Welche Erlebnisse verbinden Sie mit Weihnachten? Als mir diese Frage von der Redaktion gestellt wurde, musste ich einen kleinen Moment überlegen, aber dann dachte ich mir, eigentlich ist es der Tag vor Heiligabend. Die Arbeit auf dem Hof ist erledigt, Papa hat Urlaub und Mama war meistens in der Küche mit Kochen beschäftigt und so hatten meine Schwester und ich einen ganzen Tag Papazeit.
Diese wertvolle Zeit haben wir dann jedes Jahr genutzt, um gemeinsam die Krippe und den Christbaum aufzustellen. Seit ich denken kann, haben wir immer die unteren Kugeln an den Baum hängen dürfen, irgendwann dann auch die oberen und als wir dann noch ein bisschen älter waren auch die Lichterketten. Während wir beide das so gemacht haben, wie wir wollten, hat Papa immer den großen Tisch und die dazugehörige mit Tischdecken umspannte Holzplatte vom Dachboden geholt.
Eine 130 Jahre alte Krippe wird jedes Jahr aufgestellt
Im Anschluss daran wurden die großen Kartons und der Stall für die Krippe vom Dachboden getragen. Dann konnte der Aufbau der Krippe starten. Gemeinsam wurden die Felswände am Stall angebracht und die Zäune am Rand des Tisches montiert, um ein "Abstürzen" der Schafe zu verhindern.
Dann kam der spannendste Moment des Aufbaus. In den Kartons, die voller Styroporkugeln sind, mussten die Figuren gesucht werden. Wer als erstes das Jesukindlein fand, hatte gewonnen. Und so verging jedes Mal der Nachmittag vor Weihnachten wie im Flug.
Im Anschluss saßen wir jedes Jahr vor der Krippe und Papa hat uns erzählt, welches handwerkliche Meisterwerk vor uns steht – schließlich ist die Krippe schon von seinem Ur-Opa, also unserem Ur-Ur-Opa und damit rund 130 Jahre alt. Ein altes Familienerbstück mit einer tollen Geschichte.
Die Säulen des Stalls sind von Hand gedrechselt, das Dach ist mit Rinde aus Feuerthaler Wäldern gedeckt, die Rückwand des Stalles glitzert, da hier zahlreiche winzig kleine Glassplitter aus alten Weinflaschen aufgeklebt wurden und die Stufen rund um den Stall sind tiefschwarz vom Wachs der Kerzen, die hier in früheren Jahren angezündet wurden. Schließlich war die Krippe einst für den Seitenaltar der Feuerthaler Kirche gebaut worden, bevor sie durch eine neue Krippe ersetzt wurde und so wieder in Familienhand zurückkam.
Deshalb ist es auch heute noch ein besonderer Tag, wenn wir gemeinsam die Krippe aufbauen, über das Leben vor 130 Jahren, die damaligen Familienverhältnisse und die Voraussetzungen für den Bau einer solchen Krippe nachdenken – und wer weiß, wer in einigen Jahrzehnten die Krippe aufbauen wird und genauso davor sitzt, wie wir es jedes Jahr tun?
Text: Ramona Schum
Foto: Florian Reuter / Montage: Anne Schmidhuber
Ramona Schum (23) ist die 6. Hammelburger Weinprinzessin.
In der Kolumne "Kissinger Adventskalender" schreiben Menschen aus dem Landkreis Bad Kissingen Anekdoten und Gedanken rund um Advent und Weihnachtsfest.