einer davon. Ein anderer: „Jeden Morgen, wenn ich in den Spiegel schaue, lache ich mir erst einmal zu.“
Wenn am Arbeitsplatz gelacht wird
Auch für die Mitarbeiter der Klinik wurden Lachyoga-Kurse angeboten. Und damit steht die Klinik nicht alleine da. Das Lachen hält Einzug selbst im Business-Bereich. Die Agentur für Arbeit Schweinfurt hat es in ihrem Gesundheitsprogramm schon angeboten, auch die Schweinfurter Großindustrie lud ihre Mitarbeiter schon zum Lachen ein. Heute weiß man, dass ein sauertöpfischer Chef auch die Stimmung und Motivation bei seinen Mitarbeitern senkt. Wer sich an seinem Arbeitsplatz wohlfühlt und dort auch mal herzhaft lachen darf, ist produktiver und kreativer, sagt die Humorforschung. Der US-amerikanische Forscher John Morreall sieht Humor als Wirtschaftsfaktor: Er ist überzeugt davon, dass Humor tatsächlich Probleme in Unternehmen lösen kann. Humorvolle Menschen könnten Entscheidungen flexibler treffen und schneller die Perspektiven wechseln.
Kinder und Narren, weiß der Volksmund, sagen die Wahrheit. Die einen, weil sie sie nicht ernst nehmen, die anderen, weil sie nicht ernst genommen werden. Wahrheiten, die den Widerstand der Zuhörer durch ein Lachen brechen, sind Wahrheiten, die gehört werden. Im Mittelalter praktizierten dies Hofnarren, heute Kabarettisten. Ja, und auch im Fasching werden den Großen und Mächtigen gehörig die Leviten gelesen. Durch das Zusammenspiel von Witz und Wahrheit haben gute Büttenredner einen Weg gefunden, den Widerstand ihrer Zuhörer zu umgehen.
Die höchste Stufe des Humors ist die, über sich selbst lachen zu können. Und Tränen, die man lacht, braucht man nicht zu weinen. Lach dich glücklich – frei nach Dr. Madan Kataria, dem Begründer der Lachyoga-Bewegung, wird in den Kursen nicht gelacht, weil man glücklich ist. Die Menschen sind glücklich, weil sie lachen. Und so laufen im Lachclub Bad Kissingen die Teilnehmer aufeinander zu, den Daumen hoch, strahlen sich an und rufen sich zu: „Very, very good, yeah!“
Kontakt:
Der Lachclub Bad Kissingen trifft sich an jedem zweiten und vierten Montag im Monat von 19.15 Uhr bis 20.45 Uhr zum Lachyoga. Am 13. Februar bei „Activ Fitness“, Hartmannstraße 15c. Ab 13. März dann immer im Caritasverband, Hartmannstraße 2a, in Bad Kissingen.
Infos: Matthias Vollmuth, Tel. 0152- 29 73 79 01.
Mail: matthiasvollmuth@web.de Die Würzburger Heiterkeitstrainerin Tina Keßler ist erreichbar unter Tel. (09 31) 2 59 23 oder Mail: lachenmittina@gmail.com