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Bad Kissingen
Hebammen-Notversorgung: Sieben Mütter brauchten dringend Hilfe
Im Landkreis Bad Kissingen steigt die Zahl der Geburten, aber es gibt immer weniger Hebammen. Warum der Landkreis für Schwangere nun eine Anlaufstelle einrichtete.
Die Zahl der Hebammen im Landkreis Bad Kissingen ist in den vergangenen Jahren gesunken. Im Bild werden bei einer Schwangeren gerade die Herztöne des Babys abgehört. 
Foto: Archiv dpa/Uli Deck | Die Zahl der Hebammen im Landkreis Bad Kissingen ist in den vergangenen Jahren gesunken. Im Bild werden bei einer Schwangeren gerade die Herztöne des Babys abgehört. 
Isolde Krapf
 |  aktualisiert: 11.02.2024 17:43 Uhr

Seit sechs Jahren gibt es im Landkreis Bad Kissingen keine Entbindungsstation mehr. Die Mütter müssen zur Geburtsvorbereitung und Geburt weite Wege in Kauf nehmen und nach Bad Neustadt, Schweinfurt, Würzburg oder Fulda fahren. Hinzu kommt, dass Hebammen, die die Frauen bei der Geburtsvorbereitung und Nachsorge unterstützen, im Landkreis seit etlichen Jahren schwer zu finden sind.

Das Problem hatte sich offenbar in den jüngsten Jahren noch verschärft, denn der Landkreis richtete im Juli 2020 eine Hebammen-Notversorgung ein, die unter der Ägide der Koordinierenden Kinderschutzstelle (KoKi) des Landkreises (Fachbereich "Frühe Hilfen") anlief. Im Jugendhilfeausschuss am Montag in der Musikakademie Hammelburg zog Georg Schulz-Hertlein vom Jugendamt hierzu Bilanz.

Im Landkreis 880 Geburten in 2020

Das Ergebnis seiner Recherchen hatte ergeben, dass es 2020 insgesamt 880 Geburten im Landkreis gab. Das sind 32 mehr als im Vorjahr. Die tatsächliche Zahl aktiver Hebammen im Kreis sei schwer zu fassen, sagte er. Es gibt immerhin 14 Hebammen, die im Landkreis wohnen. 2015 hatte es im Kreis noch 25 Hebammen gegeben. Zusammen mit solchen Kräften, die außerhalb des Landkreises angesiedelt sind, hätten werdende Mütter aktuell Zugriff auf 30 Hebammen.

Dass es zu wenig Hebammen gibt, könnte laut Schulz-Hertlein damit zu tun haben, dass es mehr Geburten gibt und sich dadurch die Situation verschärft. Andererseits seien Hebammen vielleicht in Rente gegangen oder hätten ihren Beruf ganz aufgegeben. Andere wiederum arbeiteten vielleicht nur noch Teilzeit. Verschärfen könnte sich die Situation zusätzlich, weil die Berufsausbildung 2020 reformiert wurde. Hebammen werden nämlich jetzt akademisch im Rahmen von Regelstudiengängen ausgebildet. Schulz-Hertlein befürchtet, dass dann der Fokus der Arbeit vielleicht auf die Kliniken gelegt würde.

Staatliches Programm kam nicht in Frage

Eine Umfrage unter 17 Hebammen habe ergeben, so Schulz-Hertlein weiter, dass vier von ihnen gelegentlich mal Frauen zur Wochenbettbetreuung ablehnen müssen und weitere sechs von ihnen so ausgelastet sind, dass sie nur noch Frauen bis zur 8. bis 12. Schwangerschaftswoche annehmen konnten.

Der Landkreis ist verpflichtet, die Hebammenversorgung als Grundversorgung sicherzustellen, zitierte Schuz-Hertlein die Landkreisordnung. Finanziert wird diese Hilfe für werdende Mütter durch die Krankenkassen. Vonseiten des Freistaats war 2018 zwar das "Förderprogramm Geburtshilfe" gestartet worden. Doch letzten Ende hatte sich herausgestellt, dass es sich nur an Kreise mit Geburtshilfestationen richtet – also für den Landkreis Bad Kissingen nicht in Frage kommt, so Schulz-Hertlein.

Weil es im Landkreis Bad Kissingen keine Entbindungsstation mehr gibt, fahren Mütter zur Geburt unter anderem ins Leopoldina-Krankenhaus nach Schweinfurt (im Bild).
Foto: Archiv Gabi Kriese | Weil es im Landkreis Bad Kissingen keine Entbindungsstation mehr gibt, fahren Mütter zur Geburt unter anderem ins Leopoldina-Krankenhaus nach Schweinfurt (im Bild).

Im November 2019 war der Kreis schließlich selbst aktiv geworden und hatte im Ausschuss beschlossen, eine Notfall-Hebammenversorgung ins Leben zu rufen. Unterdessen war das Thema auch vom Landkreistag an oberster Stelle angesprochen worden. Der Landkreis Bad Kissingen bat sogar Staatsministerin Melanie Huml erst im Februar 2020 schriftlich um Schützenhilfe. Beantwortet wurde diese Anfrage, laut Schulz-Hertlein, aber nicht.

Nachfrage bislang überschaubar

Im Juli 2020 startete der Landkreis dann schließlich seine geplante Notfall-Hebammenversorgung. Das Projekt hatte zuvor wegen der Corona-Pandemie etliche Monate auf Eis gelegen. Acht Familienhebammen stehen mittlerweile kurzfristig für aufsuchende Termine sowie Telefonberatung zur Verfügung. Die Anfragen werden von der KoKi entgegengenommen und von dieser koordiniert. Zielgruppe sind Schwangere und Mütter im Wochenbett aus dem Landkreis, die keine Hebamme fanden und Probleme in Schwangerschaft bzw. Wochenbett haben.

Die Nachfrage nach Hebammen bei der KoKi sei bislang überschaubar, so Schulz-Hertlein weiter. "Wir sind nicht überrannt worden." Von den seit Juli 2020 eingegangenen 15 konkreten Anfragen bezogen sich lediglich sieben auf eine eindeutige "Notfallanfrage". Die übrigen bezogen sich allgemein auf die Unterstützung bei der Suche nach einer regulären Hebammenbetreuung.

Melden kann man sich dienstags

Was die Kosten für mögliche Einsätze dieser Hebammen angeht, sind die Krankenkassen in der Pflicht. Der Landkreis erstattet den Hebammen pro Einsatz einen gestaffelten Mehraufwand. Der bisherige finanzielle Gesamtaufwand für den Landkreis lag, laut Schulz-Hertlein, weit unter 1000 Euro. Jetzt will man noch einmal für die Hebammen-Notversorgung die Werbetrommel rühren.

Infos zur  Hebammen-Notversorgung jeden Dienstag unter (09 71) 8 01-92 30 von 10 bis 12 Uhr oder generell unter fruehe-hilfen-koki@kg.de

 
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  • lbs
    Man könnte das Problem der Hebammen Ausbildung und der Hebammen Förderung doch ganz schnell beseitigen, indem der Staat endlich Sorge dafür trägt, dass Hebammen für ihre Versicherung, wenn sie selbständig sind, nicht selber bezahlen müssen. Eine solche Versicherung kann einige 1000 € im Jahr kosten und keiner der Regierung macht etwas dagegen. Frau Hummel beantwortet einen Brief des Landratsamtes Bad Kissingen einfach nicht. Ein Ding der Unmöglichkeit, und mal ehrlich, was leistet schon eine Melanie Hummel. Hierfür sicher nichts. Ich halte sie, wie Dorothea Bär für völlig überflüssig in ihren Ämtern. Ich hoffe sie liest diesen Artikel und auch die Kommentare hierzu um dann endlich mal in die Puschen zu kommen. Hebammen sind das wichtigste, was wir hier im Landkreis Bad Kissingen brauchen. Außerdem müssen Politiker die HELIOS dazu zwingen, wieder eine Kinderstation einzurichten. Wenn das gemacht wird, dann werden hoffentlich mehr Frauen und Männer zu Hebammen ausgebildet.
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