In den kommenden Wochen wird darüber entschieden, ob in der Rhön ein dritter bayerische Nationalpark eingerichtet wird. Während die einen von einer einmaligen Chance für die Region, Wachstum, hochwertigen Arbeitsplätzen und einem enormen Schub für den Tourismus sprechen, warnen andere vor Einschränkungen für die Waldnutzung, sehen Arbeitsplätze in der Forst- und Holzwirtschaft bedroht oder befürchten eine noch schlimmere Wildschweinplage. Was davon ist nun richtig? Überwiegen die Chancen oder doch die Risiken?
Nicht gegen die Rhöner
Bei all diesen Unklarheiten wird allseits versichert, dass die Rhöner bei der Entscheidung zum Thema Nationalpark darüber ein gewichtiges Wort mitreden sollen. Gegen die Bevölkerung soll es keine Entscheidung geben, haben die politisch Verantwortlichen, wie die beiden Rhöner Landräte Thomas Bold und Thomas Habermann, Landtagsabgeordneter Sandro Kirchner und auch Umweltministerin Ulrike Scharf (alle CSU) mehrfach betont. Dazu soll jetzt der Dialog über dieses Thema angeschoben, vorangetrieben und vertieft werden.
Informieren und diskutieren
Voraussetzung für vernünftige Diskussionen und die Entscheidungsfindung sind fundierte Informationen. Dazu möchte diese Zeitung in den wenigen Wochen bis zur Entscheidung Hilfestellungen bieten. Die Redaktion will versuchen, Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um das Thema Nationalpark Rhön zu geben. Pro und contra sollen möglichst umfangreich erörtert werden. Bei der höchst komplizierten Thematik wird es sicherlich nicht möglich sein, jedes Problem umfassend zu klären. Ganz im Sinn des Dialogprozesses soll es aber Ziel sein, das Thema in die Öffentlichkeit zu tragen, Fragen möglichst einfach, vielleicht manchmal etwas subjektiv, in jedem Fall aber neutral zu beantworten – wie das im folgenden Text mit einigen Fragen versucht werden soll, die in den vergangenen Wochen aufgeworfen wurden..
Natürlich können und sollen sich hier auch unsere Leser beteiligen. Wer Fragen, oder Anregungen zum Thema Nationalpark hat, kann sie der Redaktion zukommen lassen. Gemeinsam mit Fachleuten – unter anderem hat das bayerische Umweltministerium seine Unterstützung zugesagt – soll versucht werden, entsprechende Antworten zu finden.
Die Redaktion ist zu erreichen unter red.neustadt@mainpost.de oder Redaktion Main-Post, Industriestraße 8, 97616 Bad Neustadt
Fragen und Antworten zum Nationalpark
Bis wann wird entschieden, wo ein Nationalpark entstehen soll?
Die Entscheidung, wer der Kandidat der Staatsregierung für den dritten Nationalpark wird, soll nach den Angaben von Umweltministerin Ulrike Scharf bis zur Sommerpause, also bis Ende Juli getroffen werden. Auch wenn dieser Zeitplan – vermutlich wahlbedingt – im Vergleich zu Äußerungen von vor einigen Wochen reichlich verkürzt wurde, ist er nach Ansicht der Ministerin umsetzbar.
Wie groß sind die Chancen der Rhön?
Nach Angaben der bayerischen Umweltministerin Ulrike Scharf gibt es keine Favoriten unter den Kadidaten Spessart, Donauauen bei Kehlheim und Rhön. Für die Rhön spricht allerdings, dass der dritte Nationalpark ursprünglich im Norden des Freistaats entstehen sollte und es im Spessart – nicht zuletzt wegen zahlreicher Holzrechte – heftigen Widerstand gegen das Vorhaben gibt.
Ist die Rhön überhaupt als Nationalpark geeignet?
Sowohl nach den Aussagen der Ministerin wie auch verschiedener Verbandsvertreter erfüllt die Rhön aus naturschutzfachlicher Sicht die Voraussetzungen für einen Nationalpark. Ansonsten wäre sie auch gar nicht in das Auswahlverfahren aufgenommen worden, so die Ministerin.
Wie groß muss ein Nationalpark sein ?
Ein Nationalpark soll ein möglichst unzerschnittenes Gebiet mit einer Mindestgröße von 10 000 Hektar (zehn auf zehn Kilometer) sein. Auf 75 Prozent dieser Fläche, der Naturzone, soll sich die Natur, ähnlich einem Naturschutzgebiet, möglichst ungestört entwickeln können. Dieses Ziel muss aber erst längerfristig erreicht werden, wozu Entwicklungszonen eingerichtet werden. In den restlichen 25 Prozent, der Pflegezone, sind andere Nutzungsformen wie Beweidung möglich.
Wo kommen die Flächen für einen Nationalpark her?
Für einen Nationpark Rhön kämen im wesentlich Staatswaldflächen in Betracht. Private Flächen oder Kommunalwälder sollen zur Abrundung der Nationalparkfläche herangezogen werden – und das ausdrücklich nur mit Zustimmung der Eigentümer. Eine Möglichkeit wäre neben Kauf zum Beispiel auch Flächentausch.
Gibt es ausreichend Staatswaldflächen in der Rhön?
Offensichtlich schon. Das Problem ist allerdings, dass die Flächen nicht zusammenhängen, sondern die bislang ermittelte Fläche eher einem Flickenteppich gleicht. Eine erste Karte hat eine Arbeitsgruppe aus Vertretern von Umweltministerium, Regierung von Unterfranken und den Landkreisen Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld vorgelegt. Die wurde bereits in dieser Zeitung abgebildet.
Kann aus diesem Flickenteppich ein Nationalpark werden?
Die Fachleute meinen Ja. Allerdings dürfte es sehr arbeitsintensiv werden, ein zusammenhängendes Gebiet zu entwickeln. Andererseits ist dazu reichlich Zeit vorhanden. Zunächst würde ein „Entwicklungsnationalpark“ ausgewiesen. Dann bleiben 30 Jahre Zeit, alle für einen Nationalpark erforderlichen Kriterien zu erfüllen.
Stellen die Bayerischen Staatsforsten die Flächen überhaupt zur Verfügung?
Möglicherweise ungern, aber was bleibt ihnen anderes übrig? Der Staatswald ist Eigentum des Freistaats und wird von den Bayerischen Staatsforsten bewirtschaftet. Die unterliegen der Rechtsaufsicht des Landwirtschaftsministeriums. Der Kabinettsbeschluss für den dritten Nationalpark wurde einstimmig, also auch mit Zustimmung des Landwirtschaftsministers gefasst. Der Vorstandsvorsitzende der Staatsforsten, Martin Neumeyer, hat in Burglauer für die Rhön keine Hinderungsgründe wie im Spessart gesehen – vielleicht auch nur, wie gemutmaßt wurde, um den wirtschaftlich attraktiveren Spessart weiter bewirtschaften zu können.
Ist es verboten, wie regelmäßig und vielfach behauptet wird, in einem Nationalpark Pilze zu pflücken?
Um die Umweltministerin mit einem Wort zu zitieren: Diese Behauptung ist „Blödsinn“. Grundsätzlich dürfen Pilze in geringen Mengen für den persönlichen Bedarf gesammelt werden. Im Einzelfall können allerdings sogenannte „Betretungsregelungen“ (siehe folgende Frage) Einschränkungen für das Sammeln von Pilzen bedeuten.
Darf man den Nationalpark unbeschränkt betreten oder gibt es verbotene Bereiche?
Das ist eine komplizierte Thematik. Es ist ausdrücklich erwünscht, dass Besucher im Nationalpark durch ein attraktives Angebot an Wegen, Informationen und Führungen an die Natur herangeführt werden, so das Umweltministerium. Das gesamte Gebiet bleibt daher grundsätzlich auch weiterhin zugänglich. Es gibt allerdings in bestimmten Bereichen sogenannte Wegegebote, was die Verpflichtung bedeutet, bei Wanderungen die ausgewiesenen Wege nicht zu verlassen. In der Rhön kennt man solche Gebote zum Beispiel aus dem Naturschutzgebiet Lange Rhön, wo auf knapp 3300 Hektar ein solches Wegegebot besteht.
Ein Wegegebot im Nationalpark, so das Umweltministerium, „wird nur dort erlassen, wo es aus zwingenden Gründen zum Schutz von Naturschönheiten oder gefährdeter und störungssensibler Arten (zum Beispiel Auerhuhn) erforderlich ist.“
Wie das in den anderen bayerischen Nationalpaks aus ?
Im Nationalpark Bayerischer Wald sind 55 Prozent der Fläche uneingeschränkt begehbar. Immerhin 45 Prozent nicht. Wo ein Wegegebot besteht, können die Wege dennoch ganzjährig begangen werden. Vom 15. Juli bis 15. November ist es auch im Kerngebiet erlaubt, auf nicht markierten Wegen und Steigen unterwegs zu sein. Im Nationalpark Berchtesgaden besteht kein Wegegebot. Dafür sorgt schon die Unzugänglichkeit der Gebirgslandschaft.
Ein Nationalpark bedeutet ein starkes Wachstum im Bereich Tourismus. Wollen wir das überhaupt?
Diese Frage einer Bad Kissingerin lässt sich eigentlich nicht beantworten. Geht man als Einheimischer einmal an einem sonnigen Wochenende in die Rhön, versteht man, dass sie aber durchaus ihre Berechtigung hat. Wirtschaftlich sind steigende Gästezahlen nicht nur für Touristiker und Gastronomen höchst erwünscht. Wann aber ist die Belastungsgrenze für eine Region erreicht? Wichtig ist sicherlich, dass eine hochwertige und leistungsfähige Besucherinfrastruktur geschaffen wird. Dazu zählen in den anderen Nationalparken unter anderem die Besucherzentren und ein Führungsprogramm. Beim Thema Wanderwege- und Radwegenetz ist die Rhön bereits sehr gut aufgestellt.