Voller Vorfreude ist Christoph Stibor auf dieses Wochenende. Für das Domplatz-Openair in Fulda hat der 53-jährige Leiter des Schloßtheaters einen besonderen Auftritt arrangiert. Dort tritt an diesem Samstag der Weltklasse-Schlagzeuger Martin Grubinger mit dem Sinfonieorchester des Hessischen Rundfunks und dem Dresdner Kammerchor auf. Erwartet werden rund 2000 Zuschauer.
Das Zusammenwirken dieser Musiker ist kein Zufall. Die Idee dazu hatte Stibor, der in Oberthulba wohnt, auf einer seiner kulturellen Exkursionen. Dabei hatte er im Wiener Konzerthaus Grubinger gehört. Im Anschluss ergriff der Wahl-Rhöner die Gelegenheit, mit dem Schlagzeuger über eine Einladung nach Fulda zu sprechen. Das sollte zunächst ein Abend im Schlosstheater werden. Auf der Heimfahrt im ICE hatte Stibor die Idee, Grubinger mit den Rundfunk-Sinfonikern zusammen zu bringen. "Da habe ich offene Türen eingerannt, denn man kennt und schätzt sich", erinnert sich Stibor. Aus diesem Impuls entwickelte sich das große Event samt Funk und Fernsehen. Es beginnt an diesem Samstag um 20 Uhr. Der hessische Rundfunk überträgt live, das Fernsehen sendet am Jahrestag des Mauerfalls, dem 9. November.
Doch auch für das leibhaftige Erleben des Konzertes in der Domstadt wirbt Stibor. Zwar liegt Fulda für Unterfranken hinter den Rhöner Bergen. Für einen Ausflug in Sachen Kultur ist die Domstadt aber nicht aus der Welt. Stibor weiß, wovon er spricht. Schließlich pendelt er die 60 Kilometer dorthin täglich. Wenn er nicht gerade unterwegs ist, um neue Künstler zu verpflichten.
Von der Musikschule ans Schlosstheater
Von Oberthulba aus ist dem Kulturmanager die Strecke in die osthessische 70 000-Einwohner-Stadt bestens vertraut. Von 2012 an leitete er dort die städtische Musikschule. Dabei organisierte und koordinierte er jährlich etwa 100 Veranstaltungen. Seine Arbeit kam gut an. 2016 berief ihn die Stadt zum Leiter des Schlosstheaters.
Seitdem ist er noch mehr unterwegs. "Ich habe oft eine Sieben-Tage-Woche", so der Kulturmanager, Musiker und Pädagoge. Meist ist er mit der Bahn unterwegs, mit dem Auto kommen noch einmal 40 000 bis 50 000 Kilometer dazu.
Stibors Gefühl für das Netzwerken
Der Einsatz kommt nicht von ungefähr. Es gilt, die beiden Spielorte des Schlosstheaters zu füllen. Der große Saal hat 680 Plätze, der Fürstensaal 350. Dazu kommt für gelegentliche Open-Air-Konzerte der Domplatz mit Raum für tausende Besucher. Stibor hat offenbar ein Gespür dafür, was die Menschen aus dem Raum Fulda sehen und hören wollen. 2018 meldete sein Theater mit 36000 Besuchern einen neuen Rekord.
Das schafften Stibor und sein achtköpfiges Team mit einem individuellen Programm. Der Theaterleiter will vor der Verpflichtung von Künstlern ziemlich genau wissen, was sie auf die Bühne bringen. "Das kann man nicht nach Aktenlage entscheiden", findet er. A und O bei der Programmgestaltung sei das Netzwerken in der Kulturszene. Ob Komische Oper Berlin, Münchner Kammerspiele, Schauspielhaus Düsseldorf oder Bamberger Symphoniker: "Wenn man sich kennt, fallen die Verpflichtungen leichter."
Keine Scheu vor sperrigen Stoffen
Ziel Stibors ist es, in seinem Haus möglichst die ganze Vielfalt des Theaters abzubilden. Von der Komödie über Boulevardtheater und dem Tanztheater bis zu experimentellen Bühnen. Aber: "Wir wollen es dem Publikum nicht zu einfach machen", bricht der Oberthulbaer eine Lanze auch für sperrige Stoffe.
Das Einzugsgebiet des Schlosstheaters umfasst rund 300 000 Einwohner. "Luft nach oben", sieht Stibor bei den Besucherzahlen aus der angrenzenden Bayerischen Rhön und ganz Unterfranken. Möglichkeiten der Annäherung gibt es viele. Warum nicht auch ein Theaterring, der Fahrten nach Fulda organisiert? Schon zugenommen habe der Besuch aus dem nördlichen Unterfranken bei Schultheater-Vorführungen. So sitzen immer öfter Hammelburger Schüler im Publikum.
Erdung in der Vorrhön
Gerne kehrt Stibor nach getaner Arbeit wieder heim nach Oberthulba zurück. "Hier erfahre ich Entschleunigung und Erdung", sagt der Kulturmanager. Mit seiner Frau Ute hatte er in Arnshausen die Klavierschule Tastenschmiede gegründet. Kennen und schätzen gelernt hatte das zugereiste Paar die Vorrhön, als die Kinder noch klein waren.
Eher aus Zufall war man bei der Wohnungssuche zunächst in Schlimpfhof gelandet. Befreundete Familien auch mit Kindern erleichterten die Eingewöhnung. Die Tastenschmiede floriert inzwischen seit 16 Jahren im Bad Kissinger Stadtteil Arnshausen. Aktuell unterrichtet Ute Stibor 40 Kinder.
Klavierspielen zur Wartung
Der Theaterleiter genießt es, dass er an seiner beruflichen Wirkungsstätte regelmäßig an die Tasteninstrumente darf. Dann zwar ohne Publikum, aber immerhin. Gerade hat das Schlosstheater zu zwei vorhandenen Flügeln einen dritten dazu gekauft. Die müssen zur Wartung und Pflege gespielt werden, um in Schuss zu bleiben.
Bei dem beruflichen Elan wird klar, dass es für Stibors auch im Urlaub kaum ohne Kultur geht. Gerade kam das Ehepaar aus Schottland zurück. Der Theaterleiter und seine Frau nutzten den Aufenthalt zu einem Abstecher in die Oper von Edinburgh. Stibor lotete dort die Chancen einer anerkannten Darbietung für ein Gastspiel in Fulda aus. Details dazu will er noch nicht verraten.
Christoph Stibor ist 1966 in Dinkelsbühl geboren, und studierte an der Hochschule für Musik an der Universität Würzburg von 1989 bis 1995 Klavier. Schon in dieser Zeit komponierte er Bühnenmusiken und coachte Schauspieler. Außerdem wirkte er als Jazzkomponist und Keyboarder und veröffentlichte pädagogische Stücke. Vor dem Studium war er musikalischer Leiter am Wolfgang-Borchert-Theater in Münster. Zusammen mit seiner Frau Ute gründete er 2003 die Klavierschule Tastenschmiede in Bad Kissingen. Nach der Berufung zum Leiter des Schlosstheaters bildete er sich ein Jahr in München in Sachen Kulturmanagement weiter.
Das Domplatzkonzert am Samstag, 31. August, beginnt um 20 Uhr mit Leonards Bernsteins Ouvertüre zu Candide. Dann folgt Frozen in Time für Schlagzeug und Orchester, das Aver Dorman für Martin Grubinger geschrieben hat. Das große Finale nach der Pause ist die 9. Sinfonie von Beethoven. Umrahmt wird die Veranstaltung durch die Präsentation historischer Fotos aus Fulda, die während der Tage um die Grenzöffnung entstanden sind.