Was war es für ein Privileg, als Kleinbracher im Nachbarstadtteil Hausen als Einzelklasse in die Grundschule gehen zu dürfen. Drei Jahre waren wir 19 Häusler und "Klennebracher" wohlbehütet aufgehoben.
Immer wenn die Adventszeit vor der Türe stand, da ging mein Herz auf. Ein Grund war, dass wir in dieser Zeit in der Schule Plätzchen und Tee genießen konnten. Dazu Kerzenlicht und passende Musik aus einem uralten, tragbaren Kassettenrekorder. Natürlich war auch die Verkostung der Backwerke der Mitschüler eine willkommene Abwechslung.
Wohltätig für andere Kinder im Einsatz
Der andere Grund war wohltätigkeitsgeschuldet. Auf eine Eigenschaft bin ich nämlich etwas stolz. Es geht um meine Neigung, gerne zu spenden. So war es auch schon im Grundschulalter. Mein damaliger Lieblingslehrer Herr Bonk – es gab ja auch nur einen – organisierte immer eine Weihnachtspäckchen- und Spendenaktion für "arme Kinder" in Polen. Er war sehr engagiert und konnte uns sehr eindrucksvoll die Bedürftigkeit darstellen. Uns ging es damals sehr gut.
Jeder brachte für die Spendenpäckchen etwas mit: Süßigkeiten, Spielsachen oder sonstige nützliche Dinge. Der eine oder andere kleine DM-Betrag wurde auch beigetragen.
Ich nahm dazu immer das Taschengeld meiner Oma "Bella", die zufälligerweise gegenüber der Schule wohnte. Die Taschengeld-Dezemberauszahlung glaubte daran. Es war ein Fünf-DM-Stück – eine Münze, die bei Spielwarenläden einiges bewirken konnte. Diese Münze opferte ich für den guten Zweck und ich bereute es keine Sekunde.
Irgendwann wurden die Waren und das Spendengeld, das unser Lehrer immer großzügig aufrundete, rechtzeitig vor dem Heiligen Abend nach Polen geschickt. Nach den Ferien erhielten wir dann einen Dankesbrief. Uns wurde warm ums Herz.
Damals wusste ich noch nicht, dass ich mal Polizeibeamter werden würde und ich tat etwas, was zumindest aus heutiger Sicht ein "Haus- und Familiendiebstahl" gewesen wäre. Es war in der 3. Klasse und wieder Spendenzeit. Diesmal konnte ich aber mit zwei fünf DM-Stücken glänzen.
Ich hatte ohne zu fragen aus dem Geldbeutel meiner Mutter fünf DM "stibitzt" und meinen Spendenbeitrag verdoppelt. Bereits am nächsten Tag packte mich aber mein schlechtes Gewissen und ich vertraute meinen "Fehltritt" meiner Mutter an. Zum Glück war die Reaktion am Ende sehr versöhnlich. Ein kurzer Schimpfer, danach der alles rettende Satz: "Hättest doch was gesagt, dann hättest du es auch bekommen!" Zum Glück gibt es Mütter.
So denke ich bis heute gerne an die damalige Adventszeit, die dort im beschaulichen Hausen geräuschlos und unauffällig, ganz ohne Social-Media, "Sternstunden" für andere zauberte.
Text: Christian Pörtner
Foto: Marco Erhard / Montage: Anne Schmidhuber
Christian Pörtner (48) ist Polizeirat und Leiter der Polizeiinspektion Bad Kissingen.
In der Kolumne "Kissinger Adventskalender" schreiben Menschen aus dem Landkreis Bad Kissingen Anekdoten und Gedanken rund um Advent und Weihnachtsfest.