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Hammelburg
Thema AfD: Ehrenbürger Fell fordert Warmuth heraus
Hans-Josef Fell will, dass Hammelburgs Bürgermeister einen Parteibeschluss initiiert, dass die CSU nicht mit der AfD zusammenarbeitet. Warmuth reagiert angegriffen: „Ich brauche keine Belehrungen.“
Susanne Will
 |  aktualisiert: 27.02.2025 02:39 Uhr

Eine Mehrheit mit Stimmen der AfD , die Brandmauer, Streit im Bundestag , Reaktionen aus aller Welt: Über die Abstimmungspolitik der Union mit der in Teilen rechtsradikalen AfD ist in den vergangenen Tagen viel berichtet worden, es scheint auf bundespolitischer Ebene alles gesagt worden zu sein. Doch bei vielen rumort der Tabubruch noch. Wie bei Hans-Josef Fell , Grünen-Urgestein und Ehrenbürger der Stadt Hammelburg . „Wehret den Anfängen“, dazu habe ihn sein Vater, 18 Jahre lang Bürgermeister für die CSU in Hammelburg , immer ermahnt. Nun hat er einen offenen Brief , der der Redaktion vorliegt, formuliert – adressiert an Hammelburgs Bürgermeister Armin Warmuth (CSU).

Keinerlei Zusammenarbeit mit AfD

Der 73-Jährige hat ihn in dem Brief aufgefordert, Stellung zu beziehen. Er möchte, dass Warmuth innerhalb der örtlichen CSU einen Beschluss herbeiführt, keine Zusammenarbeit mit der AfD einzugehen – auf kommunaler Ebene, wie auch auf Bundesebene.

Hammelburgs Bürgermeister Armin Warmuth.       -  Hammelburgs Bürgermeister Armin Warmuth.
Foto: René Ruprecht | Hammelburgs Bürgermeister Armin Warmuth.

Bürgermeister Armin Warmuth zeigt sich überrascht von dem Brief . „Seit knapp elf Jahren stehe ich in dieser Stadt für ein verantwortliches und friedliches Zusammenleben, einem respektvollen Miteinander und auch dafür, Polarisierungen möglichst zu vermeiden.“ In seinem Handeln – „und das habe ich immer betont“ – habe er sich „eindeutig“ gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus, Gewalt und Unrecht ausgesprochen.

Er habe die Erinnerungskultur auch als Mahnung stets in den Vordergrund gestellt, zählt beispielsweise die Beteiligung am Denkort Deportationen oder die Dokumentation des Judenfriedhofs in Pfaffenhausen auf.

Fell schreibt „aus persönlicher Betroffenheit“

In seinem Brief schreibt Hans-Josef Fell : „Als einziger lebender Ehrenbürger Hammelburgs fühle ich mich mitverantwortlich für das friedliche und menschenwürdige Zusammenleben aller Bürgerinnen und Bürger in Hammelburg und als ehemaliges Mitglied des Bundestages darüber hinaus auch in ganz Deutschland und der EU. Aus persönlicher Betroffenheit über die Entwicklung eines immer weiteren Erstarkens rechtsradikalen Gedankenguts in Deutschland schreibe ich Ihnen, in der Hoffnung, stärker gemeinsam dagegen anzugehen.“

Zunächst lobt er den CSU-Bürgermeister ausdrücklich: „Am 9. November 2023 haben Sie anlässlich der Mahnfeier zur Pogromnacht vor der ehemaligen Synagoge in Hammelburg eine beeindruckende Rede gehalten.“ Dafür habe er sich persönlich bei Warmuth bedankt. „Zudem habe ich Sie damals aufgefordert, auch innerhalb Ihrer Partei, der CSU, allen Anfängen eines aufkommenden verfassungsfeindlichen Gedankenguts und Handlungen persönlich mit Parteianträgen gegenüber der AfD entgegenzutreten.“

Fell kann „keine Aktivitäten“ des Bürgermeisters erkennen

Und das insbesondere auch innerhalb der örtlichen CSU: Fell habe Warmuth damals aufgefordert, einen Beschluss herbeizuführen, keine Zusammenarbeit mit der AfD einzugehen, auf kommunaler, wie auch auf Bundesebene. Aber: „Bis heute habe ich dazu keine Aktivitäten Ihrerseits erkennen können.“

Der nun umstrittene CDU /CSU-Antrag zur Migrationspolitik konnte nur mit den Stimmen der AfD im Bundestag eine Mehrheit finden. „Damit haben CSU und CDU ganz klar eine indirekte Zusammenarbeit mit der in Teilen verfassungsfeindlichen AfD praktiziert, auch wenn sie ohne direkte Zusammenarbeitsformalitäten zustandekam.“

Fell sieht „durch Ihr (Warmuths, red.) Dulden, ohne Widerspruch (…), dass Sie Ihrer selbst auferlegten Mahnung ,Wehret den Anfängen‘ nicht nachgekommen sind. So ist dieser demokratiefeindliche Dammbruch erst möglich geworden“. Fell möchte, dass das CSU-Mitglied eine „öffentlichkeitswirksame Initiative“ für einen Parteibeschluss herbeiführt, der eine Zusammenarbeit der CSU mit der AfD zukünftig ausschließt.

Warmuth: „Finde das Ganze fast anmaßend“

Armin Warmuth fühlt sich angegriffen: „Ja, ich werde Herrn Fell persönlich antworten, allerdings nicht in einem öffentlichen Ping-Pong-Spiel und erst nach der Bundestagswahl. Ich finde das Ganze fast anmaßend. Ich brauche keine Belehrungen und keine Aufforderungen des ehemaligen grünen Bundestagsabgeordneten , auch wenn ich unseren Ehrenbürger Hans-Josef Fell schätze. Ich bin für alle Unterstützung und auch konstruktive Kritik zu meiner Arbeit sehr dankbar. Aber ich bin mit mir persönlich auch absolut im Reinen und benötige – wie auch der Ortsverband und die Partei – von ihm keine Belehrungen.“

Für Armin Warmuth ist „die Haltung der CSU und der CDU klar, sie wurde mehrfach deutlich gemacht, von Ministerpräsident Markus Söder und dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz : Es wird keine Zusammenarbeit mit der AfD geben, egal, ob überregional oder kommunal. Die Spaltung der Bevölkerung zu verhindern, ist die Aufgabe der Parteien der Mitte und auch von uns allen.“ Das sei ihm gerade auch vor Ort „sehr wichtig“ und er sei sehr dankbar für das öffentliche Eintreten für Demokratie und ein gutes Miteinander. Es müsse aber auch von jedem verinnerlicht und gelebt werden.   

Warmuth: Nicht jeder AfD-Wähler sei ein Neonazi

Der große Zuspruch für die AfD , der „gerade in den letzten drei Jahren deutlich angestiegen“ sei, sei laut Warmuth auch ein Zeichen „vieler Ängste und Sorgen, die die Menschen haben“ – und derer müssten sich alle Parteien annehmen. Nicht bei allen, die die AfD unterstützten, können man, so Warmuth, pauschal von „Neonazis“ sprechen. „Wir müssen daran arbeiten, diese Wähler wieder zurückzuholen. Es ist doch sehr deutlich, dass viele Bürgerinnen und Bürger eine Veränderung der aktuellen Situation wünschen und erwarten. Es muss sich etwas ändern!“  

Warmuth zitiert auch den Sportjournalisten Marcel Reif, der einen Großteil seiner Familie im Holocaust verloren hat. Dieser hatte sich zur von Fell genannten Bundestagsabstimmung in einem Interview wie folgt geäußert: „Ich habe diesen Tabubruch nicht erlebt, weil die AfD zugestimmt hat. Für mich ist der Tabubruch, dass eine so große Fraktion einer rechtsextremistischen, rassistischen Partei im Bundestag sitzt.“ Warmuth: „Dem stimme ich voll zu.“

Warmuth fehlt Verständnis für Fells Brief

Warmuth betont noch einmal, dass ihm das Verständnis für Fells offenen Brief fehle, zumal dazu auch in seinem Verhalten absolut kein Anlass dazu gegeben ist. Sowohl er wie seine Partei würden demokratische Werte leben und dafür auch „vehement“ eintreten.

Im Hammelburger Stadtrat sitzt derzeit kein Vertreter, keine Vertreterin der AfD . Ob es für die kommende Kommunalwahl eine AfD-Liste gäbe, wisse er nicht, so Warmuth.

Fell: „Warmuth redet sich raus“

Was sagt Hans-Josef Fell zu diesen Antworten? „Bürgermeister Warmuth redet sich raus, er bezieht sich auf eine öffentliche Absichtserklärung von Parteichef Merz. Die ist aber nicht glaubhaft, denn Merz hat im Bundestag am 13. November 2024 auch versprochen,  dass ,weder bei der Bestimmung der Tagesordnung noch bei den Abstimmungen in der Sache hier im Haus auch nur ein einziges Mal eine zufällige oder tatsächlich herbeigeführte Mehrheit mit denen da von der AfD zustandekommt‘.“

Fell: Formlose Absichtserklärungen sind nichts wert

Das Ergebnis ist bekannt: Am 29. Januar 2025 hat Merz eine Abstimmung mit Mehrheitsbeschaffung durch die AfD herbeigeführt. Fell: „Formlose politische Absichtserklärungen sind also nichts wert. Nur Parteitagsbeschlüsse sind für eine Partei bindend. Dass CDU und CSU bisher keinen Parteitagsbeschluss herbeigeführt haben, keine Kooperation mit der AfD, auch nicht als geduldeter Mehrheitsbeschaffer für ihre Anträge herbeizuführen, macht mir große Sorgen. So wie bisher Warmuth sein demokratisches Recht nicht in Anspruch genommen hat und eine Initiative innerhalb der CSU herbeigeführt hat, so wenig glaubwürdig sind seine Äußerungen, er würde allen Anfängen wehren.“

Äußerungen von Merz seien wertlos und unglaubwürdig

Statt den Sportjournalisten Marcel Reif zu zitieren, solle Armin Warmuth wie die gesamte CDU /CSU  – nach Ansicht von Fell – die vielen deshalb erfolgten Austritte aus der Union ernst nehmen und „endlich Fakten mit einem bindenden Parteibeschluss initiieren, statt sich auf wertlose und unglaubwürdige Äußerungen von Merz zu beziehen“.

Der offene Brief wird in Kürze auf Hans-Josef Fells Internetseite hans-josef-fell.de  veröffentlicht.

 

 

 

 

 
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  • Manfred Englert
    Auch wenn Sie, aus welchen Gründen auch immer, Ehrenbürger der Stadt Hammelburg sind, frage ich mich, weshalb Sie hier den, auch von Ihnen geschätzten und anerkannten Bürgermeister mit solch einer Forderung bedrängen.
    Ihre Partei, in Zusammenarbeit mit der SPD, hat während dieser unseligen Regierungszeit die AfD verdoppeln lassen! Warum ist das so?
    Vermutlich, weil die Bevölkerung Deutschlands mit der Art und Weise des Regierens dieser Parteien, hier speziell der Grünen, nicht einverstanden waren und vermutlich aus ideologischen Gründen ziemlich viel falsch gemacht hatten!
    Ihre merkwürdige Aufforderung an den Bürgermeister halte ich als untaugliches Eingreifen in den Wahlkampf.
    Weiter so, Herr Fell, dann werden wir die AfD 2029 als stärkste Partei sehen, L e i d e r !
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