Wer in Kissingens Geschichte kramt, findet viele museumsreife Stücke. Eines davon, einen Stuhl, der einst ins Kurgartencafé gehörte, gibt Hilla Schütze jetzt ins Museum.
Dr. Silvia Glaser, die Leiterin des Gewerbemuseums und der Sammlung Design, holte das historische Sitzmöbel am Donnerstag in Bad Kissingen ab. Nach der Behandlung gegen Ungeziefer, der routinemäßig jedes neue Stück der Sammlung des Museums unterzogen wird, und möglicherweise einer Restaurierung wird der Stuhl dort quasi erkennungsdienstlich behandelt, fotografiert und mit einer Inventarnummer versehen.
Danach wandert er entweder ins Depot oder in die Ausstellung. Anfangs soll er jedoch, wie bei Neuzugängen der Sammlung üblich, in einer Vitrine und in einer Publikation des Museums vorgestellt werden, erklärte Silvia Glaser bei der Übergabe.
Ein Stück mit Geschichte
Der Stuhl und seine Kissinger Artgenossen haben eine lange Geschichte, auf die Hilla Schütze eher zufällig gestoßen ist. Vor 20 Jahren, als sie noch für den Kissinger Sommer arbeitete, stieß die mit Leidenschaft fürs Sammeln auf diversen Gebieten ausgestattete Kissingerin im Kurgartencafé auf einen dieser Stühle. Schokoladenbraun sei der gestrichen gewesen und eigentlich kein Küchenstuhl. Der Küchenchef habe ihr erzählt, der Stuhl habe einst zur historischen dunkelbraunen Bestuhlung des Kurgartenrestaurants gehört.
Fürs königliche Kurhaus
Auf der Unterseite des Stuhles entdeckte sie ein Metallschildchen mit der Aufschrift „Kohn Wien“, berichtet Hilla Schütze weiter. Neugierig geworden, habe sie danach den Stuhl fotografiert und das Museum für angewandte Kunst in Wien um Auskunft gebeten. In den Katalogen der Firma Kohn, einem Konkurrenten des bekannteren Möbelherstellers Thonet, fand das Museum den Stuhl nicht. Es handle sich wohl um eine „Sonderanfertigung für das königliche Kurhaus in Bad Kissingen“ lautete daher die Einschätzung, berichtet Hilla Schütze.
Zeitweise weiß gestrichen
Bei den Nachforschungen auf den Spuren der nach Schätzung der Sammlerin 160 bis 200 Stühle dieser Art, „die in Bad Kissingen vorhanden gewesen sein müssen“, habe sich ergeben, dass ein Großteil der Stühle weiß gestrichen worden war und, so Hilla Schütze, in den Badekabinen der Badehäuser „Verwendung fanden“.
Feuchtigkeit habe in vielen Fällen die Sitzflächen der Stühle schnell ruiniert. Daher seien fast alle entsorgt worden. Einige hätten dennoch überlebt, berichtet die Sammlerin, „von schwarz auf weiß umgestrichen, als Orchesterbestuhlung im Staatlichen Kurtheater“.
Eleganz bestätigt
Als das Bayerische Fernsehen 2001 zu Aufzeichnungen für die Sendung Kunst und Krempel nach Bad Kissingen kam, nutzte Hilla Schütze die Gelegenheit, einen der Stühle zur Beurteilung durch Experten vorzustellen. Diese hätten die Eleganz des Möbelstücks bestätigt und den Stuhl auf 600 Mark geschätzt.
Bei einem Verkauf von Restbeständen aus dem Kurbetrieb seien 2004 einige defekte, weiß gestrichene Exemplare „zum Vorschein“ gekommen, berichtet Hilla Schütze weiter. Sie habe zwei erworben, „in der Hoffnung, aus zwei mach eins, einen restaurieren lassen zu können“. Die Restaurierung sei gelungen, allerdings sei der Stuhl nun matt. Die Bestuhlung des Kurgartenrestaurants dagegen habe wohl leicht geglänzt.
Zeichen Richtung Bad Kissingen
Dem Germanischen Nationalmuseum angeboten hat Hilla Schütze den Stuhl, „weil ich der Meinung bin, dass dieses elegante und einmalige, für Bad Kissingen hergestellte Stuhlmodell unbedingt erhaltenswert ist“. Ein bisschen ist die Übergabe wohl auch ein Zeichen für Bad Kissingen selbst. Vielleicht wächst mit dem Beispiel des zu musealen Ehren kommenden Stuhls ja ganz allgemein die Achtung vor den anderen Zeugnissen aus der Geschichte des Weltbads.