
Es gibt Berufe oder Ich-AGs, von denen man noch nie gehört hat, die man vielleicht nicht für möglich hält, weil man sie noch nie vermisst hat. Aber wenn man von ihnen hört, dann hält man sie durchaus für möglich – spätestens, seit auch „Influencer“ (m/w/d) als Beruf bezeichnet wird, und nicht nur von ihnen selbst. So einen Beruf hat Eric, der zurzeit über die Bretter des Intimen Theaters geistert. Wie soll man jemanden nennen, der davon lebt und darüber Rechnungen schreibt, dass er Menschen (m/w/d) aufsucht, die Partner (m/w/d) haben, die sich von ihnen trennen wollen, Trennungsmelder, Scheidungsfinalisierer, De-Escortservice, Beziehungsauftragskiller, Schleich-dich-Bote?
Im konkreten Fall geht es um die junge Pauline (jetzt können wir auf das Gendern verzichten), die gerade dabei ist, ihre neue Wohnung einzurichten, als es an der Türe klingelt. Kein Wunder, denn sie erwartet ihren Freund Hyppolite. So beginnen viele Komödien, auch „ Trennung frei Haus“ des Franzosen Tristan Petitgirard, das jetzt im Intimen Theater Premiere hatte.
Die Sache wird kompliziert
Als sie die Tür öffnet und den Mann erkennt, der da geklingelt hat, sind beide verwirrt und entsetzt: Pauline, weil vor ihr plötzlich Eric steht, den sie vor sieben Jahren verlassen hat und seitdem nie mehr gesehen hat; und Eric, weil vor ihm plötzlich Pauline steht, eigentlich immer noch die große Liebe seines Lebens, die ihn vor sieben Jahren verlassen hat. Der Zuschauer weiß, welcher Profession Eric nachgeht, denn der hat das, bevor sich der Vorhang hob, dem Publikum genau erklärt. Aber Pauline weiß es nicht, und so ist sie vor allem irritiert, dass Eric (Künstlername Marc) ihre neue Adresse kennt. Und der will ihr natürlich nicht sagen, warum er gekommen ist. Aber er weiß halt, dass sie eine Single in spe ist. Und das betrifft wiederum ihn.
Die Sache wird noch komplizierter, als Paulines „Ex-Freund in spe“ auftaucht. Der bringt gleich mehrere Probleme mit. Zum einen weiß er nicht, wer dieser Eric ist, weil er ihn auch als Marc nie getroffen hat – es ist Geschäftsprinzip, derartige Deals nur telefonisch zu vereinbaren. Zum anderen aber glaubt er, eifersüchtig werden zu müssen, denn er hatte gerade entdeckt, dass er Pauline doch noch liebt. Und jetzt versucht er, Marc zu erreichen, um die Trennungsveranstaltung abzusagen. Aber er erreicht ihn nicht. Und er weiß auch nicht, ob Marc nicht schon längst bei Pauline war. Plötzlich ist eine Menge Eifersucht im Spiel. Das klingt jetzt alles höchst kompliziert, und für die drei auf der Bühne ist es das auch, denn man hat sich schnell mal versprochen, denn Pauline nennt Eric nicht Marc, sondern sicherheitshalber Julien. Der fast allwissende Zuschauer hat es einfacher. Er kann die Sachlage immer neu sortieren und mit den durchaus raffinierten Dialogen Schritt halten.
Spannung reißt nicht ab
Jens Eulenberger hat sich mit „ Trennung frei Haus“ erstmals im Intimen Theater als Regisseur vorgestellt – und man kann sich auf weitere Inszenierungen freuen. Es ist ihm gelungen, diesem hochgradigen Dialogstück – denn eine großartige Handlung gibt es ja nicht und muss es auch nicht geben – mit einer minutiösen und temporeichen Personenregie bis in die Mimik hinein eine vorher nicht unbedingt erwartbare Spannung zu geben, die auch nicht abriss, wenn einmal nichts passierte, weil alle ratlos oder verwirrt waren. Die Pausen spielten mit.
Unbedarfter Macho
Das lag aber auch an dem Trio auf der Bühne. Ludwig Höhl als Eric/Marc/Julien zeigte immer deutlich, wie es in ihm aussah: zunächst beim Zusammenbruch der Routine, als er merkt, bei wem er geklingelt hat; dann die zum Teil rührenden Versuche, Herr des Verfahrens zu bleiben, seine Souveränität nicht zu verlieren, als den anderen allmählich klar wird, wer er ist, beziehungsweise warum er gekommen ist. Und dann die schüchterne Wiederannäherung an Pauline. Yannick Rey spielt als Hyppolite einen etwas unbedarften Macho aus der Werbebranche, der glaubt, schon deshalb auf die Frauen zu wirken, und der größte Mühe hat zu begreifen, dass es wenig Sinn macht, einer Frau einen Liebesantrag aufs Parkett zu legen, die man gerade noch in die Wüste schicken wollte. Als der Vorhang fiel, schien er immer noch nicht zu wissen, was gerade mit ihm passiert war.
Anna Schindlbeck war als Pauline die Normalste der drei: durchaus zu emotionalen Höhenflügen fähig, aber schnell auch wieder geerdet. Ihr wird allmählich klar, dass sie nicht zur Ex-Freundin werden wird. Sie kann ziemlich unaufgeregt Hyppolite in die Wüste schicken und sich Eric an Land ziehen. So hat die Geschichte zwei Verlierer: Hyppolite hat seine Freundin verloren, und Eric hat zwar eine (wieder) gewonnen. Aber in der Branche wird es nicht gerne gesehen, wenn neue Beziehungen entstehen. Aber wir erfahren dann doch noch, wie man eine Firma nennt, die Eric in Paris etwas zynisch „Marc Aixéhoppe“ genannt hat. Man wird sie wohl als „Trennungsagentur“ bezeichnen.
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