„Aus dem Hamsterrad kam ich einfach nicht mehr heraus. Ich mochte nicht mehr aus dem Bett und nicht mehr aus dem Haus.“ Angelika R. ist eigentlich eine fröhliche, positiv denkende Frau voller Energie, sagt sie von sich selbst. Sie liebt ihre Familie, hat viele Freunde und Spaß an ihrem Beruf. Das änderte sich ganz plötzlich mit dem Schlaganfall ihres Mannes - in einer Zeit, in der ihr die Arbeit als Führungskraft mehr und mehr abverlangt. Durch die private und berufliche Doppelbelastung wird die heute 63-jährige schließlich krank. Depression lautet die Diagnose ihres Arztes. Im Reha-Zentrum der Deutschen Rentenversicherung Bund in Bad Kissingen fasst Angelika R. wieder neuen Lebensmut.
Seelische Hochs und Tiefs kennt fast jeder. Die meisten Menschen kommen mit dem Auf und Ab ihres Seelenlebens gut allein zurecht. Viele tauschen sich darüber mit ihrem Lebenspartner oder ihren Freunden aus und finden so wieder zu einem inneren Gleichgewicht. Manchmal reichen jedoch solche Gespräche mit vertrauten Personen nicht aus. Wenn eine psychische Krise über Wochen andauert, ist es sinnvoll einen Arzt oder einen Psychotherapeuten aufzusuchen.
2017 waren in der stationären Reha über 172 000 Frauen und Männer wegen psychischer Störungen in Behandlung. Laut Statistik der Deutschen Rentenversicherung Bund machen sie in der Reha bereits die zweithäufigste Fallgruppe nach Erkrankungen von Skelett, Muskeln und Bindegewebe aus. "Reha ist eine Möglichkeit, um wieder zu einer guten Lebensqualität und zurück ins Alltags- und Berufsleben zu kommen", sagt Dr. Wolfram Franke, Ärztlicher Direktor des Reha-Zentrums.
Gruppentherapie und viel Bewegung
2012 ist Angelika R. erstmals im Reha-Zentrum in Bad Kissingen - auf Empfehlung ihres Hausarztes. "Sich einzugestehen, dass man psychisch krank ist, das ist ein schwerer Schritt", erzählt sie. Die Therapie schlägt an: Sie lernt Strategien, ihren Alltag besser zu bewältigen sowie körperlich und geistig zu entspannen. "Gruppentherapie, viel Bewegung und Infos zu guter Ernährung haben mir geholfen, dass es mir bald schon besser ging." Auch der Kontakt zu anderen Patienten hat ihr gut getan: „Da merkt man, diese Krankheit betrifft nicht nur mich." Das sei eine wichtige Erfahrung.
Wie unterscheidet sich eine Reha von einer Kur? "Eine Kur hat in erster Linie vorbeugenden Charakter und dient mit Massagen und Bädern der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit", erklärt Franke. Bei einer Reha gehe es darum, den Auswirkungen einer akuten Krankheit oder einer Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit entgegenzuwirken. Ziel sei, dass der Versicherte nicht vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden müsse.
„Psychische Erkrankungen sind sehr häufig. Besonders Menschen über 60 Jahre haben ein erhöhtes Risiko für Depressionen“, weiß Klinikchef Franke. Die durchschnittliche Verweildauer in der psychosomatischen Fachklinik beträgt fünf Wochen. Das Reha-Zentrum Bad Kissingen, in dem einst schon Thomas Mann verweilte, ist mit 320 Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber der Region.
Auch Rainer F. hat irgendwann bemerkt, dass mit ihm etwas nicht stimmt. „Ich war so weit, das ich manchmal plötzlich weinend vor meinen Kollegen stand und einfach nicht mehr konnte“, erinnert sich der leitende Angestellte. Der mögliche Grund für seine Erkrankung: Der 54-Jährige wurde von seinen Kollegen getriezt. "Irgendwann war ich nur noch traurig und antriebsschwach", sagt er. Sein Hausarzt stellt ebenfalls die Diagnose Depression. „Die Reha hat mir Wege aus der Depression gezeigt und es mir damit möglich gemacht, der drohenden Frühverrentung zu entgehen“, ist F. überzeugt. Durch die Therapie habe er wieder Stärke gewonnen.
"Wir wollen den Menschen passgenaue Lösungen für ihre Probleme an die Hand geben", sagt Franke. Reha, das sei immer ein Prozess. "Wir liefern frische Energie, neue Ideen und Fähigkeiten, die den Patienten ermöglichen, wieder einige Jahre erfüllt zu leben." Es könne aber auch sein, dass die Krankheit zurückkehrt. Rainer F. weiß, dass er an seiner Arbeit etwas ändern muss. "Vielleicht werde ich mich auch beruflich neu orientieren", sagt er.
Auch für den Sozialverband VdK ist die Rehabilitation – medizinisch und beruflich – eine wichtige Möglichkeit Erwerbsminderung zu verhindern oder zumindest teilweise zu beseitigen, sagt Carsten Vetter, Bezirksgeschäftsführer des VdK in Unterfranken. " Wir unterstützen dieses Thema sehr."
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