Es gibt nichts Schöneres für den Menschen, als in die Natur einzutauchen und mit ihr eins zu werden, hindurchzuschauen zwischen den prallen, weißen Kugeln der Schneeball-Hortensien, verwirrt werden von den grünen, zitternden Spiral-Blättern der Korkenzieherweide, um schließlich Ruhe zu finden an dem Sandstein-Trog mit den schimmernden Wasserlinsen. Rico Raab hat dieses Glück fast jeden Tag. Und mächtig Arbeit damit.
Im kleinen Nickersfelden, ganz am Rande des Landkreises Bad Kissingen, hat er sich einen großen Traum erfüllt - und so etwas wie ein grünes Wunder geschaffen. Säulen, alte Brunnen, eine Orangerie wie in einem Englischen Garten oder die Turmruine einer imaginierten Burg: Die Fantasie des 29-Jährigen darf sich hier ausleben. Und eine üppig blühende Natur freut's.
Angefangen hat alles mit Vater Roland. Der hatte immer mal wieder Findlinge gebracht und daraus ein Pflanzbeet für Ehefrau Heike geschaffen. Als die Saale, die sich nahe am Haus vorbei Richtung Bad Kissingen schlängelt, mit jedem Hochwasser auch Schmutz auf das Grundstück brachte, konstruierte Vater Roland eine Mauer aus Findlingen, dazu baute er eine Art Turmruine. Das Bauwerk hielt fortan die Fluten vom Garten weg. Es war der Beginn einer Reise in eine neue Gartenwelt, die bis heute nicht geendet ist.
"Das alles hat sich Stück für Stück entwickelt. Erst eine Kräuterschnecke, ein Beet, dann kamen alte Steine dazu, die wir irgendwo aufgetrieben haben", erzählt Rico Raab. "Ein Bekannter von uns macht Abbrucharbeiten, da kommen wir immer wieder an besondere Steine von alten Anwesen", sagt Raab.
Im Garten finden sich deshalb Säulen, vielerlei sorgsam angelegte Mauerreste, die dem Anwesen den Charme von Vergangenem geben. Hier stehen kleine Putten-Figuren, dort die typischen Pinienzapfen als Steinmetzarbeit auf Säulen-Kapitellen, woanders historische Amphoren: Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt auf dem Raabschen Anwesen.
Was erst zufällig gesammelt wurde, wird jetzt gezielt gesucht. "Wir haben Steine aus Italien, Frankreich oder auch Ungarn", weiß Rico Raab, der im Hauptberuf Elektroniker ist und täglich nach Lohr pendelt. Umso mehr genießt er die freie Zeit in seinem Gartenparadies. "Ich inspiriere mich im Internet oder in Büchern. Die Gärten Englands sind schon ein Vorbild, obwohl ich noch nie einen besucht habe", sagt der Mann, der schon mit etwa 15 Jahren seine Leidenschaft für die Gartengestaltung entdeckte.
Wer durch seinen Garten spaziert, kommt auch an der Korkenzieherweide vorbei. "Ein Kollege hatte mir einen kleinen Ableger gegeben. Jetzt ist daraus dieser Baum geworden", erzählt Vater Roland. Nebenan bildet ein alter Walnussbaum einen riesigen Baldachin, der vor zu viel Sonne oder zu viel Regen schützt. Darunter lässt sich wunderbar entspannen vom Stress der Welt da draußen.
Um die Ecke sieht man die Turmruine und das Gehege mit den drei Pfauen. "Ja, ich habe den Vögeln Namen gegeben: Sie heißen Milan, Jamil und Phönix", sagt Rico Raab. Jetzt im Sommer verlieren sie ihre Federn mit den schönen Pfauenaugen.
Auf der anderen Seite des weitläufigen Garten-Grundstücks steht eine Orangerie, wie man sie höchstens in Rosamunde-Pilcher-Filmen vermutet, aber nicht hier. "Die war mal bei einer Fernsehshow im Einsatz. Wir haben sie gebraucht in Norddeutschland gekauft, jetzt steht sie in Nickersfelden", schmunzelt Rico Raab.
Auch ihm macht die vermehrte Trockenheit in den Sommermonaten zu schaffen. "Die Pflanzen leiden natürlich darunter. Aber bei dieser Fläche kommt man mit dem Gießen ja gar nicht nach", klagt Raab. Aber auch der Winter ist eine Herausforderung. "Die Säulen-Zypressen haben nicht durchgehalten", bedauert der Gartenfreund. Dafür geben aber die Bayern-Kiwi schmackhafte Früchte ab, die man mitsamt Schale isst.
Im großen Gerätehaus hat er alles, was ein Hobbygärtner so benötigt. Astscheren, kleine Gartenscheren, einen großen und einen kleinen Rasenmäher. Und natürlich gehört ein eigener Traktor zum Inventar. Gartenabfall und der Transport von immer neuen Steinen machen schließlich viel Arbeit.
Die wird durchaus wahrgenommen. Am Garten vorbei mit der Findling-Mauer, den gusseisernen Stallfenstern und den steinernen Allegorien auf die Jahreszeiten führt ein Weg, der von Radfahrern und Wanderern gerne genutzt wird. "Die Leute halten an und fragen, ob sie einmal den Garten besuchen dürfen. Da ergeben sich Gespräche". So war es auch bei einem Radler vom Rhönklub Burkardroth. Der zeigte sich derart angetan von der Gartenpracht, dass er schon zum zweiten Mal eine musikalische Lesung im Garten der Familie Raab organisierte.
Mittlerweile ist der Raabsche Garten auch in einem Verzeichnis des Tourismusverbandes Franken gelistet, der öffentliche und private Gärten von besonderem Wert aufzählt. "Wir sind in allen möglichen Internetforen- und Listen vertreten, teilweise, ohne dass wir gefragt wurden", sagt Rico Raab. Auch dadurch kommen immer wieder Gäste nach Nickersfelden. Aber an einem Tag der offenen Gartentür wollten sie sich bisher nicht beteiligen. "Das würde sehr viel Arbeit machen, man muss den Leuten ja auch etwas anbieten", winkt Rico Raab erst einmal ab.
Verlockend wäre das Ganze schon. Denn neben dem Garten, der im Winter übrigens weihnachtlich illuminiert wird, gibt es noch einen historischen Keller, der zur Wein- oder Likörprobe einlädt, alles liebevoll dekoriert von Rico Raab.
Die Ideen werden dem jungen Mann nicht ausgehen. Auf insgesamt rund 6000 Quadratmetern Das Rezept für sein Gartenwunder ist einfach: "Jedem gefallen solche märchenhaften Gärten. Aber keiner kommt darauf, so etwas selbst zu machen."
Wer sich näher für den Garten interessiert oder einen Besuchstermin vereinbaren möchte, findet im Internet weitere Informationen: www.garten-raab.de