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Bad Brückenau
Main-Post-Aktion "Zeichen setzen!": Die humanitäre Riesenwelle von "Bad Brückenau hilft"
Als der Krieg in der Ukraine begann, wollten in der Rhöner Kurstadt spontan ein paar Engagierte helfen. Wie sich ihre Initiative ausgewachsen hat - und weitergeht.
Anpacken für die Menschen in der Ukraine: Christian Wirth (links) und Dirk Stumpe von der Initiative 'Bad Brückenau hilft' beim Aufstellen eines Materialcontainers.
Foto: Oliver Belz | Anpacken für die Menschen in der Ukraine: Christian Wirth (links) und Dirk Stumpe von der Initiative "Bad Brückenau hilft" beim Aufstellen eines Materialcontainers.
Wolfgang Dünnebier
 |  aktualisiert: 27.04.2023 13:29 Uhr

Es war bereits der neunte Ukraine-Einsatz der Initiative "Bad Brückenau hilft" - und er toppte für das Team alle bisherige Dramatik. Statt wie bislang "nur" an die polnisch-ukrainische Grenze zu fahren, gingen Christian  Wirth und Dirk Stumpe als kleine Rhöner Abordnung mit Anastasia Diachkova als Dolmetscherin Mitte Juli in das kriegsgebeutelte Land.              

"Es war schon ein merkwürdiges Gefühl", beschreibt Wirth den Grenzübertritt und das Passieren etlicher streng bewachter Kontrollpunkte. Auch, weil verstärkte russische Angriffe angekündigt gewesen seien. 

Humanitäre Fracht aus Unterfranken an die ukrainisch-polnische Grenze

Planmäßig hatte zuvor der Hauptkonvoi  aus einem Dutzend  Rhöner Ehrenamtlichen seine humanitäre Fracht am Ankunftszentrum des polnischen Grenzübergangs Przemysl abgeladen. Über ein Netzwerk von Unterstützern werden die Hilfsgüter von dort aus im osteuropäischen Nachbarland verteilt, sagt Mitinitiator Dirk Stumpe: "Wir haben inzwischen viele Ansprechpartner vor Ort, durch die alles zu hundert Prozent ankommt."

Geduld brauchten die Helferinnen und Helfer aus Bad Brückenau an Kontrollposten in der Ukraine.
Foto: Dirk Stumpe | Geduld brauchten die Helferinnen und Helfer aus Bad Brückenau an Kontrollposten in der Ukraine.

Um sich von der Verteilung selbst einen Eindruck zu verschafften wagte die kleine Delegation Mitte Juli den Aufbruch ins Ungewisse. Ziel waren Lwiw und Kamjanez-Podilskyj. An Bord des Sprinter-Busses hatte das Team unter anderem medizinisches Gerät und Medikamente für das Kreiskrankenhaus in Kamjanez. Zurück in Bad Brückenau, sind die Helfer noch immer voller Eindrücke: "Der herzliche Empfang in der Ukraine war überwältigend", sagt Dirk Stumpe.         

Im Krankenhaus fehlen OP-Werkzeug und Schmerzmittel

Besonders der Besuch in dem Krankenhaus nahm die Bad Brückenauer mit: "Es herrscht riesiger Mangel dort", sagt Christian Wirth. Zwar hätten sie in den vergangenen Wochen in Bad Brückenau Betten, medizinisches Gerät und Medikamente sammeln und über Boten in die Ukraine bringen können. Doch OP-Instrumente und Schmerzmittel fehlen. 

Wie schnell es vor Ort gefährlich werden kann, hätten sie am eigenen Leib gespürt, berichten die Helfer. Plötzlich habe es Fliegeralarm gegeben, mit ihrer Gastgeberin seien sie verunsichert in einen privaten Luftschutzkeller gehastet. "Eine halbe Stunden harrten wir aus, dann haben wir erst einmal ein Bier aufgemacht", erinnert sich Dirk Stumpe an die Entwarnung.             

Spontane Idee im Frühjahr - und bald im Kleinbus Flüchtlinge mitgenommen

Bei den ersten Spendenaufrufen von "Bad Brückenau hilft" in diesem Frühjahr war den  Unterstützerinnen und Unterstützern nicht bewusst, wie nah der Krieg ist. Und wie sich ihre Idee ausweiten würde. Spontan war aus der Kurstadt im März zunächst ein Konvoi aus neun Autos zur ukrainischen Grenze gestartet. Die mitgebrachten Eindrücke und die Schilderungen von verzweifelten Flüchtlingen spornten zu noch mehr Einsatz an: "Immer mehr Kofferräume liefen voll", erinnert sich Christan Wirth, der Unternehmer für Lagertechnik ist.

Beim nächsten Transport war eine gebürtigen Ukrainerin als Dolmetscherin dabei, um sich den Geflüchteten besser annehmen zu können. Besonders wichtig für Hilfssuchende wurde ein Kleinbus im Rhöner Tross: Spontan schrieben die Helferinnen und Helfer ein Pappschild, auf dem sie Mitfahrgelegenheiten nach Unterfranken anboten.             

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 9. Hilfstransports von 'Bad Brückenau hilft' an der Grenze zwischen Polen und der Ukraine.
Foto: Oliver Belz | Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 9. Hilfstransports von "Bad Brückenau hilft" an der Grenze zwischen Polen und der Ukraine.

Dankbar hätten Menschen das Angebot angenommen, berichten die Helfer. 21 Geflüchtete mit fünf Kindern, die zuvor stundenlang auf dem Steinfußboden eines Einkaufszentrums ausgeharrt hatten, fassten dank des Busses aus Bad Brückenau wieder Hoffnung.           

Geflüchtete bleiben in Unterfranken nicht auf sich selbst gestellt

In der Rhön blieben und beliben die Flüchtlinge nicht auf sich selbst gestellt: Die Initiative "Bad Brückenau hilft" organisierte Wohnungen und Einrichtung, Ehrenamtliche schleppten Möbel und stehen auch weiter bei Behördengängen und Übersetzerdiensten parat. Außerdem bieten sie neuerdings Deutschkurse samt Fahrgelegenheit an. 

"Keine Tour endet ohne das Bekenntnis, dass wir weitermachen."
Christian Wirth von der Initiative "Bad Brückenau hilft"

"Wir  sind breit aufgestellt", freut sich Dirk Stumpe, selbstständig in Sachen Textildruck, über die Mitwirkung quer durch alle Schichten. Unterstützung hätten Kleiderbasare und ein Benefizkonzert gebracht, sowie Bad Brückenauer Geschäftsleute. Inzwischen ist "Bad Brückenau hilft" als Verein eingetragen. 53 Mitglieder und rund 100 Helferinnen und Helfer unterstützen aktuell das Projekt.

Materiallager im ehemaligen Bahnhof von Bad Brückenau 

Dreh- und Angelpunkt aller Sammlungen ist der ehemalige Bad Brückenauer Bahnhof, den die Stadt als Lager  zur Verfügung stellt. Das aufgebaute Vertrauen lässt das Netzwerk wachsen. Teils seien palettenweise Rhöner Limonade, Mineralwasser und Reinigungsmittel eingegangen, berichten die Initiatoren. Und bei den langen Autofahrten der Helferinnen und Helfer Richtung Ukraine würden weitere Ideen für künftige Projekte reifen. Schwerpunkte sollen unter anderem die Unterstützung für das  Kreiskrankenhaus in Kamjanez und ein Spielgelände für traumatisierte Kinder an der Grenze bleiben.           

Die Initiative 'Bad Brückenau hilft' unterstützt im polnisch-ukrainischen Grenzgebiet auch einen Spielplatz zur Betreuung traumatisierter Kinder.
Foto: Oliver Belz | Die Initiative "Bad Brückenau hilft" unterstützt im polnisch-ukrainischen Grenzgebiet auch einen Spielplatz zur Betreuung traumatisierter Kinder.

Gut läuft derzeit die Sammlung von alten Schulmöbeln, sagt Christian Wirth. Bis der Transport demnächst starten kann, werden die Helferinnen und Helfer noch ganz schön schuften müssen:  Wirth rechnet mit vier Sattelschleppern voller Möbel. "Die Arbeit schweißt alle zusammen, jeder kann sich auf jeden verlassen."                  

Dankbarkeit spornt die Ehrenamtlichen aus der Rhön an

Der Antrieb für all das Anpacken und Engagement? Unter anderem die "tiefe Kultur der Dankbarkeit in der Ukraine", sagt Vereinsschriftführer Thomas Weißenfeld. Er komme kaum hinterher, all die ergreifenden Begebenheiten zu dokumentieren. Für Kinder auf der Flucht hat die Initiative bereits 2500 Turnbeutel mit Stiften, Malbuch und einem Getränk gepackt und verteilt. Die Freude selbst über diese vermeintlichen Kleinigkeiten wirke auch bei den Helferinnen und Helfern, sagt Christian Wirth: "Keine Tour endet ohne das Bekenntnis, dass wir weitermachen."

Infos und Kontakt: Was aktuell gebraucht wird, darüber informiert der Verein auf der Seite brkhilft.org. Spenden werden immer mittwochs von 16 bis 19 Uhr am ehemaligen Bad Brückenauer Bahnhof angenommen.

Bewerben für die Aktion "Zeichen setzen!"

Die Aktion "Zeichen setzen!" wurde und wird auch in Zeiten der Corona-Pandemie fortgesetzt – zuletzt in überwiegend digitaler Form. In den Zeitungstiteln der Mediengruppe Main-Post und online auf www.mainpost.de wird über beispielhafte Initiativen berichtet. Nach der Jury-Entscheidung werden die vier Preise – dotiert mit 500 bis 3000 Euro – in einer eigenen Veranstaltung im Spätherbst verliehen.
Die Initiativen kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen: Dabei sind soziale Aktionen wie Besuchsdienste, Hausaufgabenhilfen und Tafeln, aber auch kulturelles Engagement.
Bewerben können sich Initiativen entweder selbst, oder sie werden durch Dritte vorgeschlagen - etwa durch Leserinnen und Leser oder die Redaktion. Jede und jeder kann Personen oder Gruppen benennen, die in ihrer Umgebung Wichtiges zum Gemeinwohl beitragen. Eingereicht werden können Projekte und Initiativen aus Unterfranken und dem benachbarten Main-Tauber-Kreis.
Bewerbungen für die Förderpreise und eine Berichterstattung richten Sie bitte bis spätestens 30. September 2022 an: Main-Post, Aktion "Zeichen setzen!", Berner Straße 2, 97084 Würzburg, E-Mail: zeichensetzen@mainpost.de Oder: Lernwerk Volkersberg, Volkersberg 1, 97769 Bad Brückenau, E-Mail: zeichensetzen@volkersberg.de
Informationen rund um die Aktion, die Bewerbung, die Kriterien sowie erschienene Beiträge finden Sie unter www.mainpost.de/zeichensetzen und www.lernwerk.volkersberg.de
mp
 
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