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Bad Kissingen
Kirchenmusikdirektor klagt in München privat gegen Singverbot
Während des Lockdown sollen Gottesdienstbesucher wegen der Ansteckungsgefahr nicht mehr singen. Ein Bad Kissinger zieht gegen das Verbot des Gemeindegesangs vor Gericht.
Aktiv und engagiert: Der Bad Kissinger Kirchenmusikdirektor  Jörg Wöltche, hier bei einem Auftritt der KisSingers in Schweinfurt.
Foto: Archiv Josef Lamber | Aktiv und engagiert: Der Bad Kissinger Kirchenmusikdirektor  Jörg Wöltche, hier bei einem Auftritt der KisSingers in Schweinfurt.
Isolde Krapf
 |  aktualisiert: 09.02.2024 12:26 Uhr

Kaum hatte der bayerische Ministerpräsident am Sonntag das "Verbot des Gemeindegesangs im Gottesdienst" angekündigt, legte Jörg Wöltche beim Bayerischen Verfassungsgericht Klage dagegen ein. "Ich betone, dass dies privat erfolgte, denn als Angestellter meiner evangelischen Landeskirche steht mir eine solche Beschwerde nicht zu", sagt der Bad Kissinger Kirchenmusikdirektor und Schweinfurter Dekanatskantor.

Als sich Wöltche am Montag nach München wandte, war die 10. Infektionsschutzverordnung des Freistaats indes noch gar nicht verabschiedet und publik gemacht worden. Unter anderem aus diesem Grund erfülle Wöltches Schreiben nicht die Voraussetzungen zu einer Verfassungsbeschwerde, heißt es in der Antwort des Münchner Verfassungsgerichtshofs von diesem Freitag.

Die neue Infektionsschutzverordnung, die am 9. Dezember in Kraft trat, schreibt vor, dass Gottesdienstbesucher nun nicht mehr singen dürfen. "Das halte ich für völlig überzogen", sagt Wöltche. Schließlich sei das Beten weiterhin erlaubt. "Wo ist da der Unterschied, ob ich im Sitzen ein Vaterunser bete oder im Stehen leise ein Lied mitsinge?"

Singverbot als Bevormundung empfunden

Dass die Gottesdienstbesucher an Heiligabend nicht mal ein "Stille Nacht" singen dürfen, habe ihn persönlich sehr betroffen gemacht. "Da hatte ich nach dem Sonntag, als die Ministerrunde tagte, eine schlaflose Nacht." Denn natürlich habe man in Bad Kissingen, wie andernorts auch, ein umfassendes Hygienekonzept mit Abstands- und Hygienevorschriften vorgelegt. Und die Verkündigung in Wort und Musik stehe, sagt Wöltche, nun einmal im Mittelpunkt eines evangelischen Gottesdienstes.

Auftritt der KisSingers 2017, zusammen mit ihrem Leiter, Kirchenmusikdirektor Jörg Wöltche.
Foto: Archiv Josef Lamber | Auftritt der KisSingers 2017, zusammen mit ihrem Leiter, Kirchenmusikdirektor Jörg Wöltche.

Der Staat könne nicht derart in die Struktur von Gottesdiensten eingreifen, sagt Wöltche, der auch den Gospelchor der KisSingers leitet. Dagegen müsse man sich wehren, das Singverbot empfinde er als "Bevormundung". Nach Paragraf 142 der Bayerischen Verfassung aber seien Kirchen "von staatlicher Bevormundung frei", argumentiert der Kirchenmusikdirektor. Die Staatsregierung berufe sich bei ihrem Gesangsverbot auf Studien mit Profisängern. "Wer als gelernter Sänger mit bis zu 120 Dezibel singt, der stößt natürlich eine andere Menge an Aerosolen aus als ein durchschnittlicher Gottesdienstbesucher", sagte der Kirchenmusiker. 

Klage wäre wohl nicht von Erfolg gekrönt 

Am Freitag hatte Wöltche die Antwort des Verfassungsgerichts im Briefkasten. Der Richter aus München habe in seinem Schreiben zwar Verständnis gezeigt, sagt der Kirchenmusikdirektor. Er sei jedoch darauf hingewiesen worden, dass es zum Zeitpunkt seiner Beschwerde noch keinen "existenten Umsetzungsakt" des Singverbots gegeben habe. Zudem habe der Freistaat - anders als im Frühjahr beim kurzzeitigen bayernweiten Gottesdienstverbot - in der 10. Infektionsschutzverordnung nun mit dem Singverbot eine "mildere Maßnahme" in Bezug auf Gottesdienste gewählt.

Wolle er sein Anliegen weiterverfolgen, müsse er es neu formulieren und den normalen Klageweg beschreiten, zitiert Wöltche den Referenten des Verfassungsgerichtshofs. Doch mit einer solchen Klage, das gehe aus dem Brief hervor, werde er wohl keinen Erfolg haben, sagt der Kirchenmusikdirektor.

Kirchenmusikdirektor: Trotz Pandemie-Regelungen mutig bleiben

Man müsse die Pandemie-Vorschriften im Blick haben, dürfe sich davon aber nicht zu sehr einschüchtern lassen, findet er. Weihnachten sei nun mal ein besonderes Fest, wenigstens die Kinder sollten etwas davon haben. Deshalb engagiert sich Wöltche seit Wochen dafür, dass die evangelische Kirchengemeinde in Bad Kissingen ein Krippenspiel im Freien aufführen kann. "Es ist mit den für den Hygieneschutz zuständigen Behörden abgestimmt – und die freuen sich sogar, dass wir das machen."

Krippenspiel der Gospel Sparrows im Jahr 2016 unter Leitung von Jörg Wöltche in der Erlöserkirche.
Foto: Archiv Jule Albert | Krippenspiel der Gospel Sparrows im Jahr 2016 unter Leitung von Jörg Wöltche in der Erlöserkirche.

Seit Jahren findet die Aufführung der Kinder zu Heiligabend im Gotteshaus statt. Jetzt hat die Kirchengemeinde für Sonntag, 20. Dezember, die Bühne im Innenhof des Bad Kissinger Luitpoldbads angemietet. Das ausgeklügelte Hygienekonzept sieht 400 personalisierte Sitzplätze vor, für die man sich im Vorfeld die Gratis-Platzkarten besorgen kann. Auf der Bühne sollen dann 25 Kinder singen und spielen - durch Folienwände voneinander getrennt.

Am Freitag erst Plakate aufgehängt

"Es ist eine halb szenische Aufführung, die wir verfilmen und dann an Heiligabend ins Netz stellen wollen", sagt Wöltche voller Begeisterung. Die Kinder hätten, jedes für sich, schon lange allein zu Hause geprobt. Nun werde das Ganze auf der Bühne zusammengeführt. Am Freitag erst brachte der Kirchenmusikdirektor die Plakate für die Aufführung in der Stadt an.

Für Verunsicherung sorgt indes die Entwicklung der Corona-Fallzahlen im Landkreis Bad Kissingen. Am Freitag, 11. Dezember, lag die 7-Tage-Inzidenz laut Landratsamt bereits bei 183,1. Wird die Marke von 200 überschritten, müssten auch differenziert durchdachte Aufführungen wie das Krippenspiel im Freien abgesagt werden. "Dann ist es halt so", sagt Wöltche bei diesem Gedanken resigniert. Eins will er dann aber auf jeden Fall machen:  die Szenen der Kinder dann filmen. "Ich hab da schon ein schönes Drehbuch im Kopf." 

 
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  • saf.wuerzburg@t-online.de
    Auch bei den Evangelen macht die Dummheit nicht halt ...
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  • Wenn Kirchen offen haben - aber das Singen verboten wird, ist das pure Willkür und einfach nur lächerlich. Danke, dass manche noch von Ihren Rechten gebrauch machen. Und die anderen hier: Wenn ihr ganzen Tag zu Hause sitzt, dürft ihr gerne andere für ihr Fehlverhalten kritisren. Aber ich bin recht sicher, dass IHR genauso rausgeht und daher potentielle Weitergeber des Virus' seid. Studien zeigen ganz klar, dass Masken keinen 100% Schutz bieten. Daher seid auch Ihr Kritiker eine Gefahr für andere - eurer Logik nach. Grundrechte binden (nur) den Staat. Jeder Versuch Grundrechte einzuschränken, soll niemals von Bürgern selbst gefordert werden.
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  • mainpost@swamp.franken.de
    Tolle Logik ...

    Masken bringen keinen 100%igen Schutz, also machen wir gar nichts.

    Am Besten schmeißen wir die Sicherheitsgurte aus den Autos. Behindern nur die (Bewegungs)Freiheit und schützen nichtmal 100%ig ...

    Wenn "wir" regelkonform rausgehen ist das natürlich auch nicht 100%ig sicher. Nichts ist 100%ig sicher. Aber es ist zumindest ziemlich sicher.

    Und doch, ich fordere Einschränkungen von Grundrechten! Z.B. bin ich froh, daß das Grundrecht der Handlungsfreiheit eingeschränkt ist und es verboten ist mit 150 durch einen Ort zu rasen. Dass ist auch eine Einschränkung, aber schützt halt die Grundrechte (Leben und k. Unversehrtheit) anderer. Wenn auch nicht 100%ig ...
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  • mfppkg@t-online.de
    Jeder hat das Recht seine Meinung frei kundzutun, auch Herr Wöltche. Teile der Kommentare sind teilweise negativ wie "unsozialer und egoistischer Typ" oder unsozialer und egoistischer Typ. Das schreibt man so nicht. Für mich ist es wichtig, dass Kirchen geöffnet bleiben. Nicht wegen des Singens oder der Messe, sondern wegen des Glaubens als Christ, Moslem, Jude oder anderen Religion einen Rückzugort zu haben, wo ich mich mit Abstand und Maske hineinsetzen kann um meinen Glauben zu leben.

    Als Christ brauche weder den Gesang oder die Messe, sondern ich gehe meistens in die Kirche wenn das Genannte nicht stattfindet und rede, wie viele es nennen "Mit dem da oben". Das bringt mit eine ganze Menge mehr als ein Gottesdienst. Ich gehe auch gerne in den Gottesdienst, aber in der katholischen Kirche sind gute Priester dank der negativen Haltung in Rom, zwecks Änderung Mangelware. Herr Wöltche ich bin mir sicher , in ein paar Wochen geht das wieder. Klage zurückziehen und Durchhalten!
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  • Lieb10@gmx.de
    Jetzt geht es im Sinne des höchsten christlichen Gebotes der "christlichen Nächstenliebe" darum, möglichst viele Menschenleben zu retten !! Das ist das Wichtigste in diesem Winter. Und Gott und Jesus hören auch die Gebete und Gesänge zu Hause. Deshalb kann ich bei solchen Klagen dieses Egoisten wirklich nur mit dem Kopf schütteln.
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  • klemens.wolf@gmx.de
    Eines vorab:
    Ich schätze Jörg Wöltche als einen sehr versierten Musiker, der mit seinen Chören und seinem extrovertierten und temperamentvollen Engagement vielen von uns unvergessliche Momente beschert hat.
    Mit dieser Aktion ist er aber mehr als deutlich über’s Ziel hinausgeschossen, Kopfschütteln allein reicht nicht, ein echter Fall für’s Fremdschämen!
    Eine "schlaflose Nacht", weil der Staat das Singen von "Stille Nacht" in der Kirche verboten hat – geht’s noch?
    Hat sich der Wertgeschätzte mal kritisch hinterfragt, ob das in diesen Pandemiezeiten, in denen Menschen schlaflose Nächte haben, deren Angehörige auf der Intensivstation um ihr Leben ringen, wirklich eine Problemstellung und dann noch für den Bayerischen Verfassungsgerichtshof ist?
    Und noch eins zum Schluss:
    Der Vergleich mit dem erlaubt „gebeteten Vaterunser“ ist mehr schein als heilig.
    Auch hier gilt: ein still und für sich gesprochenes Gebet ist sicherlich nicht weniger intensiv, auch darüber lohnt es sich nachzuDENKEN!
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  • k.a.braun@web.de
    Leibe Mainpost, jetzt ist's allmählich mal genug mit den Schlagzeilen für die Verantwortungslosem in Lande!
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  • Bleiben SIE doch zu Hause. Das nenne ich freie Demokratie.
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  • mainpost@swamp.franken.de
    Dann verstehen Sie das Konzept "Demokratie" nicht ganz.
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  • steffen.cyran@freenet.de
    Typisch, sobald jemand Entscheidungen mit Augenmaß fordert, kommen die ersten Kommentare von Betonköpfen, die meinen auf Herrn Wöltche eindreschen zu müssen.

    Und fordern sogar arbeitsrechtliche Konsequenzen (!), weil er eine andere Meinung vertritt..... DAS ist verabscheuungswürdig.

    Die nächsten Kommentare werden dann sein, er sei "Schwurbler", rechtsextrem, Verschwörungstheoretiker usw. Bekannte Masche.
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  • deweka
    Singen ist etwas anderes als beten. Sollte ein Kirchenmusikdirektor eigentlich wissen.
    Ein Amateursänger kann vielleicht nicht ganz so laut singen, aber warum sollte die Menge der ausgestoßenen so gering sein, dass davon keine Gefährdung ausgeht?

    Wenn eine private Meinung den Aufgaben im Beruf widerspricht ist das schon bedenklich.
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  • deweka
    „Aerosole“ ist hier irgendwo hängengeblieben.
    Sollte „…Menge der ausgestoßenen Aerosole“ heißen.
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  • chrishaensch@aol.com
    Er soll froh sein, dass die Kirchen überhaupt offen bleiben.... vergleicht man die Genehmigung zur Öffnung mit anderen Bereichen ist es unverhältnismäßig.
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  • Inschenioer
    Das nennt sich Religionsfreiheit...😉

    Ja, genau das ist der Unterschied warum Kirchen etc. offen bleiben dürfen und dafür vieles Andere nicht. Und dafür bin ich dankbar, dass hier in Deutschland auf so etwas Acht gegeben wird und beim zweiten Lockdown darauf geachtet wird.
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  • Funkenstern
    Mensch Jörg, ich weiss ja, dass Du schwierig sein kannst, aber kannst Du mal bei einem Thema, das Du nicht fassen kannst, einfach demütig sein?
    Willst Du das wirklich verantworten, wenn da was einschlägt?
    Lass die Kirche aussen vor, die sind eh von vorgestern. Ob Katholen oder Evangolen, da gibt sich nichts raus. Sie halten alle an ihren Pfründen fest, la coste es was es wolle.
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  • Einwohner
    Was ein unsozialer und egoistischer Typ, oder? Hoffentlich zieht sein Arbeitgeber entsprechende Konsequenzen.
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  • Das Posting verstößt gegen unsere Netiquette und wurde daher gesperrt.
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  • roswitha.oehrlein@aol.com
    Das Singverbot halte ich für vollkommen richtig! Man muss sich wirklich fragen was in solchen Hirnen vorgeht! 🤷‍♀️🤷‍♂️🤦‍♀️🤦‍♂️
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  • haba2908
    lieber Hr. Wöltche, erklären Sie doch bitte mal dem Coronavirus den §142 der Bayer. Verfassung, vielleicht hält sich das Virus auch dran und verschont die Kirchenmitglieder - werden hauptsächlich ältere ,also besonders gefährdete Menschen sein. Egal ob Weihnachtsgottesdienst oder Gesang in der Kirche.........ich verstehe gerade nicht, was in diesen Köpfen abgeht! Wollen oder können sie das nicht verstehen? Ich hätte die Kirchenoberen nicht mit den Querdenkern auf eine Stufe gestellt............aber anscheinend ist die Denkweise die gleiche.
    Also gut, lasset die Spiele beginnen und lasset sie singen - es wird sich alles biologisch regeln und das Geschrei groß sein!
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