Jetzt ist es offiziell. Das Welterbekomitee hat am frühen Nachmittag in der chinesischen Hafenstadt Fuzhou elf europäische Kurstädte zum Welterbe ernannt. Die Freude war den Verantwortlichen der Stadtverwaltung Bad Kissingen für die Bewerbung anzusehen. Sie ließen sich im Anschluss an die Nachricht zu einem Siegerfoto mit hochgestreckten Daumen hinreißen und rissen dann im Überschwang sogar symbolisch die Arme hoch.
Noch ein Fünkchen Unsicherheit vorab
"Ich war schon vorher zuversichtlich", kommentierte Oberbürgermeister Dirk Vogel die Entscheidung. Trotzdem lag bei der Übertragung aus China eine gewisse Spannung in der Luft. Über zwei Stunden mussten etwa ein Dutzend Beschäftigte der Verwaltung dem eher trockenen Programm folgen, bis die sehnlichst erwartete Verkündigung via Internet um die Welt ging. "Ich kenne ja die Arbeit politischer Gremien", begründete Vogel sein letztes Fünkchen Unsicherheit, das ihn anfangs durch den Glückstag für die Kurstadt begleitete.
Dass es in Deutschland nur 48 Welterbestätten gibt, darunter jetzt neun in Bayern, unterstreiche die Besonderheit des Prädikat, so Vogel. Es betone auch die gemeinsame Verantwortung, die elf europäischen Kurstädte gemeinsam in die Zukunft zu führen. Das biete eine touristische Chance, aber zugleich die Verpflichtung zum Erhalt der gemeinsamen Errungenschaften.
Im Bewerbungsverfahren waren sich die betroffenen Kurstädte bereits näher gekommen. Das grenzüberschreitende Vorhaben sei auch unter Unesco-Maßstäben etwas Besonderes. Mit dabei sind unter der Federführung Tschechiens neben Bad Kissingen auch Baden-Baden, Bad Ems, Karlsbad, Marienbad, Franzensbad, Spa (Belgien), Bath (England), Vichy (Frankreich), Montecatini Terme (Italien) und Baden (Österreich).
"Wir sind gewissermaßen die EU im Kleinen", so Oberbürgermeister Dirk Vogel. Zweifel habe es nach dem Brexit zwischenzeitlich über den Verbleib des britischen Bath in dem Gemeinschaftsprojekt gegeben.
Gemeinsamer Briefkasten in Baden-Baden
Doch das scheint vom Tisch. Bei der vergangenen Besprechung hatte die Bewerberrunde in Baden-Baden festgelegt, dass die gemeinsam gegründete Gesellschaft dort eine gemeinsamen Briefkasten bekommt. Hauptsächlich müsse jede Kurstadt das dazu gewonnene Ansehen wohl für sich selbst nutzen, denkt Vogel. Allerdings gebe es Überlegungen für gemeinsame Aktionen, wie etwa einen Great-Spas-of-Europe-Bus, der Werbung machen könnte.
Nach der freudigen Verkündigung in China beklebten Mitarbeiter der Stadtverwaltung und des Servicebetriebes Gemeinschaftsplakate der Great Spas of Europe im Stadtgebiet zusätzlich mit einem roten Sticker "Wir sind Welterbe". Touristische Hinweistafeln an den Stadteinfahrten können erst aufgestellt werden, wenn die Ernennungsurkunde überreicht ist. Danach darf die Stadt das entsprechende Unesco-Logo tragen. Bis dahin kann aber noch rund ein halbes Jahr vergehen. Auch über eine entsprechende Beschilderung an der Autobahn werde man sich Gedanken machen.
Bei einem Pressegespräch zu dem Erfolg wertete Thomas Gunzelmann vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege die Bewerbung der elf Kurstädte bei der Unesco als eine der komplexesten überhaupt. "Es gab Hin und Her, Auf und Ab und Auseinandersetzungen", blickte er auf den grenzüberschreitenden Bewerbungsprozess zurück. Nun gelte es, die dazugewonnenen Potenziale zu nutzen.
Festakt am kommenden Freitag
Bei einem Festakt am Freitag, 30. Juli, soll das Ereignis im Rahmen der Corona-Möglichkeiten gefeiert werden. Dort sollen auch mögliche Perspektiven für die Stadt durch den neuen Titel aufgezeigt werden.
Wem 4 Sterne nicht reichen: daheim bleiben!
Jetzt ist auch der Freistaat gefordert. Seit dem Abbruch des Steigenberger Kurhaushotels hat Kissingen kein 5-Sterne-Hotel mehr und verlor das entsprechende Stammpublikum. Wenn heutige Architekten ein modernes Hotel in diese Baulücke im historischen Kurviertel setzen, geht das höchstwahrscheinlich schief. Nichts schief liefe bei einer Rekonstruktion der Fassade, die zwar auch nicht historisch war, aber harmonisch. Im Innern könnte ein modernes 5-Sterne-Hotel entstehen, ein mondänes Grandhotel - kein Familienhotel, das gibt's am Sonnenhügel.
Zudem nicht die Fehler der 70er Jahre wiederholen. Damals hatte man viel Geld und griff im Aktionismus ins historische Kurviertel ein und machte später alle Veränderungen wieder rückgängig. Geld verdirbt den (historischen) Charakter! Was Kissingen jetzt braucht ist nicht viel Geld sondern Einfühlungsvermögen. Wer die Great-Spas-of-Europe besucht will das Ambielnte der Belle Epoque und nicht den Protz eines reichen Freistaat sehen.