Weihnachtsmann war für mich als kleines Kind ein Fremdwort. Das Christkind gab es: Es hieß Jesuskind und lag in der Krippe. Das Christkind brachte nicht die Geschenke – das hätten meine Eltern nie erzählt.
Wir lernten es eher umgekehrt: Nicht das Christkind bringt Geschenke, sondern die Hirten bringen dem Jesuskind Geschenke. Deswegen beschenken sich die Menschen an Weihnachten. Das war klar, dass das Kind in der Krippe etwas brauchte. Von Orffs Weihnachtsspiel her wusste ich das.
Die Krippe war zu Weihnachten wichtig
Die Krippe, die war wichtig. Wir gingen mit Oma zum Moos holen. Die Krippe wurde aus dem Speicher geholt und vorbereitet: ob das Lämpchen im Stall noch funktionierte, der Zaun in Ordnung war. Der Stall selbst war eine Art Höhle aus einer Wurzel und einem großen Stück Korkrinde. Am Heiligabend schließlich durfte ich die Figuren aus dem Zeitungspapier packen und die Szenerie mit Hirten und Schafen, Ochs und Esel, Engel, Maria, Josef und dem Jesuskind aufstellen. Stress gab es, wenn ich damit nicht pünktlich fertig wurde. Den Baum schmückten die Eltern und meine Schwestern.
Zurück zu den Geschenken: Es gehört zu meinen frühen Erinnerungen, dass wir Kinder auch Geschenke für die Eltern vorbereiteten. "Weißt du schon was für Papa? Für die Mama?" wurde man gefragt. Wir malten Bilder oder verpackten andere kleine Geschenke, die wir dann unter den Baum legten. Wir, nicht das Christkind.
Ab dann war Betretungsverbot für die "Gute Stube", in der Krippe und Baum aufgebaut waren. Die ganze Familie saß in der "Stube" zusammen, dem eigentlichen Wohnzimmer.
Jetzt kam, wie jeden Tag im Advent, der Adventskranz zum Einsatz. Es wurden Adventslieder gesungen. Viele. Papa begleitete uns auf der Gitarre. Geschichten wurden vorgelesen. Dazu gab es ein eigenes Buch. Lange dauerte diese Andacht, sehr lange für einen "aufgeweckten Jungen" (so stand es in meinen Zeugnissen) wie mich. Mama verschwand zwischendurch in der Küche, um das Essen vorzubereiten.
Endlich war diese Andacht vorbei, es gab eine Kleinigkeit zu essen (kein Festmahl – das war erst am 25. Dezember) und wir wechselten in die "gute Stube". Jetzt lagen deutlich mehr Geschenke unter dem Baum. Und ich war überrascht: Wann haben meine Eltern die da hin gestellt? Wir waren doch beim Singen. Oder war es der Onkel, der nebenan wohnte?
Geschenke auspacken war allerdings noch nicht. Die Kerzen am Baum wurden entzündet und wir durften Wunderkerzen abbrennen. Wieder wurde gesungen, jetzt Weihnachtslieder. Viele. Die Stimmung war sehr feierlich und erwartungsfroh. Endlich durften wir die Geschenke auspacken und es gab Weihnachtsplätzchen.
Dass meine Mutter nicht nur kurz "in die Küche" verschwunden war, sondern auch rasch die Geschenke unter den Baum gestellt hat – bis ich das rausgekriegt habe, das hat gedauert.
Text: Pater Markus Reis
Foto: Paul Ziegler / Montage: Anne Schmidhuber
Pater Markus Reis (64) ist Pfarrer in der Pfarrei St. Maria Magdalena Münnerstadt.
In der Kolumne "Kissinger Adventskalender" schreiben Menschen aus dem Landkreis Bad Kissingen Anekdoten und Gedanken rund um Advent und Weihnachtsfest.