
Der Landkreis schreibt jetzt seinen Nahverkehrsplan fort, welcher den Rahmen für künftige Entwicklungen vorgibt. Denn laut Gesetz müssen Landkreise in ihrem Wirkungskreis den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sichern. Im März dieses Jahres gab es hierzu im Kreisausschuss einen Zwischenstand. Im jüngsten Wirtschafts- und Umweltausschuss wurden weitere Entwicklungen vorgestellt. Im Mittelpunkt stand dabei der sogenannte "Jedermann-Verkehr" (ohne Schülerverkehr und Freizeitverkehre).
Wesentliche Neuerung des Konzepts, das Dieter Stepner von der Kobra Nahverkehrsservice GmbH (Kassel) im Ausschuss vorstellte, ist eine Linien-Hierarchie, das heißt die Einteilung des Liniennetzes in ein Haupt-, Neben- und Ergänzungsnetz. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass nicht alle Buslinien gleich gut mit Fahrgästen ausgelastet sind und daher aus Kostengründen auch unterschiedlich bewertet und ausgestattet werden sollten, hieß es.
Damit verknüpft ist die Einführung eines Taktverkehrs, erklärt der Nahverkehrsbeauftragte des Kreises, Michael Schäder, nach der Sitzung im Gespräch mit dieser Redaktion. Während es in früheren Fahrplänen für die Busse aller Linien ganz unterschiedliche Abfahrtszeiten gab, soll künftig für das Hauptnetz der Ein-Stunden-Takt eingeführt werden, so Schäder weiter. Geplant ist, dass Busse demnächst stündlich fahren, also montags bis freitags von 5 bis 19 Uhr und am Wochenende im Zwei-Stunden-Takt.

Im Nebennetz soll generell der Zwei-Stunden-Takt gelten, montags bis freitags von 5 bis 19 Uhr, wobei zu den Hauptverkehrszeiten jedoch der Ein-Stunden-Takt gelten soll. Im Ergänzungsnetz wird ein sogenannter verdichteter Zwei-Stunden-Takt angepeilt, der als "Bedarfsverkehr" ausgeführt wird. Das heißt, man will schauen, wie viele Fahrgäste die Busse nutzen werden und dann kleinere Busse für bis zu acht Fahrgästen bereithalten.
Bedienzeiten abends ausweiten
Neu ist auch, laut Schäder, dass die Bedienzeiten in den Abendstunden bis 19 Uhr ausgeweitet werden sollen, denn bislang fuhren die meisten Busse nur bis etwa 18 Uhr. Am Wochenende war dann gar nichts möglich. künftig sollen Landkreis-Bewohnerinnen und -Bewohner aber auch an Wochenenden Busse der Haupt- und Nebenlinien im Zwei-Stunden-Takt nutzen können und im Ergänzungsnetz je nach Bedarf, wie aus dem Konzept der Kobra GmbH hervorgeht.
Neben der Neuordnung der Lienen-Hierarchie, der Einführung von Taktverkehren und der Ausdehnung von Bedienzeiten sind die Bewertung der Haltestellen und ein Konzept für den barrierefreien Ausbau dieser Haltestellen zentrale Bestandteile der Fortschreibung des Nahverkehrsplans, sagt Schäder.
Barrierefreier Zugang zu Bussen
Nach dem aktuellen Personenbeförderungsgesetz (PBefG) soll die Barrierefreiheit nämlich schon bis 1. Januar 2022 erreicht werden, beziehungsweise sollen die Aufgabenträger des ÖPNV zumindest konkrete Aussagen getroffen haben, wie sie sich den barrierefreien Zugang zu Bussen und Haltstellen im Linienverkehr vorstellen.
Zunächst wurden von der Kobra GmbH drei Handlungsfelder bearbeitet. Nach Schäders Angaben geht es dabei um den Nutzwert und die Kategorisierung von Haltestellen nach der Anzahl der Fahrgäste, aber auch um die Basis-Ausstattung an diesen Haltepunkten im Landkreis. Dargestellt werden in dem aktuellen Konzept auch die Anforderungen an die Busse/Fahrzeuge, die Fahrgäste befördern.
"Zwei-Sinne-Prinzip" beachten
Denn die Busse müssen beispielsweise eine mechanische Rampe zum Aussteigen an der Türe haben sowie eine Sondernutzungsfläche im Inneren (beispielsweise für Menschen im Rollstuhl), heißt es im Konzept der Kobra GmbH. Drittens war es wichtig aufzuzeigen, so Schäder weiter, wie die Informationen für den Fahrgast gestaltet werden müssen. So müsse beispielsweise künftig das "Zwei-Sinne-Prinzip" greifen: Nutzungsrelevante Informationen müssten visuell sowie akustisch und/oder taktil erfassbar sein.

Aktuell sieht die Situation, laut Schäder, so aus: Die drei Handlungsfelder wurden abgearbeitet und rund 470 Haltestellen im Landkreis wurden nach den Kategorien A bis D priorisiert. So gehören beispielsweise die Haltestellen am Berliner Platz und am Bahnhof Bad Brückenau zu den fünf erfassten A-Haltepunkten mit einen Premium-Standard (zentrale Verknüfungshaltestelle mit hohen Anforderungen an den Ausbau).
Die Haltestellen am Münnerstädter Marktpatz und am Rathaus in Bad Brückenau zum Beispiel haben "gehobenen Standard" und gehören zur Kategorie B (herausgehobene Bedeutung). Die Kategorie C fasst einfache Ein- und Ausstiegsstellen mit relativ niedriger Fahrgast-Frequenz zusammen, die Kategorie D Haltestellen mit sehr geringen Fahrgastzahlen.
Konzept geht auch an die Kommunen
Dieses Konzept werde dann auch den Kommunen vorgelegt, die die Baulastträger für die jeweiligen Haltestellen sind. Man wird aber auch andere an diesem Nahverkehrsplan Beteiligte miteinbeziehen, sagt Schäder, wie zum Beispiel Verkehrsunternehmen, Nachbar-Landkreise und das Staatliche Baumt, welches für Staatsstraßen zuständig ist. Was Haltestellen an Kreisstraßen angeht, ist der Landkreis, nach Schäders Angaben, schon seit Jahren dabei, im Zuge von aktuellen Straßenbaumaßnahmen auch vorhandene Haltestellen zu modernisieren.
Erfreulich sei, sagt Schäder, dass die im Frühjahr zunächst prognostizierten Kosten für den so geplanten "Jedermannverkehr" jetzt niedriger ausfallen. War man im März noch von Kosten in Höhe von rund 4,5 Millionen Euro ausgegangen (bei 40 Prozent staatlicher Förderung), so werden nun 4,2 Millionen Euro angenommen. Rechnet man hierzu noch die Kosten für den Schülerverkehr und die Freizeitlinien, so lässt sich der Kreis sein Liniennetz jährlich rund 5,2 Millionen Euro kosten.
Bis zum ersten Quartal 2022 soll der endgültige Entwurf für den Nahverkehrsplan stehen, sagt Schäder. Dann muss der Kreistag ihn absegnen, so dass er noch vor der Sommerpause verabschiedet werden kann.