"Sippschaftszecken müssen Bock auf radikale Promo haben", bereit sein "richtig Randale" zu machen und dafür Sorge tragen, dass das Label "Missglückte Welt" der Band "Swiss + Die Andern" "auf allen Kanälen in vollem Umfang propagiert wird" - diese Aussagen stammen aus einem Dokument an die Fans der Punk-Rock-Band "Swiss + Die Andern", die in diesem Jahr auch auf dem "Ab geht die Lutzi"-Festival in Rottershausen spielen wird.
"Sippschaftszecken", das sind die Hardcore-Fans der Band. In dem Dokument "Leitfaden Sippschaften", das im Fan-Forum auf der Internetseite der Band kursiert, wird den Fans erklärt, wie sie Teil dieser Gemeinschaft werden, sogenannte "Sippschaften" gründen können und welche Rechte und Pflichten damit einhergehen. Unter anderem aufgrund dieser Praktik polarisiert "Swiss + Die Andern" innerhalb der Punk-Szene. Auf der einen Seite von den Fans gefeiert, werfen Kritikerinnen und Kritiker der Band unter anderem vor, ihre Fans für Promozwecke zu benutzen und sektenähnliche Strukturen innerhalb ihrer Fangemeinde zu fördern. Wogegen sich die Kritik an "Swiss + die Andern" richtet und was die Veranstaltenden des "Ab geht die Lutzi"-Festivals zu der Kontroverse um die Band sagen.
Kritikerinnen und Kritiker sehen in den Sippschaften sektenähnliche Strukturen
In der deutschen Punk-Szene kommt man kaum noch an "Swiss + Die Andern" vorbei. Um die aus Hamburg stammende Band hat sich mittlerweile eine treue Fangemeinde gebildet, deren engsten Kreis die in Sippschaften organisierten "Zecken" bilden. Hauptaufgabe der Sippschaften ist laut Leitfaden die Promo für die Band. Im Gegenzug werde ihnen unter anderem ein Vorbezugsrecht bei Konzerttickets und limitierten Merchandise-Artikeln sowie ein verfrühter Einlass zum Soundcheck bei Konzerten versprochen, heißt es in dem Dokument.
Diesem Fan-Kult stehen viele kritisch gegenüber. So existieren in den Sozialen Netzwerken einige "Anti Swiss"-Seiten, die unter anderem mit Memes, das sind Fotos oder Videos, die auf humoristische Art und Weise Personen oder Situationen veräppeln, Kritik an der Band üben. Tenor ist meist die Ansicht, "Swiss + Die Andern" verstoße gegen die antikapitalistische und konsumkritische Haltung der Punk-Szene, indem sie ihren Fans teure Fanartikel verkaufen, und fördere mit der Sippschaft sektenähnliche Strukturen.
Sippschaftskutten als Erkennungszeichen nur mit internem Code zu kaufen
Denn um in eine der Sippschaften aufgenommen zu werden, müssten Fans häufig zunächst ein "Anwärtersystem" durchlaufen und dabei beweisen, dass sie deren "Ideale repräsentieren" und bereit sind "radikale Promo" zu betreiben, wird in dem Leitfaden erklärt. Auch gegen das Erkennungszeichen vieler Mitglieder, die Sippschaftsjacken, richtet sich die Kritik. Gekauft werden können die Jacken nur von Sippschaftsmitgliedern mit einem internen Freischaltecode im Shop der Band. Und das mit 80 bis 90 Euro für einen relativ hohen Preis, dafür dass die Band laut Leitfaden damit "nicht einen einzigen Cent verdienen" und sich gegen den "Marken-Faschismus" positionieren will, kritisiert unter anderem das Online-Magazin "Album der Woche".
Hinzu kommt, dass "Zecken", die aufgrund von Fehlverhalten aus der Sippschaft ausgestoßen werden, ihre Weste abgeben müssen, ohne ihr Geld dafür zurückzuerhalten. Der Betrag werde in diesem Fall als "Bearbeitungsgebühr", die Westen lediglich als "Leihgabe" angesehen, heißt es im Sippschafts-Leitfaden.
Keine Probleme mit Sippschaftsmitgliedern auf dem Lutzi-Festival
"Swiss + Die Andern" selbst war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Seitens der Veranstaltenden des "Ab geht die Lutzi"-Festivals sehe man den Auftritt der Band jedoch unproblematisch. Man verfolge die Wege der Band bereits seit einigen Jahren und "könne seither nichts Negatives über Band, Crew und Fans berichten", teilen die Verantwortlichen des Festivals auf Anfrage dieser Redaktion mit. Auch seine Fanschaft durch das Tragen von Fan-Kutten zum Ausdruck zu bringen, sei gerade im Punk-Rock-Bereich durchaus üblich.
Dennoch sei man sich bewusst darüber, dass die Band in der Szene polarisiere und diskutiert werde. "Auch wir haben, neben viel Positivem, vereinzelt kritische Stimmen zur Band wahrgenommen und intern bewertet", heißt es seitens der Veranstaltenden. Da es in der Vergangenheit auf dem Festival jedoch zu "keinerlei Abgrenzung, Unterscheidung oder gar Anfeindungen" zwischen den durchaus häufig vertretenen Trägerinnen und Trägern von Sippschaftskutten und anderen Besucherinnen und Besuchern gekommen sei, sehe man für das Festival aktuell keinen Handlungsbedarf. Zu den Gepflogenheiten und Regeln innerhalb der Sippschaften könne man sich aber nicht äußern.