Charlotte Wahler ist sauer. Die diplomierte Kultursoziologin und Heilpraktikerin für Psychotherapie aus Ramsthal (Landkreis Bad Kissingen) hat den 2003 eröffneten "Poetischen Waldwanderweg" in ihrer Heimatgemeinde initiiert. Aufgeregt hat sie sich über einen Zeitungsartikel aus dem April über die Eröffnung des "Poetischen Wanderwegs" an der Seemühle bei Gräfendorf. "Ein Plagiat", schimpft sie. Schlimmer noch: Im Artikel zitiert ist eine Passage, die dem Gräfendorfer Einführungtext entnommen wurde – Worte originalgetreu aus ihrer Feder. Eine Klarstellung verlangt sie, dazu eine Entschuldigung.
Der Mann, der es zu verantworten hat, ist Stephan Schulze, der Betreiber des Baumhaushotels in Gräfendorf. Er entschuldigt sich tatsächlich für die Übernahme einer Wahler'schen Textpassage. Dies habe eine Mitarbeiterin ohne sein Wissen getan, erklärt er Wahler telefonisch. Deen "Poetischen Waldwanderweg" im Nachbarlandkreis habe er bisher noch gar nicht gekannt, erklärte er ihr und auf Anfrage auch der Redaktion. Inspiriert habe ihn vielmehr –wie im Artikel geschrieben – der so genannte Seelen-Pfad auf der Insel Wangerooge.
Auch die Tafeln, auf denen die Gedichte entlang des Gräfendorfer Wanderwegs zitiert werden, ähneln denen in Ramsthal, hat Wahler aufgrund des Fotos festgestellt.
Beim Abgleich der Poeten stellten die beiden Initiatoren fest, dass es rund ein halbes Dutzend Übereinstimmungen gibt – bei 17 Stationen in Ramsthal und einem mehr in Gräfendorf. Jedoch gibt es bei den ausgewählten Gedichten keine einzige Übereinstimmung.
Schulze zeigte sich eigenen Angaben zufolge entgegenkommend: Nicht nur, dass er die kopierte Textpassage ändern wird. Er lud Wahler auch auf ein Gespräch bei einem Kaffee ein und verweist auf seiner Tafel auch auf das Ramsthaler Original. Dieweil Wahler sich tröstet mit einem chinesischen Sprichwort: "Die Kopie ehrt den Meister."