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Rottershausen
Rottershausen: Warum der Meisterbetrieb Renninger bald schließt
Elfriede Kiesel führt seit 1987 den Pelzfachbetrieb ihrer Eltern. Wer zu ihr kommt, schätzt ihre kreative Ader. Die Geschäftsaufgabe dürfte für Kunden eine Hiobsbotschaft sein.
Feinfühlige Verbindung: Kürschnermeisterin Elfriede Kiesel liebt es, Pelze 'an der Hand zu spüren'.
Foto: Isolde Krapf | Feinfühlige Verbindung: Kürschnermeisterin Elfriede Kiesel liebt es, Pelze "an der Hand zu spüren".
Isolde Krapf
 |  aktualisiert: 09.02.2024 08:46 Uhr

Nun kommt es doch früher als geplant: "Renninger Pelze & Leder" schließt Ende 2021 die Pforten. Denn eigentlich hatte Elfriede Kiesel ihren kreativen Meisterbetrieb noch zwei Jahre weiterführen wollen. Doch die Coronakrise machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Zudem würde eine geplante Gemeinde-Baustelle in der Domstraße 2022 den Kunden den Zugang zu ihrem Geschäft erschweren, sagt sie." Wir haben es uns nicht leicht gemacht", so die 63-Jährige. In ihrer Stimme schwingt freilich Wehmut über die geplante Schließung mit.

Denn für Elfriede Kiesel war und ist die Tätigkeit der Kürschnermeisterin ein "toller Beruf": "Man kann seine Kreativität ausleben", sagt sie leidenschaftlich und erklärt, dass eine Kürschnerin Pelze nach Farbe, Glanz und Haarstruktur verarbeitet. Ihre Augen leuchten, wenn sie von den verschiedenen Materialien spricht, die sie bei der Arbeit zu mischen pflegt und davon, wie sie es genießt, die unterschiedlichen Pelze "an der Hand zu spüren".

Diffizile Arbeit an der Pelz-Nähmaschine: Mit der Pinzette werden die Haare in die Naht eingestrichen, damit die Naht unsichtbar bleibt.
Foto: Isolde Krapf | Diffizile Arbeit an der Pelz-Nähmaschine: Mit der Pinzette werden die Haare in die Naht eingestrichen, damit die Naht unsichtbar bleibt.

Den Pelzfachbetrieb Renninger gibt es schon seit 62 Jahren. 1959 begann Kiesels Mutter Hildegard Renninger in ihrem Wohnhaus mit der Bearbeitung von Pelzkrägen. Das Geschäft florierte, so dass die Eltern in ihrem Eigenheim einen Verkaufsraum frei räumten und 1968 eine kleine Werkstatt anbauten. 25 Personen zählte die Belegschaft seinerzeit. Es wurde viel Lohnarbeit für große Kataloge wie Quelle, Bader und Baur gemacht.

Boom auf Pelzwaren in den 1970ern

In den 1970er Jahren setzte geradezu ein Boom auf Pelzwaren ein. Der Besitz beispielsweise eines Persianermantels oder einer Nerzstola war damals für viele Menschen in Deutschland zum Wohlstands- und Statussymbol geworden, sagt Elfriede Kiesel. "Ich bin im Betrieb groß geworden, kam von der Schule heim und half eben mit. Das hat sehr viel Spaß gemacht."

Für die junge Frau war nach dem Realschulabschluss im Jahr 1974 klar, dass sie Kürschnerin werden wollte. Nach der Lehre in Würzburg und ersten Erfahrungen bei Pelz-Fachbetrieben in Neuisenburg und Wiesbaden machte sie 1983 schließlich ihre Meisterprüfung an der Fachschule in Frankfurt.

1987 übernahm Elfriede Kiesel das Geschäft der Eltern und damit auch die Verantwortung für 20 Mitarbeiterinnen. Sie hatte inzwischen geheiratet und ihre erste Tochter war auf der Welt. Umso schöner war es, wie sie sagt, dass sie dann zu Hause arbeiten konnte. Doch der Run auf Pelzwaren ebbte in den 1980ern, ausgelöst durch verschiedene Anti-Pelz-Kampagnen, allmählich ab, was auch der Pelzfachbetrieb in Rottershausen zu spüren bekam. "Wir haben uns damals weiter Standbeine geschaffen", erzählt sie.

Anspruchsvoll ist auch die Arbeit mit Samtnerzen.
Foto: Isolde Krapf | Anspruchsvoll ist auch die Arbeit mit Samtnerzen.

1985 nahmen ihre Eltern schon die Bearbeitung von Lammfellen in die Produktionspalette auf. Später kam Lederbekleidung hinzu und zehn Jahre lang zählten auch Textilien zum Sortiment. Dass Elfriede Kiesel für ihre Kunden, meistenteils übrigens treue Stammkunden, stets auf der Höhe der Zeit blieb, indem sie Fortbildungstagungen besuchte und auf Messen nach topmodernen Neuheiten suchte, machte ihren Fachbetrieb umso attraktiver.

Im Februar 2020 war sie, wie jedes Jahr, mit ihrem Mann Klaus auch gerade noch auf der Mailänder Modemesse gewesen. "Da haben wir schon Menschen mit Gesichtsmasken gesehen", sagt die Rottershäuserin. "Doch es ging alles glatt, wir kamen gesund nach Hause." Und dann legte die Corona-Pandemie zu Hause auch ihr Geschäft erst mal komplett lahm.

Im Lockdown Internet-Shop eingerichtet

"Man akzeptiert es, weil man weiß, dass es sein muss. Aber wir hatten schon neue Ware geordert und die musste bezahlt werden." Doch die Kunden konnten freilich nicht kommen. "Es war wie abgerissen und das Geschäft hat sich auch nicht mehr richtig erholt", sagt Elfriede Kiesel. Doch Aufgeben war für sie keine Option. Weil die Kunden nun verstärkt übers Internet einkauften, richtete sie während des ersten Lockdowns ebenfalls einen Internet-Shop ein. Doch dies habe ihren Betrieb "nur ein bisschen" vorwärtsgebracht.

Interessantes Material zum Verarbeiten: Persianer-Felle, darunter auch Swakara-Rohfelle aus Südafrika, die vom Lamm des Karakul-Schafs stammen.
Foto: Isolde Krapf | Interessantes Material zum Verarbeiten: Persianer-Felle, darunter auch Swakara-Rohfelle aus Südafrika, die vom Lamm des Karakul-Schafs stammen.

Nach Ansicht von Elfriede Kiesel gehe im Internet auch das "Einkaufserlebnis" verloren. Und dann kommt noch etwas anderes hinzu: Früher hätten sich die Leute Geld zusammengespart, um sich ein Kleidungsstück zu gönnen. Da sei die Freude größer gewesen und das, was man kaufte, war "wert-voll". Heute würden eher günstige Schnäppchen gekauft, weil die Mode schnelllebiger ist.

Und das, obwohl heute mehr denn je von "Nachhaltigkeit" die Rede ist, kritisiert Elfriede Kiesel. Da sei dann ein natürlicher Pelz auf jeden Fall nachhaltiger als ein künstlicher Webpelz, der aus Erdöl-Ware hergestellt ist und, wenn er ausgedient hat, zum Sondermüll muss. "Einen Naturpelz kann man bei guter Pflege 20 bis 30 Jahre tragen." Wer das Tragen von Pelzmänteln kritisiert, müsste ihrer Ansicht nach auch die Herstellung von Lederbekleidung und -schuhen verteufeln. Denn Leder ist für Elfriede Kiesel im Prinzip ein "Pelz ohne Haare".

Der dritte Mann in Bayern mit Teilzeit

Was ihre zwei Töchter und ihren Sohn angeht, sei für sie und ihren Mann immer klar gewesen, dass die sich einen Beruf aussuchen müssen, der ihnen ein Leben lang Spaß macht. Das haben die drei dann auch getan. "Uns zuliebe sollten sie den Betrieb nicht übernehmen", sagt Elfriede Kiesel.

Elfriede und Klaus Kiesel vor dem Betrieb in Rottershausen. Ende des Jahres will die Kürschnermeisterin ihr Geschäft schließen.
Foto: Isolde Krapf | Elfriede und Klaus Kiesel vor dem Betrieb in Rottershausen. Ende des Jahres will die Kürschnermeisterin ihr Geschäft schließen.

Sehr viel Glück habe sie auch mit ihrem Mann gehabt, der sie in allen Dingen unterstützte, sagt die Rottershäuserin. "Ich hab das alles gern gemacht – außer Kochen", sagt ihr Gatte schmunzelnd. Weil es seinerzeit im Geschäft seiner Frau sehr gut lief und die Kinder ja betreut werden mussten, habe er ab 1985 sogar ein paar Jahre in seiner Behörde Teilzeit gearbeitet.

Das sei damals ein Novum für einen Mann gewesen. "Ich war der dritte Mann in Bayern, der das beantragte." Und dann war Klaus Kiesel sogar mal als Model in eine der Modenschauen seiner Frau eingespannt. Da seien seine Kumpels schon "platt" gewesen, als er da auf dem Laufsteg daherkam.

Öffnungszeiten in den kommenden Wochen: montags bis freitags 10 bis 18 Uhr, samstags von 10 bis 14 Uhr und auf telefonische Vereinbarung.

 
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