Freunde des Kissinger Sommers blicken in diesen Tagen mit Wehmut auf den Kalender. Wenn die Stadt nicht vor dem Hintergrund der Einschränkungen in der Corona-Krise das Festival komplett abgesagt hätte, würden sie gerade die letzten Konzerte der aktuellen Ausgabe besuchen. Dass aus dem Rathaus bis Dienstag noch kein Lebenszeichen der ansonsten um diese Zeit in Bad Kissingen so prägenden Kultur zu hören war, will der Förderverein des Klassik-Festivals nicht hinnehmen. Der nach eigenem Bekunden größte private Sponsor des Kissinger Sommers hat daher selbst die Initiative ergriffen. Herausgekommen ist eine kleine Reihe unter dem Arbeitstitel Kissinger Nachsommer. Sie vereint am zweiten Oktoberwochenende Virtuoses verteilt auf sieben Termine.
Größter privater Sponsor
Glücklich war der Vorstand des Fördervereins Kissinger Sommer, der nach eigenen Angaben fast 1000 Mitglieder zählt und jährlich 70 000 bis 80 000 Euro an Beiträgen und Spenden für die Finanzierung des Kissinger Sommers beisteuert, nicht damit, wie die vergangenen Monate für das kulturelle Aushängeschild der Stadt verlaufen sind. Da habe zunächst der frühere OB Kay Blankenburg "einen kulturellen Scherbenhaufen hinterlassen", sagte Anton Schick sen. am Dienstag nach einem Vorstandstreffen. Was der Vorsitzende des Fördervereins damit kritisieren will, ist, dass der alte Stadtrat und der damalige Oberbürgermeister kurz vor Ablauf ihrer Amtszeit "ohne Rücksprache mit irgendjemand den Vertrag mit dem Intendanten nicht verlängert" haben.
Seit Mai habe dann Schatzmeisterin Martha Müller erst einmal vergeblich versucht, Kontakt aufzunehmen. In den letzten Junitagen sei dann ein Gespräch zustande gekommen, berichtet Schick, aber da habe er monieren müssen, "dass kein Musiksachverstand mit am Tisch saß". Auch mit den Abläufen bei der Erstellung eines Faltblatts zum Programm der Sonderveranstaltungen war der Förderverein nicht zufrieden. Das Argument, angesichts der Corona-Krise müsse man auf Sicht fahren, könne nicht bedeuten, auf Initiative ganz zu verzichten.
Für den Anspruch, mitreden zu wollen, hat der Förderverein gute Gründe. Den finanziellen Grundaufwand für die Gagen der Künstler trägt er fast ausnahmslos. Ein Abend wird gefördert durch die Carl-Orff-Stiftung, ein Konzert durch das Schmuckatelier Meinck und die vom Kissinger Sommer her renommierte Kissinger Liederwerkstatt von der Anton-und-Katharina-Schick-Stiftung. Von der Stadt erhofft der Förderverein sich Unterstützung beim Ticketing. Die Staatsbad GmbH solle die Spielorte zur Verfügung stellen.
Wie soll es überhaupt weitergehen mit dem Kissinger Sommer?
In den besonderen Umständen eines Jahres im Zeichen der Corona-Pandemie ein Lebenszeichen für den Kulturstandort Bad Kissingen zu setzen, ist ein Anliegen von Anton Schick sen. und seinen Mitstreitern. Mindestens genauso wichtig ist Schick aber, "den Leuten die Unsicherheit zu nehmen", wie es überhaupt weitergeht mit dem Kissinger Sommer. Was die Vorstandsmitglieder des Fördervereins über die Pläne gehört haben, künftig die Intendanz zu regeln, lässt sie zweifeln. Der Kissinger Sommer brauche eine eigene Handschrift. Wie die durch die Verteilung der Kompetenzen auf zwei Personen besser werden soll, ist ihnen noch nicht klar. Die künftige Konzeption erst nach einem Symposium im Herbst regeln zu wollen, ist aus ihrer Sicht zudem zu spät.
Oberbürgermeister Dirk Vogel äußerte sich auf Anfrage am Dienstag nicht zu Details der Kritik aus den Reihen des Fördervereins Kissinger Sommer. Das Gespräch Ende Juni sei aus seiner Sicht aber ein gutes gewesen. Im Namen der Stadt kündigte er unter dem Titel Kissinger Kultursommer Aktivitäten an, die offenbar ohnehin Geplantes und Neues verbinden soll. Einzelheiten dazu will er nächste Woche vorstellen.
Programm für das zweite Oktoberwochenende
Im Vordergrund steht allerdings jetzt erst einmal das Programm der Sonderveranstaltungen im Nachgang zum ausgefallenen Kissinger Sommer 2020. Das sucht gezielt die Nähe zum Kissinger KlavierOlymp, dem internationalen Wettbewerb für junge Pianisten vom 1. bis zum 4. Oktober, und bietet so auch Vermarktungschancen für die örtliche Hotellerie und Gastronomie.
Den Auftakt setzt am Donnerstag, 8. Oktober, das Ensemble Uwaga mit Originalen und Fälschungen von und über Ludwig van Beethoven unter freiem Himmel im Innenhof des Luitpoldbads. Ebenfalls als Open-Air im Luitpoldbad angekündigt sind für den Tag darauf Carl Orffs Carmina Burana. Die Musik dazu kommt von der CD. Magische Bilder dazu hat der Videokünstler Michael Carstens entwickelt.
Das Duo Aliada, Michel Knot am Saxophon und Bogdan Laketic am Akkordeon, gastiert am Samstag, 10. Oktober, nachmittags im Schmuckatelier Meinck und am Sonntagvormittag zum Jazz Breakfast im Kurgarten Café. Zu hören sind Werke aus den Roaring Twenties von Francis Poulenc, George Antheil und George Gershwin. Für die herbstliche Ausgabe der beim Kissinger Sommer überörtlich erfolgreichen Liederwerkstatt am Sonntag, 11. Oktober, im Rossini-Saal hat deren Leiter Axel Bauni ein Best-of-Programm zusammengestellt, das auch eine Vorschau auf die Uraufführungen im Kissinger Sommer 2021 enthält.
Karriere-Impuls durch den KlavierOlymp
Den Schlussakkord schließlich setzt Herbert Schuch mit Beethovens Diabelli-Variationen in einem Doppelkonzert. Der Pianist gehört laut Programm zu den Stars, "die dem Kissinger KlavierOlymp einen großen Karriere-Impuls verdanken". Er gewann den Wettbewerb im Jahr 2005. Schuch spielt am 11. Oktober um 17 Uhr und um 20 Uhr im Regentenbau.
Videos mit musikalischen Kostproben von jungen Künstlern finden Freunde des Kissinger Sommers übrigens der Homepage des Fördervereins. Hintergrund ist die Idee, jungen Künstlern mit extremen finanziellen Einbußen wenigstens kleine Ausfallhonorare zu finanzieren. Die Videos sind das Dankeschön der Künstler dafür: www.fördervereinkissingersommer.de
Will Kissingen und der Klaushof zum nächsten Ischgl werden?
Okay - ich habs vergessen: Corona ist in der Kurstadt ja vorbei. Es gab zuletzt ja keine Neuinfizierten im gesamten Landkreis mehr...